Essen-Borbeck. Seit 50 Jahren gibt es Optik Röcken in Borbeck. Inhaber Peter Seidel glaubt an sein Handwerk, übt aber deutliche Kritik am Stadtteil.
Seit einem halben Jahrhundert gibt es „Optik Röcken“ in Borbeck – der heutige Inhaber Peter Seidel wirbt damit, das älteste Fachgeschäft in Borbeck zu betreiben. Als er hier als Kind durch die Straßen ging, gab es noch zahlreiche inhabergeführte Läden. Doch in den vergangenen Jahren haben viele alteingesessene Händler ihre Geschäfte aufgegeben. Es gibt mehr Ketten, mehr Spielhallen, viele Friseure, teils Leerstände. Trotz dieser Entwicklung, trotz Fachkräftemangels und trotz der Krisen der vergangenen Jahre blickt Seidel positiv in die Zukunft seines Handwerks.
„Ich habe es geschafft, Optik Röcken über die Grenzen Borbecks hinaus bekannt zu machen“, sagt der 56-jährige gebürtige Borbecker. Einige Stammkundinnen und -kunden kämen aus anderen Ruhrgebietsstädten, einige vom Niederrhein und eine Kundin sei auf Empfehlung ihrer Schwester sogar aus Hamburg angereist. Seidel erklärt, er habe eine Nische besetzt, um sich von der Konkurrenz durch große Ketten und den Onlinehandel abzugrenzen, mehr bieten zu können.
„Man muss in der Lage sein, dem Kunden mehr zu bieten, als er erwartet“, meint er. Dazu gehören in seinem Fall Technologie, ein Kontaktlinsen-Institut im Obergeschoss, Beratung und ein Brillensortiment mit Modellen von Herstellern, die noch per Hand anfertigen. Dieser Mix habe ihm eine treue Stammkundschaft gesichert und er sei froh, dass sein Sohn sich ebenfalls für das Augenoptiker-Handwerk entschieden habe und bald seine Ausbildung beenden werde. Die nächste Generation steht bei Optik Röcken somit quasi in den Startlöchern.
Optiker aus Essen-Borbeck wirbt für eine Ausbildung im Handwerk
Seidel hofft, dass es bald eine Trendwende geben wird und sich wieder mehr junge Menschen für Handwerksberufe entscheiden werden. „Das Handwerk bietet im Augenblick die besten Chancen, um Geld zu verdienen“, meint er. „Ich verstehe nicht, warum es kaum noch einer machen möchte.“ Vor etwa zehn Jahren habe er noch jeden Ausbildungsjahrgang besetzt, also drei Auszubildende gleichzeitig beschäftigt und aus einem ganzen Stapel an Bewerbungen auswählen können. Aktuell ist nur einer der Ausbildungsplätze in seinem Betrieb besetzt.
Er selbst habe sich einen guten Lebensstandard erarbeitet, sich einige Träume verwirklichen können, etwa dem vom Eigenheim. Allerdings habe er immer viel und hart gearbeitet, betont Seidel, genau diese Bereitschaft vermisse er bei vielen jungen Menschen. Aufregen kann man ihn leicht, wenn man den Begriff „Work-Life-Balance“ fallen lässt. Ehrliche Arbeit bringt ehrliches Geld, so sieht der Borbecker es. Und er ist fest überzeugt, dass diese Rechnung gerade im Handwerk auch in Zukunft noch aufgehen wird.
Inhaber von Optik Röcken über Borbeck: „Spirale dreht sich immer schneller abwärts“
Das Jubiläum des Geschäfts, in dem er in den 80ern selbst seine Lehre machte, in das er nach einigen Zwischenstationen zurückkehrte und das er 2003 von Gründer Eckhard Röcken übernahm, feiert er deshalb mit Zuversicht. Gedanken macht er sich jedoch über den Standort und den Wandel des Borbecker Zentrums: „Borbeck ging es mal sehr gut, aber die Spirale dreht sich immer schneller abwärts.“ Einige wenige Geschäftsleute setzten sich noch stark für Borbeck ein, viele jedoch nicht mehr. Der Stadtteil sei vor allem für jüngere Kundschaft nicht attraktiv, doch die Hoffnung, dass sich das noch einmal ändern könnte, will Seidel nicht aufgeben.
„Ich bin Borbeck sehr verbunden und es täte mir sehr weh, wenn ich dem Stadtteil irgendwann den Rücken kehren müsste“, sagt er. Seine Stammkundschaft könne er theoretisch auch von einem anderen Ladenlokal in einem anderen Stadtteil aus bedienen, er fühle sich Borbeck aber auch verpflichtet. Es brauche wieder einen stärkeren Branchenmix und eine einfachere Erreichbarkeit sowie möglichst kostenlose Parkmöglichkeiten direkt am Laden – wirklich gebummelt werde in der breiten Fußgängerzone aus seiner Sicht ohnehin nicht mehr.