Essen. Eine Anwaltskanzlei hat die Anzahl von Blitzern in deutschen Städten verglichen, dabei fielen große Unterschiede auf. Was die Stadt Essen sagt.
Eine Statistik der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Goldenstein, sorgt derzeit für Aufsehen: Bei mobilen, vor allem aber stationären Blitzern sind die Unterschiede in deutschen Großstädten riesig, und Essen liegt dabei ganz unten in der Rangliste, heißt es. Während beispielsweise die kleinere Nachbarstadt Wuppertal die Autofahrer mit 34 festen Blitzern zur Einhaltung der zugelassenen Geschwindigkeit motivieren will, sind es in Essen nur sechs – und das bei einer Straßenfläche, die um mehr als ein Drittel höher liegt als in Wuppertal.
Nur wenige deutsche Städte haben so wenig Blitzer im Einsatz wie Essen
Auch Köln (59), Karlsruhe (32), Stuttgart (40), Bielefeld (26) oder Dortmund (20) und viele weitere vergleichbare Großstädte haben deutlich mehr feste Blitzer im Einsatz, hingegen handhaben nur wenige Städte wie Nürnberg (6) oder Duisburg (5) dieses Instrument ähnlich zurückhaltend wie Essen. Die Anwaltskanzlei hatte übrigens in Essen nur vier feste Blitzer gezählt, weil offenbar die drei Geräte auf der A 40 als ein Standort betrachtet werden – was laut Stadt aber falsch ist. Es seien, wie erwähnt, sechs. Doch egal wie man rechnet, der Fahndungsdruck in Essen ist in jedem Fall deutlich geringer als in vielen anderen Städten, wovon Verkehrssünder kleineren Kalibers, aber eben auch ausgesprochene Raser profitieren.
Bei den mobilen Blitzern gibt es keinen nennenswerten Ausgleich: Essen rangiert bei diesen Geräten, die flexibel mal hier, mal dort einsetzbar sind, ebenfalls eher im unteren Bereich der Rangliste. Zurzeit besitzt die Stadt auch in dieser Kategorie sechs Geräte, die aber nicht rund um die Uhr im Einsatz sind, weil sie gewartet oder neu kalibriert werden müssen. Bei Schwerpunktkontrollen gab es teils hohe Sünder-Zahlen, was zeigt: Der Bedarf wäre wohl da.
Wie kommt es zu diesem auffallenden Befund? Gibt es in Essen eine Neigung, die Autofahrer nicht allzu sehr mit Blitzern zu ärgern? „Grundsätzlich gilt: Stationäre Blitzer dürfen dann aufgestellt werden, wenn es sich um eine Autobahn oder um einen Gefahrenpunkt handelt, der auch im Rahmen der Unfallkommission behandelt wurde“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz. „Es gelten also bestimmte Kriterien und es gibt ein entsprechendes Verfahren.“ Mit besonderer Milde habe dies nicht zu tun.
Auch mobile Geschwindigkeitskontrollen fänden im Übrigen ausschließlich an Orten statt, die als Gefahrenstellen gelten müssen, so Lenz. Zu wechselnden Zeiten müssten Autofahrer etwa vor Schulen und in Tempo-30-Zonen mit einer Überwachung rechnen
Es laufen Überlegungen, zumindest einen weiteren mobilen Blitzer anzuschaffen
Ob der Stadt Essen selbst aufgefallen ist, dass sie im Vergleich mit vielen anderen Städten nur an wenigen Stellen die Geschwindigkeit kontrolliert, muss offenbleiben. Fakt ist aber, dass im Sommer 2022 Überlegungen öffentlich wurden, die Verkehrsüberwachung zu intensivieren. Dabei geht es um die Anschaffung sowohl eines sogenannten „Blitzanhängers“ als auch eines weiteren Radarwagens, der dann das siebte mobile Gerät wäre.
Mit der reinen Anschaffung der Geräte sei es allerdings nicht getan. Das Plus an Kontrollmöglichkeiten benötige personelle Ressourcen und müsse in den Arbeitsalltag integriert werden, heißt es. Dass die Kosten für die Technik nicht das Problem sind, liegt indes auf der Hand. Denn die Investitionen amortisieren sich binnen kürzester Zeit.
Die Investitionen amortisieren sich wegen der vielen Verstöße binnen kurzer Zeit
Im Jahr 2021 hat die Stadt durch Sanktionen nach rund 162.000 Geschwindigkeitsverstößen rund 3,2 Millionen Euro eingenommen. Im Jahr davor wurden sogar 172.000 Verstöße registriert, nach denen 3,6 Millionen Euro in die kommunale Kasse flossen. Da Ende 2021 die Bußgelder kräftig erhöht wurden, ist 2022 mit noch höheren Einnahme zu rechnen, die Zahlen liegen aber noch nicht vor.
Der heftigste Regelverstoß ereignete sich 2021 auf der A 40, als ein Autofahrer mit 197 Stundenkilometern an den Kameras in der Buderuskurve vorbeiflog, obwohl die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 100 km/h betrug. Noch massiver hatte ein Temposünder im Jahr zuvor auf die Tube gedrückt. Er wurde an gleicher Stelle mit 218 Sachen geblitzt.
Alle sechs stationären Radarkameras am Bredeneyer Berg, an der Bernestraße, an der Bismarckstraße und auf der Autobahn 40 lösten rund 24.000 Mal aus. Gerade die kombinierten Anlagen zur lasergesteuerten Ahndung von Rotlicht- als auch Temposünden an der Berne- und an der Bismarckstraße machten sich rasend schnell bezahlt: Allein in den ersten rund 100 Tagen seit ihrer Inbetriebnahme vor etwas über einem Jahr hatten die kombinierten Anlagen bereits fast 5500 Verstöße erfasst.
An der Bernestraße mit 103 km/h in die Radarfalle – der heftigste Regelbruch
Und dabei handelte sich nicht nur um Kavaliersdelikte: An der Bernestraße raste ein Verkehrsteilnehmer mit 103 Sachen in die Radarfalle, an der Bismarckstraße waren 94 km/h der heftigste Regelbruch. Dem bislang rücksichtslosesten Spitzenreiter in der Stadtstatistik drohen nach dem neuen Bußgeldkatalog nun 280 Euro Strafe, dazu kommen zwei Punkte und ein zweimonatiges Fahrverbot.
Schnell rentiert hat sich auch das Gerät am Bredeneyer Berg, wo der Grund für die Reaktivierung eines Radars nach fast zwei blitzerlosen Jahrzehnten nach Angaben der Stadt die durchweg mangelnde Vorschriftentreue der Verkehrsteilnehmer war: Regelmäßig, so hieß es, wurde dort das zulässige Tempo überschritten. Zum Teil sogar deutlich mit über 100 Stundenkilometern. Immerhin jeder dritte Autofahrer war in Richtung Werden zu schnell unterwegs, hatte eine Verkehrserhebung ergeben.
Das Gros der erfassten Verstöße ging jedoch nicht einmal auf das Konto der stationären Anlagen, sondern der sechs Radarwagen mit etwa 138.000 festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, wie aus einer Statistik des Ordnungsamtes hervorgeht.