Essen. Das Orchester macht einen Diener, der Dirigent animiert die Zuhörer zum Zwischenapplaus: Essener Sinfoniekonzert wird zum ungewöhnlichen Erlebnis

In hiesigen Konzerthäusern gilt Zwischenapplaus als gut gemeintes Banausentum. Nicht aber, wenn Richard Egarr am Pult steht. Im 8. Sinfoniekonzert animierte er gar das leicht irritierte Publikum nach jedem Sinfoniesatz zum Beifall. Und nach so viel Akklamation gehörte es sich natürlich für die Essener Philharmoniker, auf Geheiß des Maestro unisono einen artigen Diener nach dem anderen zu machen. Für ein Schulorchester mag das angehen, aber für gestandene Berufsmusiker?

Künstlerisch gab sich der britische Gastdirigent in einem reinen Wiener-Klassik-Programm auch diesmal als temperamentvoll-zappeliges Energiebündel. Kein Pult, kein Taktstock: Ohne die Ruhe im vollbesetzten Alfried-Krupp-Saal abzuwarten, forderte er mit geballten Fäusten gleich in den eröffnenden Fortissimo-Schlägen der „Coriolan“-Ouvertüre geradezu vulkanische Urgewalt ein, die die Philharmoniker in außerordentlich kultiviertem Schönklang einlösten.

Joseph Haydns Sinfonie Nr. 101 „Die Uhr“ geriet wahrhaftig zum Hörerlebnis

Beethovens Spannung zwischen dramatischer Wucht und lyrischer Herzenswärme bezog Egarr in gemessenem Tempo quasi von innen heraus und mit liebevoll formender Hand. Von den beiden Sinfonien des Abends überraschte mehr noch als die „Achte“, deren heitere Grundstimmung und Feinzeichnung etwas schwergewichtig daherkam, Joseph Haydns Nr. 101 „Die Uhr“. Die geriet wahrhaftig zum Hörerlebnis. Die technische Präzision, mit der die Philharmoniker hier bestachen, ermöglichte Egarr erst, dissonante Spannung und musikalischen Witz, beethovenhaft einfallendes Schicksal und rustikale Derbheit in gegenseitiger Reibung zusammenzubringen.

Die Holzbläser servierten wie auf dem Silbertablett, so wie in der 2. „Leonoren“-Ouvertüre der Stipendiat Sebastian Kellner sein Trompetensolo makellos aus der Ferne blies. Auf dem Podium ließ er sich nachher freilich nicht mehr blicken – vielleicht hatte er es ja an diesem Donnerstag mit dem Rücken …