Essen-Werden. Zwei Schüler aus Essen-Werden absolvieren ihr Sozialpraktikum: Wie sie die Notschlafstelle Raum 58 für obdachlose Jugendliche unterstützen.

Das Sozialpraktikum gehört zum festen Bestandteil der Schulkultur des Werdener Mariengymnasiums. Zwei Wochen lang soll die Stufe Q1 eine andere Lebenswirklichkeit als Schule erleben und Einblicke in vielfältige soziale Bereiche bekommen. Klingt ein wenig abstrakt. Zwei der Schüler sammeln nun warme Kleidung und Schlafsäcke. Denn in Essen leben an die 200 Jugendliche auf der Straße. Sie haben ihre Wurzeln verloren und sind traumatisiert.

Ein Besuch vor Ort gab den Schülern wichtige Einblicke

Die Werdener Schüler können aus eigenem Augenschein nachvollziehen, wie schnell das gehen kann, plötzlich aus dem normalen Leben gerissen zu werden. Auf dem Flyer der Notschlafstelle Raum 58 steht: „Meine Eltern könnten mich doch wenigstens vermisst melden.“ Starker Tobak. Doch Max Mrozowski (18) weiß inzwischen: „Das trifft die Atmosphäre dort sehr gut. Diese jungen Obdachlosen fühlen sich von allen im Stich gelassen.“ Valentin Sadloo (16) nickt betroffen.

Die beiden Schüler haben sich in der Notschlafstelle für 14- bis 21-Jährige informiert. Valentin schaudert es: „Es könnte jedem passieren. Britta Reuter, die Teamleiterin von Raum 58, hat uns erklärt, dass man die Betroffenen im Straßenbild vom Aussehen oder Verhalten her kaum wahrnimmt.“ Und Max hat erfahren: „Sie versuchen, sich in der breiten Masse zu verstecken. Niemand soll ihre Not sehen.“

Die Unterkunft Raum 58: Diese Einrichtung bietet wohnungslosen Jugendlichen einen Schlafplatz. Teamleiterin ist Britta Reuter.
Die Unterkunft Raum 58: Diese Einrichtung bietet wohnungslosen Jugendlichen einen Schlafplatz. Teamleiterin ist Britta Reuter. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Schüler sollen raus aus ihrer Komfortzone

Dazu Schulseelsorger Gregor Lauenburger: „Wir wagen ein Experiment. Es geht in diesem Praktikum nicht darum, einen sozialen Beruf kennenzulernen. Die Schüler sollen ein Gespür dafür bekommen, wie es anderswo aussieht, nur wenige Kilometer von Werden entfernt. Auch sollen sie lernen, wie man selbstständig ein soziales Projekt durchführt.“

Notschlafstelle für Jugendliche

Seit 2001 gibt es die Notschlafstelle für Jugendliche Raum 58. Inzwischen findet sie sich in der Niederstraße 12-16, mitten in der Innenstadt. Sie wird getragen von cse gGMBH Essen und CVJM Essen Sozialwerk gGmbH.

Bis zu 200 Jugendliche im Jahr finden hier einen sicheren und warmen Platz für die Nacht. Sie können duschen, Wäsche waschen, sich alles von der Seele reden.

Wer die Arbeit von Raum 58 unterstützen möchte, kann sich auf der Homepage www.raum-58.de informieren und findet dort auch Spendenkonten.

Die aktuell 123 Schüler und Schülerinnen der Q1 werden in ihrem Sozialpraktikum betreut von Lehrer Daniel Schmitz: „Sie sollen mal raus kommen aus ihrer Komfortzone, konnten zwischen verschiedenen Einrichtungen wählen, von denen sich viele in kirchlicher Trägerschaft befinden.“ Die allermeisten hätten sich frühzeitig selbst um ihren Praktikumsplatz gekümmert, einigen habe man auf die Sprünge helfen müssen.

Schüler führten Gespräche mit ihren Eltern

Die Schüler verbringen die zwei Wochen in Kitas und Grundschulen, in der Jugendarbeit wie etwa bei der Young Caritas. Hinterher verfassen sie einen Praktikumsbericht, in dem sie die gewählte Institution und ihren Arbeitsbereich dort vorstellen und die gemachten Erfahrungen reflektieren.

Nach dem bedrückenden Besuch in der Notschlafstelle hat Valentin Sadloo erst einmal seinen Eltern gedankt: „Dafür, dass sie mir immer helfen. Ich weiß nicht, ob ich schlimme Krisen ohne ihren Rückhalt überstehen würde. Ich würde das nicht schaffen, glaube ich.“ Und Max Mrozowski hat ein langes Gespräch mit seinem Vater geführt: „Ich habe da viel drüber nachgedacht, wie es wäre, auf der Straße zu leben.“

Spendenaufruf wurde an Ehemalige verteilt

Max und Valentin sammeln gerade jetzt für den Winter lebensnotwendige Dinge wie warme Kleidung und Schlafsäcke. Für die ebenfalls dringend benötigten Hygieneartikel sorgte eine große Spende von Edeka Diekmann. Die beiden Schüler haben einen Brief verfasst, der die Aktion erläutert und den Raum 58 vorstellt. Dieser Brief wurde beim Ehemaligentreffen des Mariengymnasiums verteilt, per Mail an die Eltern verschickt und in den Klassenverbänden geteilt. Schulseelsorger Lauenburger hofft auf großzügige Spenden: „Ende Januar soll dann alles dorthin gelangen, wo es ganz besonders gebraucht wird.“