Essen-Rüttenscheid. Anwohner in Essen-Rüttenscheid werden von Baumfällungen überrascht. Wie aus einer „Information über gärtnerische Arbeiten“ ein Bauprojekt wird.
Was mit Verärgerung der Anwohner über umfangreiche Baumfällungen am Rande von Rüttenscheid begann, entpuppt sich nun tatsächlich als Ankündigung größerer Baumaßnahmen. Und das in einer Wohngegend, in der bereits seit Jahren über Baulärm geklagt wird.
Die Anwohner der Gummertstraße in der Nähe des Krupp-Krankenhauses haben es nicht leicht: In den vergangenen Jahren hatten sie sich regelmäßig hilfesuchend an diese Zeitung gewandt, nachdem ihnen zunächst eine Baustelle für neue Häuser mit Eigentumswohnungen, der so genannte Rü-Bogen, vor die Nase gesetzt wurde und seit Jahren Baulärm die Wohnqualität beeinträchtigt. Und jetzt das: „Die Bäume sind einfach gefällt worden. Wir wussten davon nichts“, klagt Thorsten von Borstel, während sich die Nachbarn um ihn herum scharen und das Ausmaß der Fällungen im Bereich der Hausnummern 29 bis 35 begutachten. Einige Anwohner erinnern sich, am Donnerstagvormittag Arbeiter gesehen zu haben, die den Bäumen und Sträuchern zu Leibe rückten.
Gärtnerische Pflegearbeiten an der Gummerstraße angekündigt
Ganz richtig ist das nicht: In einem Schreiben hatte die Wohnungsbaugesellschaft Covivio ihren Mietern zuvor kurzfristig mitgeteilt, es werde zwischen dem 25. und 27. Januar „umfangreiche gärtnerische Pflegearbeiten (u.a. Gehölzschnitt- sowie Fäll- und Rodungsmaßnahmen)“ geben. Von Borstel: „Wir sind davon ausgegangen, dass hier nur Gehölzschnitt durchgeführt wird und nicht gleich die ganzen Bäume verschwinden. Ich habe bei Covivio angerufen, aber keine Auskunft erhalten.“
Auf Anfrage dieser Zeitung hat das Wohnungsbauunternehmen nun aber Stellung genommen: Die Bäume seien gefällt worden „im Zusammenhang mit den geplanten Baumaßnahmen im Bereich der Modernisierung des Bestandes sowie teilweiser Dachgeschossaufbauten“, so Pressesprecherin Barbara Lipka. Geplant seien unter anderem energetische Sanierungen wie Fassadendämmung und Erneuerung von Fenstern und Türen, die Installation von Photovoltaik-Anlagen, eine mögliche Umrüstung auf alternative, energieeinsparende Heizungsversorgung, LED-Beleuchtung, weitere Parkplätze mit Ladesäulen für Pkw sowie die „nachhaltige Umgestaltung der Außenanlagen unter Berücksichtigung der Aspekte der Biodiversität, so zum Beispiel Blumenwiesen“.
Baubeginn in Rüttenscheid noch im Jahr 2023
Zudem soll der Bestand, der derzeit 53 Mieteinheiten umfasst, um elf Wohnungen erweitert werden – und zwar in Form einer so genannten Dachgeschossaufstockung. Lipka betont: „Der Bau dringend benötigter Mietwohnungen wird auch seitens der Stadt unterstützt. Entsprechende Genehmigungen liegen Covivio bereits vor, aktuell sind wir in der Phase der Planung.“ Ein Baubeginn sei noch für das Jahr 2023 vorgesehen. Die Rodungen seien aber bereits jetzt erfolgt, da diese Arbeiten laut Bundesnaturschutzgesetz nur noch bis Ende Februar möglich sind.
„Also kommen die Penthäuser doch“, resümiert von Borstel. Bereits „vor einigen Jahren“ hatte er sich bei der Stadt Essen über den damals noch geplanten Rü-Bogen informiert und festgestellt, dass das Haus mit der Nummer 35, in dem er wohnt, Teil der Baumaßnahme sei. „Ich dachte erst, es wird abgerissen, aber man sagte uns, es seien Penthäuser geplant.“ Tatsächlich sind die Penthäuser - inklusive dem Anbau von Aufzügen - genau wie die Photovoltaikanlagen laut Angaben von Covivio jedoch nur auf den Häusern mit den Hausnummern 23 bis 31 geplant.
Covivio reicht Erklärungsschreiben nach
Was von Borstel wirklich ärgert: Nun habe man den Lärm und Dreck der Baustelle am Rü-Bogen beinahe hinter sich, da folge auch schon die nächste Maßnahme. „Hätte man das nicht alles gleichzeitig machen können?“ Die Sanierung der bestehenden Häuser sieht von Borstel durchaus positiv, befürchtet dennoch Folgen: „Einerseits sparen wir durch die Sanierung bei den Nebenkosten, andererseits wird es anschließend wahrscheinlich deutliche Mieterhöhungen geben.“ Die bisher geltenden Mietminderungen, die Covivio den Mietern aufgrund des Baulärms zugestanden hatte, sind Anfang Dezember 2022 ausgelaufen.
Lipka versichert: „Über die geplanten Baumaßnahmen werden die Mieterinnen und Mieter mit einem Anschreiben vorab informiert und dann entsprechend ausführlich durch weitere Schreiben oder einen Live-Termin auf dem Laufenden gehalten.“ Mittlerweile liegt den Anwohnern ein solches erstes Schreiben tatsächlich vor – von Hand eingeworfen am Freitag.