Essen-Kray. Stadt Essen gibt nach 26 Jahren Entwarnung. So lange belastete PCB Gemüse in Essen-Kray. Was auf dem Areal früherer Recyclingfirma geplant ist.

Ob Mangold, Endivie oder Spinat: Viele Krayer haben fast 30 Jahre lang so manches selbst angebaute Gemüse nicht essen sollen, haben immer wieder protestiert gegen die Firma, die für die erhöhten PCB-Werte verantwortlich gewesen ist. Jetzt hebt die Stadt sämtliche Verzehrsempfehlungen rund um die Joachimstraße auf – nach 26 Jahren.

Wer im heimischen Garten in Kray nahe der früheren Recyclingfirma Richter oder in der Kleingartenanlage Bonifacius Joachim sein Gemüse wachsen und reifen sah, wurde gleichzeitig gewarnt: Es könnte so stark belastet sein, dass es sich gar nicht für den Verzehr eigne – zumindest nicht für den regelmäßigen. Diese Nicht-Verzehrsempfehlung musste im Laufe der Jahre dann sogar ausgeweitet werden. „Nördlich des Shredders an der Joachimstraße zeigten in den Jahren 2014 und 2015 sehr hohe PCB-Gehalte, die in dieser Höhe an keinem anderen Standort in NRW gemessen wurden“, hieß es in einem Bericht des LANUV. Die höchste Belastung wurde am Kruckenkamp gemessen.

Selbst nach Schließung des Unternehmens ergaben Messungen stark erhöhte PCB-Werte

Selbst nach Schließung des Unternehmens ergaben Messungen so stark erhöhte PCB-Werte, dass bis zum Vorjahr galt: in den Bereichen der Kleingartenanlage sowie in den Hausgärten Kruckenkamp und Am Mechtenberg dort angebauten Grünkohl und Blattgemüse wie Mangold, Endivie oder Spinat aus eigenem Anbau maximal zweimal in der Woche zu essen.

Manche kannten das gar nicht anders, so lange dauerte die Belastung, gegen die zahlreiche Betroffene immer wieder auf die Straße gingen und ihren Unmut bis ins Krayer Rathaus trugen. Es gründete sich gar die Initiative gegen Giftschredder, die die Situation nach dem Aus der Firma Richter im Blick behielt.

Ein Blick heute auf das Gelände der ehemaligen Firma Richter in Essen-Kray.
Ein Blick heute auf das Gelände der ehemaligen Firma Richter in Essen-Kray. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Überwacht wurde die Luftbelastung durch polychlorierte Biphenyle (PCB) im Stadtteil laut Stadt bereits seit 1996. Als Verursacher wurde das in Kray ansässige Unternehmen ausgemacht, welches Schrott und Elektroaltgeräte behandelte. Die beiden Standorte (Joachimstraße und Rotthauser Straße) gerieten in den Blick der Behörden.

Aus Düsseldorf kamen Auflagen von der Bezirksregierung für die Essener Firma

Insbesondere Messungen im Abgas der Schredderanlagen machten 2016 laut Stadt deutlich, dass gasförmige PCB-Emissionen dieser Anlagen den Hauptanteil der PCB-Belastung im Stadtteil bewirkten. Aus Düsseldorf kamen schließlich Auflagen von der Bezirksregierung, um die Emissionen, die der Betrieb verursachte, so weit wie möglich zu senken. Stattdessen folgte die Insolvenz. Die Firma Richter reagierte und nahm schließlich aus wirtschaftlichen Gründen die Schredderanlagen an beiden Standorten Ende 2016 außer Betrieb.

Die Arbeit des städtischen Umweltamtes als Überwachungsbehörde sowie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) und auch der Bezirksregierung Düsseldorf lief derweil in Kray weiter. Nach wie vor wurde die PCB-Belastung mit Hilfe von Grünkohl gemessen. Dieser eignet sich wegen seiner großen Blattoberfläche als Bioindikator – lagert entsprechend Stoffe aus der Umwelt ein.

Immer wieder gab es Protest in Essen-Kray, Anwohner und Mitglieder der Bürgerinitiative gegen „Gift
Immer wieder gab es Protest in Essen-Kray, Anwohner und Mitglieder der Bürgerinitiative gegen „Gift"-Shredder trugen ihn auf die Straße wie hier 2015. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

Auch 2022 wurden Grünkohlproben wie zuvor an fünf Messpunkten auf PCB-Belastung untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Belastungen in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen sind und nun an keinem der fünf Messpunkte erhöhte PCB-Gehalte im Vergleich zur Hintergrundbelastung in Nordrhein-Westfalen vorliegen. Das heißt, die empfohlenen Beschränkungen beim Verzehr von selbstangebauten Gemüse sind laut Stadt nicht mehr erforderlich.

Erneute Kontrollmessungen in Essen-Kray soll es in drei Jahren geben

„Erfreulicherweise zeigen die Ergebnisse, dass die PCB-Gesamtbelastung an allen Messpunkten deutlich rückläufig ist und sich an keinem der fünf Messpunkte eine Erhöhung der PCB-Gesamtwerte im Vergleich zur Hintergrundbelastung in NRW mehr feststellen lässt“, lautet nun das Ergebnis, das die Stadt verkündet. Entwarnung gebe es auch für weitere gemessene Werte.

In Abstimmung mit dem NRW-Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr und dem LANUV werden die Messungen mit Grünkohl zunächst für drei Jahre ausgesetzt, dann soll es erneute Kontrollmessungen geben. Weiterhin bestehen bleibt laut Stadt sicherheitshalber die Messung von PCDD/PCDF und PCB im Staubniederschlag im Bereich Kruckenkamp. Die kontinuierliche Überwachung der Außenluft-Konzentration hingegen sei nicht mehr notwendig.

2016 schloss die Firma Richter ihren Recyclingbetrieb in Essen-Kray, hier ein Bild der Anlagen im Jahr 2014.
2016 schloss die Firma Richter ihren Recyclingbetrieb in Essen-Kray, hier ein Bild der Anlagen im Jahr 2014. © WAZ FotoPool | Alexandra Roth

Rund sieben Hektar groß ist das Gelände zwischen Joachimstraße, Rotthauser Straße und der Rheinischen Bahn. Es sind vor allem Flächen des ehemaligen Recyclingbetriebes, für die der Rat bereits 2021 die Änderung zum Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP) und die Einleitung des entsprechenden Planverfahrens beschlossen hat.

Für das Areal in Essen-Kray gab es konkrete Pläne

Zwischenzeitlich folgten auf dem Areal wilde Müllkippen, es gab aber auch bereits konkrete Pläne: Diese stellte das Unternehmen W&L Wohnen und Leben AG vor. Das war bereits seit 2018 Eigentümerin der beiden ehemaligen Richtergrundstücke. Das Vorhaben sollte „Neues Wohnen in Essen-Kray“ heißen, gebaut werden sollten auf dem etwa 50.000 m² großen Areal an der Joachimstraße nach erstem Entwurf zahlreiche Reihenhäuser, drei Mehrfamilienhäuser und eine Kita.

„Die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans für den Bereich Joachimstraße/Rotthauser Straße ist aktuell noch im Verfahren“, sagt Stadtsprecherin Jaqueline Riedel nun zum aktuellen Stand. Diese sei erforderlich, da es dort künftig nach wie vor Wohnbebauung geben soll und die Flächennutzung zuvor Gewerbe vorsah.

Das Bebauungsplanverfahren Joachimstraße/Rotthauser Straße ruhe aktuell jedoch, da ein großer Teil des Verfahrensgebietes noch nicht in der Verfügung des neuen Eigentümers sei, über den weiteren Flächenerwerb verhandele dieser aktuell. Erst nach den Verhandlungen werde es mit dem Bebauungsplanverfahren weitergehen: „Die nächsten Schritte im Verfahren wären dann der politische Beschluss und die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit.“