Essen. Der Deutsche Wetterdienst in Essen spricht von einem „außergewöhnlichen Jahr 2022“: Eines mit vielen Rekorden – nicht nur bei den Sonnenstunden.
Essen hat 2022 einen neuen Temperatur-Rekord aufgestellt: Mit einem Jahresmittelwert von 12,0 Grad Celsius ist an der Messstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) die höchste Marke seit Aufzeichnung der Wetterdaten im Jahre 1888 erreicht worden. Die bisherigen Spitzenreiter waren die Jahre 2018 und 2020 mit jeweils 11,8 Grad Celsius. „Damit sind nun zehn der elf wärmsten Jahre in Essen alle seit dem Jahr 2000 und die fünf wärmsten seit 2014 erzielt worden“, berichtet Diplom-Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn.
Der DWD-Fachmann, der auch stellvertretender Leiter des Regionalen Klimabüros in Essen ist, verbindet diese Feststellung mit einem eindringlichen Appell: „Das ist ein klares Indiz für eine ungebremst fortschreitende Erwärmung und ein Warnsignal, nun endlich beim Klimaschutz zum verstärkten Handeln zu kommen.“
Das aktuelle Klimamittel von 1991 bis 2020 liegt in Essen bei knapp 10,6 Grad Celsius und wird damit 2022 um fast 1,5 Grad übertroffen. Von den Einzelmonaten ragte der August mit einer Mitteltemperatur von 21,6 Grad Celsius heraus.
Noch ein Rekord: In Essen schien an gut 2056 Stunden die Sonne – so viel wie noch nie
Das nach Experten-Urteil „außergewöhnliche Jahr 2022“ sorgt für weitere Wetter-Rekorde: Auch beim Sonnenschein gebe es mit gut 2056 Stunden im Jahr 2022 einen neuen Höchstwert in Essen, so Thomas Kesseler-Lauterkorn. Der bisherige Spitzenwert stammt aus dem Jahr 2003 mit 2032 Stunden. „Ein Wert, der eigentlich als unantastbar galt“, so der DWD-Meteorologe. Das Klimamittel 1991-2020 von 1594 Stunden sei 2022 also um mehr als 460 Stunden übertroffen worden. Allein im Frühjahr und Sommer wurden vergangenes Jahr zusammen fast 1500 Stunden Sonne registriert. „Das gab es noch nie.“
Die Sonne sorgt für Mallorca-Feeling in Essen. Und sonnenreich waren nicht nur die langen Sommertage. „Absolut außergewöhnlich sonnig“ sei schon der März mit knapp 248 Sonnenstunden gewesen – doppelt so viel wie im Schnitt.
Beim Niederschlag wurden 2022 in Bredeney 817 Millimeter (mm) erreicht, das sind 105 mm oder gut elf Prozent weniger als im langjährigen Mittel 1991-2020 von 922 mm. Damit passt 2022 in das Bild der seit 2011 - bis auf 2021 - vielfach (deutlich) zu trockenen Jahre. Die trockensten Monate waren letztes Jahr die schon erwähnten August (7,8 mm) und März (19,6 mm).
In der Kategorie „Heiße Tage“ (Tage mit Höchstwerten von 30 Grad Celsius und mehr) ermittelten die DWD-Meteorologen 2022 in Bredeney mit 13 Tagen zwar doppelt so viele wie im Klimamittel, aber an das Rekordjahr 1994 mit 17 heißen Tagen kam Essen nicht heran. Ähnlich sieht es bei den Sommertagen (Tage mit Höchstwerten von 25 Grad Celsius und mehr) aus: 47 Stück in 2022 sind zwar eine beachtliche Zahl („normal“ sind etwa 32 im Jahr in Bredeney), aber im Rekordjahr 2018 waren es 78 Sommertage.
Ebenfalls außergewöhnlich: 2022 endet Silvester mit T-Shirt-Wetter bei 16,2 Grad
Mit dem Etikett „außergewöhnlich“ versieht der DWD-Experte auch den Dezemberverlauf und den Jahreswechsel. Nachdem der Dezember bis zum 18. des Monats einschließlich winterlich und sehr kalt war, schafften es die letzten zwölf Dezembertage noch den Gesamtmonat bei den Temperaturen auf „Normalmaß“ - also exakt auf den Durchschnittswert 1991-2020 zu bringen. Dabei wurde eine negative Abweichung von über 4 Grad aufgeholt - das war nur durch eine absolut ungewöhnlich milde Phase zu bewerkstelligen, die zum Jahreswechsel gipfelte.
Rekorde Nummer drei und vier: 16,8 Grad Celsius Tageshöchstwert in Bredeney an Silvester (31. Dezember) und 16,2 Grad Celsius am Neujahrstag (1. Januar) sind bislang unerreichte Spitzenwerte für die jeweiligen Monate. Die 16,2 Grad Celsius sind bereits kurz nach Mitternacht erzielt worden. „Damit war es mit Abstand der mildeste Jahreswechsel überhaupt mit bislang zu Silvester und Neujahr nicht gekannten Temperaturen“, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn.
2022, so sein Resümee, sei nicht nur ein Beleg dafür, dass die Menschheit bereits in einem „gewandelten Klima“ lebe, sondern dass der Klimawandel weiter voranschreite.