Nach dem Derby gegen den MSV steht der Sicherheitsdienst im Stadion in der Kritik. RWE widerspricht. Warum es keine absolute Sicherheit gibt.
Nach dem nicht nur sportlich brisanten Derby zwischen Rot-Weiss Essen und dem MSV Duisburg am vergangenen Sonntag im Stadion an der Hafenstraße entzündet sich Kritik am Ordnungsdienst. Zuschauer aus Duisburg beklagten sich darüber, dass der Gästeblock G3 überfüllt gewesen sei. RWE widerspricht.
Unmittelbar vor dem Anpfiff der Partie zündeten MSV-Fans im Block bengalische Feuer. Auch während des Spiels flammten auf den Stehrängen immer wieder Feuerwerkskörper auf. Durch den Wurf eines Böllers wurden mindestens vier Personen verletzt. Trotz Kontrollen war es gelungen, verbotene Pyrotechnik ins Stadion zu schmuggeln. Hatte der Ordnungsdienst versagt?
Laut Vereinssprecher Niclas Pieper war der Sicherheitsdienst im Stadion eigens für das Derby gegen den MSV personell verstärkt worden. Das Spiel war mit 19.200 Zuschauern ausverkauft. Die Fanlager beider Reviervereine sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Wie viele Sicherheitskräfte im Einsatz waren, wollte Pieper nicht verraten. Rot-Weiss Essen hat das Sicherheitsunternehmen Securitas mit dem Ordnungsdienst betraut. Schon in der vergangenen Saison hatte RWE-Vorstand Marcus Uhlig angekündigt, dass der Ordnungsdienst „quantitativ und qualitativ“ neu aufgestellt würde.
Nach dem Böllerwurf sah sich RWE zum Handeln gezwungen
Der Verein sah sich zum Handeln gezwungen, spätestens nach dem Böllerwurf beim Heimspiel gegen Preußen Münster und dem darauf folgenden Spielabbruch rückte der problematische Teil der Fanszene in den öffentlichen Fokus . Auch wenn es sich um die Tat eines Einzelnen handelte, wie sich später rausstellen sollte.
„Wir wissen, dass wir mehr tun müssen“, sagte Uhlig damals. An den Stadiontoren wünschte Uhlig sich mehr Sicherheitskräfte mit der Konfektionsgröße XXL. Leute mit breiten Schultern, die schon durch ihre bloße Erscheinung Eindruck machen.
Den vereinseigenen Ordnungsdienst, der neben einen beauftragten Unternehmen für Sicherheit im Stadion sorgen sollte, löste der Verein im Laufe der Saison auf, stand dieser doch im Ruf bei Kontrollen ein Auge zuzudrücken. Wiederholt soll RWE-Anhängern in der Vergangenheit trotz Stadionverbots Zutritt gewährt worden sein.
Am vergangenen Sonntag drängten sich Fans beider Lager schon mehr als eine halbe Stunde vor Spielbeginn an den Zugängen zu den Stehtribünen. „Alle wollten diesmal sehr früh rein“, stellte Pieper fest. Hineingelassen wurden Fans nur einzeln, hinter dem Eingang wurden sie vom Ordnungsdienst in Empfang genommen.
Personal mit Konfektionsgröße XXL, von dem RWE-Vorstand Uhlig gesprochen hatte, ist beim Sicherheitspersonal selten bis gar nicht vertreten. Grundsätzlich gilt, das Security deeskalierend auftreten soll, sagt ein Branchenkenner. Da könne ein Schrank von zwei mal zwei Metern der falsche sein.
Zur Wahrheit gehört aber wohl auch: Wie viele Branchen haben auch Sicherheitsunternehmen große Probleme geeignetes Personal zu finden. In der Securitybranche kommt erschwerend hinzu, dass sie laut Gewerbeordnung eine Qualifizierung nachweisen müssen. An einen fünftägigen Kurs bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) schließt sich eine schriftliche Prüfung an. Die Kosten von rund 400 Euro müssten die Prüflinge nicht selten selbst tragen.
Duisburger Fans berichteten, dass der Zugang zum Stehbereich des Gästeblocks so voll war, dass Rettungskräfte im Notfall nicht hätten passieren können. Sicherheitskräfte, die von Zuschauern darauf angesprochen worden seien, griffen nicht ein, hielten sich stattdessen im Bereich des Getränkestandes auf, hieß es.
Was, wenn es zu einer Panik kommt? „Im Falle einer Panik und einer dann notwendigen Entfluchtung würden die Flucht-Tore Richtung Rasen geöffnet“, erklärte dazu Niclas Pieper. Auch im Gästeblock herrschte Gedränge. Einigen war das zu viel. Eine Frau soll den Stehbereich unter Tränen verlassen haben, andere beschwerten sich, es sei viel zu voll gewesen. Dabei waren nach Angaben von RWE aus Sicherheitsgründen gar nicht alle Karten verkauft worden. 2300 Tickets gingen demnach nach Duisburg. Der Gästeblock bietet 2370 Gästen Platz.
Gästefans per Lautsprecheraufgefordert, aufzurücken
Wie bei Auswärtsspielen üblich hatten MSV-Fans am Zaun zum Innenbereich Transparente und Zaunfahnen befestigt. Von den unteren Stehreihen ist der Blick auf das Spielfeld dadurch versperrt. Dennoch standen die Zuschauer im oberen Bereich weniger dicht. Die Fans seien mehrfach aufgefordert worden, die Rettungswege freizumachen und aufzurücken, erklärte dazu Niclas Pieper. „Wir sind dann auch auf die Unterstützung der Zuschauer angewiesen, weiter nach oben zu rücken.“ Im Sinne der in vielen Stadien üblichen Deeskalationsstrategie werde ein „Aufrücken“ nicht um jeden Preis durchgesetzt.
Das Risiko, dass sich Mitarbeiter andernfalls womöglich in Gefahr bringen könnten, wäre wohl zu groß. Und wer stellt sich einem womöglich gewaltbereiten Mob entgegen für 13 Euro Stundenlohn? Bei Krawallen schreiten Polizeibeamte ein. Dazu kam es nicht.
Als während des Spiels bengalische Feuer und Raketen gezündet wurden und unmittelbar nach dem Abpfiff ein Böller detonierte, griffen weder Polizei noch Ordnungsdienst ein. Die Frage ist: Wie konnte die verbotene Pyrotechnik trotz Kontrollen ins Stadion gelangen?
An den Einlasskontrollen werden die Zuschauer vom Sicherheitspersonal abgetastet. Laut RWE-Vorstand Marcus Uhlig ist die Qualität der Kontrollen regelmäßig Thema der Manöverkritik. „Es gibt fast immer Bereiche, wo gefühlt nicht ausreichend kontrolliert wird“, so Uhlig. Das Problem bei der Organisation von Fußballspielen sei die Frage, wie man Einlasskontrollen effektiver organisiert, ohne die Wartezeit der Fans signifikant zu erhöhen. Zur Wahrheit gehöre aber, dass es nahezu unmöglich sei, zu verhindern, dass Fans verbotene Dinge hineinschmuggeln.
Im Zweifel würden solche Dinge „versteckt, wo man nicht hinfasst“, im Schritt oder, wenn es sich um Frauen handelt, auch im BH, so ein Kenner der Sicherheitsszene. Unterbinden ließe sich so etwas allenfalls durch den Einsatz von Körperscannern wie sie an Flughäfen üblich sind. Lange Schlangen vor den Toren ließen sich dann aber nicht vermeiden. „Man müsste verschiedene Time-Slots einführen, in denen Zuschauer erscheinen müssen. Aber wie soll man das organisieren?“