Essen-Kray. Der Gift-Shredder ist längst abgebaut, der PCB-Wert wird in Essen-Kray weiter gemessen. Für Kleingärtner gilt beim Gemüse weiterhin Verzicht.

Der Gift-Shredder und die damit verbundene PCB-Belastung (polychlorierte Biphenyle) beschäftigte Anwohner in Kray rund um die Joachimstraße viel Jahre lang. Selbst nach Schließung der verantwortlichen Firma Richter 2016 blieben die Werte erhöht. Eine Folge: Kleingärtner können seit Jahren ihr selbst angebautes Gemüse nicht uneingeschränkt genießen. Jetzt legt die Stadt neue Messergebnisse zur Immissionsbelastung vor.

Als die Firma Richter ihre Tore für immer schloss, da atmete zwar manch einer in Kray auf – die Belastung in Luft und Gemüse aber blieb. Dennoch werteten vor allem diejenigen, die zahlreiche Male ihren Protest gegen den Gift-Shredder auf die Straße und vors Krayer Rathaus getragen hatten, die Schließung als großen Erfolg. Die Bürgerinitiative ließ die Lage jedoch selbst nach der Standortaufgabe nicht aus den Augen.

Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma unterschiedliche Auflagen gemacht

Ehemals hatte der Recyclingbetrieb der Firma Richter zwei Standorte in Kray und stand im Fokus der Behörden. „Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma seit Jahren unterschiedliche Auflagen gemacht, um die vom Betrieb ausgehenden Emissionen soweit wie möglich zu senken“, blickt die Stadt zurück. Insbesondere Messungen im Abgas der Schredderanlagen hätten 2016 deutlich gemacht, dass gasförmige PCB-Emissionen dieser Anlagen den Hauptanteil der Belastung im Stadtteil bewirkt haben.

Einst wurden wie hier bei der Firma Richter in Essen-Kray große Mengen recycelt.
Einst wurden wie hier bei der Firma Richter in Essen-Kray große Mengen recycelt. © WAZ FotoPool | Alexandra Roth

Das Unternehmen nahm im Dezember 2016 die Schredderanlagen schließlich an beiden Betriebsstandorten außer Betrieb, beantragte später die Insolvenz. „Die Ergebnisse des aktuellen Gutachtens stützen die Annahme, dass die PCB-Belastungen von der ehemaligen Firma Richter herrühren“, teilt die Stadt mit, die sich weiterhin mit dem Thema beschäftigt.

Denn die Luftbelastung durch PCB wird seit Jahren überwacht und nach wie vor übernimmt das LANUV die jährlichen Untersuchungen an fünf Standorten. Zudem werden in dem Bereich weitere gewerbliche Nutzungen überprüft. Wegen der Corona-Pandemie werden die Ergebnisse der Untersuchungen in diesem Jahr allerdings nicht auf einer Bürgerversammlung präsentiert.

PCB wird zu 90 Prozent über die Nahrung aufgenommen

Messungen mit Hilfe von Grünkohl

Im Umfeld der ehemaligen Firma Richter betreibt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) laut Stadt seit Jahren Messstellen zur Überprüfung der Schadstoffbelastung, an denen Grünkohl aufgrund seiner großen Blattoberfläche als Bioindikator eingesetzt wird.

Da der Gesetzgeber keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte festgelegt habe, werde die sogenannte regionale Hintergrundbelastung als Vergleichswert für eine Beurteilung zugrunde gelegt. Für dioxinähnliche PCB wird zusätzlich der so genannte EU-Auslösewert herangezogen. Werde dieser Wert überschritten, müssten Ursachen für die hohen Werte ergründet und Maßnahmen zu deren Verringerung eingeleitet werden.

Nach derzeitigen Untersuchungen übersteigen auch die Werte der dioxinähnliche PCB an zwei von den fünf untersuchten Messpunkten den Wert der Hintergrundbelastung in NRW, jedoch nicht den der EU.

Die aktuellen Werte zeigen nun laut Stadt, dass die Belastung immer weiter zurückgegangen ist: Nun gebe es erstmalig zwar an keinem der fünf Messpunkte eine Erhöhung der PCB-Werte im Vergleich zur Hintergrundbelastung in Nordrhein-Westfalen. Vergleicht man jedoch die Messwerte der Vorjahre, so sind diese an zwei Probenahme-Stellen dennoch weiterhin erhöht – trotz deutlichen Rückgangs der PCB-Gesamtbelastung. Die betroffenen Stellen grenzen unmittelbar ans ehemalige Betriebsgelände der Firma Richter im Bereich der Straße Kruckenkamp.

Das heißt nun vor allem für die Kleingärtner und ihr Gemüse auf den Parzellen, dass längst nicht jede Sorte uneingeschränkt gegessen werden sollte. Der Grund dafür ist, dass PCB zu 90 Prozent über die Nahrung aufgenommen wird. So empfehlen Stadt und LANUV, in den betroffenen Bereichen weiterhin vorsorglich, „den Verzehr von Grünkohl und anderem Blattgemüse wie Mangold, Endivie oder Spinat aus eigenem Anbau auf maximal zweimal in der Woche zu beschränken“.

Ende 2016 wurde das Recyclingunternehmen Richter in Essen-Kray endgültig geschlossen.
Ende 2016 wurde das Recyclingunternehmen Richter in Essen-Kray endgültig geschlossen. © FUNKE Foto Services | Dirk Bauer

Betroffen sind die Kleingartenanlage Bonifacius Joachim und die Hausgärten Kruckenkamp sowie Am Mechtenberg. Anwohner wie Kleingärtner zeigten sich immer wieder teils gelassen, teils hofften sie immer wieder auf eine vollständige Entwarnung. Sollten die Messwerte 2022 weiterhin unterhalb der Hintergrundbelastung für Nordrhein-Westfalen liegen, wird ihre Geduld sich endlich auszahlen: „Dann können die Verzehrsempfehlungen entfallen.“

Der Aufenthalt im Freien soll unbedenklich sein

Weiterhin geht es auch um die Gesundheit, wenn etwa Kinder draußen spielen. Immerhin liegen die gemessenen Werte teilweise über der durchschnittlichen Belastung im Ruhrgebiet. In diesem Punkt beruhigt die Stadt, da keine Gesundheitsgefährdung bestehe: „Der Aufenthalt im Freien ist unbedenklich.“ Dies gelte uneingeschränkt auch für Kinder. Das Angebot des Gesundheitsamtes an betroffene Bürger gilt dennoch weiterhin, sie können sich ganz individuell beraten lassen.

Insgesamt erwartet die Stadt mit Blick auf die Gesamtsituation, dass an den Orten, an denen die Werte noch leicht erhöht sind, diese in den folgenden Jahren rückläufig sein werden. Es könne jedoch nicht ganz ausgeschlossen werden, dass durch Demontage- bzw. Aufräumarbeiten auf den beiden Betriebsgeländen noch Schadstoffe in geringer Menge freigesetzt werden, kündigt die Stadt an. Und: „Das LANUV wird auch zukünftig so lange in Kray PCB im Grünkohl messen, bis auch hier die Werte unauffällig sind.“