Essen-Altenessen. Die Gladbecker Straße in Essen gilt als Hauptverkehrsachse. Darum wurde ein Tiny Forest auf einer unbebauten Fläche dennoch abgelehnt.

Direkt an der Hauptverkehrsader Gladbecker Straße in Altenessen finden Autofahrer beim Blick aus dem Fenster an der Ecke zur Hövelstraße noch ein grünes Fleckchen Erde. Zweieinhalb Hektar groß ist die Fläche, um die sich Stadtteilpolitiker zuletzt stritten. Die Grünen im zuständigen Bezirk V hatten vorgeschlagen, dort einen Tiny Forest – ein kleines Wäldchen – zu errichten. Mitglieder der anderen Parteien waren jedoch dagegen, hatten sie doch zuletzt schlechte Erfahrung mit Wäldchen dieser Art gemacht.

Hohe Luftbelastung an Gladbecker Straße in Essen

„Tiny Forests werden im urbanen Raum als Maßnahme zur Klimaanpassung, zum Schutz der biologischen Diversität und als Umweltbildungsprogramm für Anwohner und Bürgervereine genutzt“, hatte Stephanie Kemper, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bezirk V argumentiert und auf die Klimaanalyse der Stadt verwiesen.

Diese muss man nicht gelesen haben, um zu wissen, dass die Luft an der Gladbecker Straße kaum zu genießen ist. Mit täglich 47.000 Fahrzeugen zählt sie hinsichtlich der Luftbelastung zu den so genannten „Hotspots“ der Stadt. Das unbebaute Grundstück an der Ecke zur Hövelstraße wäre also laut Kemper gut geeignet, um den hohen Immissionswerten positiv entgegen zu wirken. Die Idee der Grünen: Der aktuelle Baumbestand soll erhalten und ergänzt werden, das Parken soll verboten und Anwohner und Anwohnerinnen in die Pflege des Grundstücks mit einbezogen werden.

Streit um Waldstück am Loskamp in Altenessen

Die Erfahrung wenige Kilometer weiter nördlich hat die Stadtteilpolitiker jedoch gelehrt: Menschen schätzen ihre Wäldchen, sind diese erst einmal da. Über ein natürlich gewachsenen Waldstück am Loskamp in Altenessen hatte es zuletzt Riesenkrach gegeben. Es musste zugunsten einer Kita gerodet werden – zum Ärger einiger Anwohner und unter anderem der Grünen im Bezirk V.

„Wald bleibt“ heißt es auf einem verblichenen Transparent am Loskamp in Essen-Altenessen. Der Wald ist nicht geblieben, sondern wurde zugunsten einer Kita abgeholzt.
„Wald bleibt“ heißt es auf einem verblichenen Transparent am Loskamp in Essen-Altenessen. Der Wald ist nicht geblieben, sondern wurde zugunsten einer Kita abgeholzt. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Das haben speziell die Mitglieder der SPD- und CDU-Fraktion nicht vergessen. „Die Probleme dort geben Anlass zu Befürchtungen, dass man heute die Beschwerdegrundlage für morgen schaffe, wenn das Wäldchen später für eine Bebauung entfernt werden muss“, erklärte Stefan Kutzner (CDU) in der Bezirksvertretung.

Auch Bezirksbürgermeister Hans-Wilhelm Zwiehoff (SPD) betonte mit Blick auf die Gladbecker Straße: „Es sollten keine Fakten geschaffen werden, die eine spätere sinnvolle Bebauung ausschlössen.“ Es gebe schließlich einen Bebauungsplan. Einzig einen Investor zu finden habe sich zuletzt aufgrund der Lage als schwierig herausgestellt.

AfD schlägt Parkplatz an Gladbecker Straße in Essen vor

Hermann Postert schlug als Lösungsvorschlag die temporäre Schaffung von Parkplätzen vor, so könne der Parkdruck für die Anwohner gelindert werden. Der AfD-Politiker erntete aber dafür ebenfalls nur Kopfschütteln. Die Fläche zu versiegeln sei ebenso absurd, wie die Kosten, die der Umbau beinhalten würde, argumentierte Stefanie Kölking, Fraktionsvorsitzende der CDU in der BV V.

Unterm Strich entschied das Gremium, dass zunächst alles so bleiben soll wie es ist. Auch auf eine temporäre Nutzung als Tiny Forest wollten sich die Stadtteilpolitiker nicht einlassen. Stattdessen wurde vorgeschlagen, nach anderen Grundstücken Ausschau zu halten, die sich als Grünfläche im Sinne des Klimaschutzes eignen würden.

Mikrowälder: weniger Lärm, bessere Luft

Tiny Forests heißt übersetzt Klein- und Mikrowälder. Sie sind geprägt durch eine hohe Pflanzendichte auf einer kleinen Fläche. Durch die hohe Konkurrenz in unmittelbarer Nähe wachsen die Pflanzen schneller als andere in herkömmlichen Wäldern.

Diese neu geschaffenen Lebensräume sollen das Klima unterstützen, Tieren und Insekten ein Zuhause geben sowie Luftqualität und Wasserhaltekapazität des Bodens verbessern. Heiße und trockene Temperaturen sollen reguliert werden, und durch die Pflanzen soll eine natürliche Schallmauer errichtet werden.

Aussagekräftige Forschungsergebnisse, inwiefern das funktioniert, liegen nach Angaben der Stadt noch nicht vor, sollen jetzt aber gesammelt werden. Im Frühjahr 2023 sollen in Bochold an der Haus-Berge-Straße und in Stoppenberg an der Straße Kapitelwiese die ersten Tiny Forests in Essen entstehen.

Nach Angaben der Stadt wird derzeit überprüft, ob sich noch weitere Grundstücke dafür eignen.

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