Essen. Der Polizeieinsatz gegen Ruhestörer an der Helbingstraße war einer von im Schnitt 30 pro Tag. Dabei sind die Regeln der Nachtruhe recht simpel.
Dem Polizei-Großeinsatz wegen fortgesetzter Ruhestörung durch Partygäste am Wochenende an der Helbingstraße im Essener Südostviertel sind unschöne Szenen vorausgegangen, die sich gegen Kräfte des Ordnungsamtes richteten, nachdem das kommunale Duo im Vorfeld von der Polizei alarmiert worden war, um in dem Mehrfamilienhaus nach dem Rechten zu sehen. Um einen Einzelfall handelt es sich nicht, laut Stadt sind solche Einsätze öfter heikel.
So auch dieser: Als die Stadtbediensteten die rund 25 Feiernde ermahnten, sich an die geltenden Regeln zu halten und die Musik leiser zu drehen, wurden sie beschimpft: „Diese Hurensöhne warten immer noch vor der Tür, diese Nazis“, bekamen sie zu hören, berichtete Ordnungsdezernent Christian Kromberg auf Nachfrage dieser Zeitung.
„Da sich meine Mitarbeiter bedroht fühlten“, so Kromberg, baten sie wiederum die Polizei um Amtshilfe, die um 23.46 Uhr einschritt. Die Party wurde mit starken Kräften gegen den massiven Protest der Anwesenden aufgelöst. Seitdem wird gegen eine 31-Jährige und einen 24-Jährigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung ermittelt.
Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt
Inzwischen liegen aber auch Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt gegen eingesetzte Beamte vor, sagte Polizeisprecherin Sonja Kochem am Dienstag. Das Bochumer Präsidium hat aus Neutralitätsgründen die Ermittlungen übernommen - wie auch sonst in solchen Fällen.
Der Einsatz an der Helbingstraße war eine von 580 Ruhestörungen, die allein im Januar dieses Jahres bei der Polizei Essen aufschlugen. Fürs komplette vergangene Jahr stehen unterm Strich 11.303 dieser Einsätze - das sind rein rechnerisch rund 30 jeden Tag, wobei die Zahlen vor allen an Wochenenden deutlich darüber liegen und in den Sommermonaten mit Abstand am höchsten waren. Im August gab es mit 1660 die meisten Beschwerden über zu viel Lärm, also fast drei Mal so viele wie im Januar dieses Jahres, für den die Statistik den niedrigsten Wert auswirft.
Dass diese Art des Eingreifens auf der schmalen Grenze zwischen schützenswerter Privatsphäre und den berechtigten Ansprüchen Dritter auf der behördlichen Beliebtheitsskala nicht gerade auf den vorderen Plätzen rangiert, liegt auf der Hand. Viele laufen aus dem Ruder, wenn sich häufig unter dem Einfluss von Alkohol, Widerstand breitmacht.
Elf Einsätze des Ordnungsamtes wegen Ruhestörungen am Samstag
Nach Auskunft der Polizei ist die Menge der Ruhestörungen vor, während und nach Corona in etwa gleich geblieben - selbst der Lockdown änderte daran nichts.
Die eskalierte Geburtstagsparty an der Helbingstraße war eine von insgesamt elf Einsätzen wegen Ruhestörern, die eine neue Einheit des Ordnungsamtes allein am Samstag zu bewältigen hatte: Die sogenannten Besonderen Verbindungskräfte (BVK) sind seit Anfang Dezember erstmals auch an den Wochenenden und außerhalb der bis dahin üblichen Arbeitszeiten unterwegs, um die Polizei zu entlasten. Einen entsprechenden Vertrag hatten Stadt und Präsidium Anfang Dezember unterschrieben.
„Der Einsatz der Verbindungskräfte wird zu einem spürbaren Erfolg in der Abarbeitung von Einsätzen führen“, zeigte sich Polizeichef Detlef Köbbel überzeugt. Die Polizei habe nun einen zentralen Ansprechpartner, der auch außerhalb der üblichen Bürodienstzeit zur Verfügung stehe. „Dies wird zu einer schnelleren Verfügbarkeit der polizeilichen Einsatzkräfte für andere Einsätze führen“ - wenn sie denn nicht doch zur Verstärkung gerufen werden. Kromberg sagt: „80 bis 90 Prozent aller Fälle arbeiten wir eigenständig ab.“
„Vom Wildpinkler bis zur Ruhestörung“
Vom Start weg ist die neue Ordnungsfeuerwehr der Stadt gefragt. Gefühlt zehn Einsätze jede Nacht sind von den Zweierteams zu bewältigen, die in unterschiedlicher Besetzung unterwegs sind, sagt Christian Kromberg - „es ist alles dabei, vom Wildpinkler bis zur Ruhestörung“.
Dabei sind die Regeln, was zwischen 22 und 6 Uhr erlaubt ist und was nicht, im Grundsatz recht simpel.
Generell gilt laut der Immissionsschutzgesetze des Landes und des Bundes: In einem Haus mit mehreren Parteien ist besonders sorgsam auf die Einhaltung der Nachtruhe zu achten. Alles, was über Zimmerlautstärke hinausgeht, ist zu unterlassen. Der Richtwert sind etwa 35 Dezibel, was dem Brummen eines mittellauten Kühlschranks entspricht. Laute Musik, Grölen oder Streitigkeiten sind tabu, Gespräche sind relativ leise zu führen, was unter Umständen auch für den Garten oder den Balkon gilt.
Sonderregelungen finden sich häufig in Hausordnungen, die von den gesetzlichen Vorgaben abweichen können. Wer - wie an der Helbingstraße - an seinem Geburtstag etwa richtig auf den Putz hauen will, sollte die Nachbarn einladen, wenn sie denn wollen. Denn bei Ruhestörungen gilt natürlich auch: wo keine Klage, da kein Ordnungsamt.