Essen-Kupferdreh. Als Kupferdreh im Verkehr zu ersticken drohte, kamen große Pläne auf den Tisch. Die Umsetzung dauert Jahrzehnte. Ein Buch schildert diese.

Als der große Umbau in Kupferdreh startete, ist Ortshistoriker Johann Rainer Busch (74) mit der Kamera losgezogen. Das Ergebnis sind nicht nur zahllose Bilder von den ehemaligen Schienenwegen, dem alten Marktplatz, dem Vorgängerbau der Kampmannbrücke, von neuer Verkehrsführung und alten Ansichten, sondern auch ein Buch. Das ist jetzt unter dem Titel „Die Kupferdreher Stadtteilsanierung – 1990 bis 2023“ erschienen. So lange wird nun schon gebuddelt, gebaut und gestaltet.

„Zu den Anfängen gehört die Baustelle an der Kupferdreher Straße, da die Mauer vor dem Museum versetzt werden musste“, erinnert sich Johann Rainer Busch an den Zeitpunkt, als die Kupferdreher Straße verbreitert wurde, um die Poststraße öffnen zu können. Er selbst ist bereits seit 1989 Mitglied der Bürgerschaft Kupferdreh geworden, hat nur ein Jahr später den Heimatkundekreis übernommen und seitdem so manches Buch veröffentlicht.

Das neue Buch listet kleinteilig auf, bietet viele Informationen und Hintergründe

Handelten die Werke von Bahnhöfen, Brücken oder Zechen, so blickt er im aktuellen immerhin 428 Seiten umfassenden Buch auf den Wandel: „Wohl kaum einem anderen Essener Stadtteil wurde in den vergangenen 32 Jahren so viel zugemutet wie Kupferdreh“, schreibt Busch in seinem Vorwort. Die Bürger, die schon vorher einiges gewohnt waren, hätten auch das (meist) geduldig überlebt, fügt er schmunzelnd hinzu. Mach einer sei da hineingeboren und darüber erwachsen geworden. Viele aber stünden der ganzen Stadtteilerneuerung noch heute mit Unverständnis gegenüber – oftmals, weil die Geschichte, die dahinter steckt, nicht kennen würden, ist er überzeugt.

War in Kupferdreh die Schranke geschlossen, staute sich der Verkehr Richtung Kampmannbrücke und weiter auf Heisinger Seite.
War in Kupferdreh die Schranke geschlossen, staute sich der Verkehr Richtung Kampmannbrücke und weiter auf Heisinger Seite. © Archiv/Busch | Bild

Nun hat er zusammengefasst, was in den vergangenen 30 Jahren gebaut, umgestaltet, neu geschaffen worden ist. Kleinteilig mit vielen Informationen und Hintergründen beschreibt er, welche Umstände die Ausführung des großen Planes immer wieder behindert haben und welche Probleme, menschlicher, technischer, politischer oder lediglich unvorhergesehener Art sich ansammelten.

Die Historie liefert der Autor auf diese Weise zu rund 650 Bildern, von denen er zwei Drittel selbst gemacht hat, er hat die Ereignisse jeweils mit einem Datum versehen und das Wichtigste hervorgehoben. Den Anfang machen die 1960er Jahre, als aus dem Industriestandort Kupferdreh nach und nach ein bevorzugtes Wohngebiet geworden ist. Dabei hätten die Menschen bereits Mitte der 60er gern hier nahe des Baldeneysees gewohnt – wo im Ortszentrum, sprich auf der Kupferdreher Straße und rund um den Marktplatz, seit Jahrzehnten alles seinen ruhigen Gang ging.

Frühere Ruhrlandkaserne auf der Dilldorfer Höhe wurde geschlossen

Straßen und Häuser seien damals noch vom Schmutz der Industrie geprägt, die Kinder seien zu Fuß zur Schule gegangen, hätten nachmittags Fußball gespielt oder allerhand harmlose Streiche ausgeheckt, beschreibt er die Idylle, während Bilder aus den Jahren die Zeche Prinz Friedrich, den Marktplatz und die Kupferdreher Straße zeigen.

Zuletzt ist der Deilbach in Essen-Kupferdreh freigelegt worden, an dem Johann Rainer Busch steht, hinter ihm liegt der Kupferdreher Marktplatz.
Zuletzt ist der Deilbach in Essen-Kupferdreh freigelegt worden, an dem Johann Rainer Busch steht, hinter ihm liegt der Kupferdreher Marktplatz. © sag | Foto

Bereits im Mai 1989 habe es dann geheißen: „Kupferdreh wird Sanierungsgebiet“, bevor später die neue Mehrzweckhalle entstand und die frühere Ruhrlandkaserne auf der Dilldorfer Höhe geschlossen wurde. Schweren Herzens habe die Bundeswehr den Standort Kupferdreh verlassen: „So geriet der feierliche Auflösungsappell des 1. Luftwaffenausbildungsregiments 1 in der Ruhrland-Kaserne zu einem von Wehmut geprägten Großereignis“, schreibt Busch, da gut 1000 Kupferdreher den letzten feierlichen Aufmarsch der noch benachbarten Soldaten verfolgten. 1997 und 1998 verschwanden schließlich die Gebäude der Kaserne, auf dem Gelände folgte später die Wohnsiedlung Dilldorfer Höhe, die bis heute erweitert wird.

Das Buch zur Stadtteilsanierung

Das Buch „Die Kupferdreher Stadtteilsanierung 1990 bis 2023 und andere Kupferdreher Baustellen“ ist im DIN-A-4-Format mit 428 Seiten und 650 Fotos und Abbildungen erschienen.

Autor und Herausgeber ist Johann Rainer Busch. Gefördert wurde das Buch durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW.

Es kostet 39,80 Euro und ist erhältlich unter: kupferdreher-Geschichte@t-online.de

Weitere Fotos und Kapitel schildern die Umgestaltung des Prinz-Friedrich-Geländes und der Zementfabrik sowie des Marktplatzes, unter den eine Riesenwanne gebaut wurde. Sechs Millionen Mark kostete das Regenrückhaltebecken, das 40 Meter lang, acht Meter breit ist und vier Meter tief ist und seit dem Einbau ein zu rasches Vollaufen des Klärwerks bei Regenfällen verhindern soll, heißt es dazu.

Kupferdreh drohte in den 1970er und 80er Jahren im Verkehr zu ersticken

Der provisorische Bahnhof in Kupferdreh war noch nicht aufgeständert.
Der provisorische Bahnhof in Kupferdreh war noch nicht aufgeständert. © Busch | Foto

Zu verhindern galt es in Kupferdreh vor allem aber einen Verkehrskollaps. „Zunächst hatte man eine sicherlich notwendige Nord-Süd-Verbindung (heutige A44) quer durch den Ort gelegt und ihm damit einen unwiderruflichen Makel angetan“, beschreibt Johann Rainer Busch, der mit seinem Buch weniger kommentieren, denn viel mehr dokumentieren möchte. Um den dringend notwendigen Wandel bei der Verkehrsführung zu betonen, berichtet er von Zeiten, da die Bahngleise noch nicht angehoben waren und der Verkehr sich bei geschlossener Schranke bis über die Kampmannbrücke hinweg staute.

„Kupferdreh drohte in den 1970er und 80er Jahren im Verkehr zu ersticken und schon die teilweise über 100 Jahre alte Infrastruktur sowie der Bevölkerungszuwachs machten eine Stadtteilsanierung dringend notwendig“, erklärt der Ortshistoriker. Zu den Baumaßnahmen, die den Verkehr betreffen, zählen erst der provisorische, dann der aufgeständerte Bahnhof („die Bahn wollte keine Kreuzung mit Autos“), die Verlängerung der Poststraße bis Kampmannbrücke sowie der Ausbau der A 44 Richtung Velbert und der Protest dagegen („CDU und SPD tun der Umwelt weh“).

Ein Blick auf die Kupferdreher Straße um 1965.
Ein Blick auf die Kupferdreher Straße um 1965. © Archiv/Busch | Bild

Es folgten der Neubau der Kampmannbrücke („der war lange gar nicht geplant“) und Neubaugebiete wie das Projekt „Seebogen“ sowie zuletzt die Freilegung des Deilbachs. Noch ist das Großprojekt Kupferdreh nicht abgeschlossen, dessen Rahmenplan den Bürgern und Bürgerinnen 1991 vorgestellt worden ist. „Heute, 32 Jahre später, ist dieser Plan, der eigentlich schon im Jahre 2000 erledigt sein sollte, endlich fast abgeschlossen“, sagt Johann Rainer Busch, der mit seinem Buch den tatsächlichen Abschluss dann doch nicht abgewartet hat. Die letzten Bilder im Buch stammen vom Dezember 2022. Darunter ist der Marktplatz, der zur Hofstraße noch verbreitert werden soll. Es sind Ansichten, die zeigen, was noch fertiggestellt werden muss.