Essen. Zuletzt ist es ruhig geworden um Essen 51. Der Eindruck täuscht, sagt die Thelen-Gruppe. Wann die ersten Wohnhäuser fertig sind, ist aber unklar.
Die ersten Bewohner sind schon da: Der Flussregenpfeifer wurde in diesem Jahr auf dem Gelände von Essen 51 gesichtet. „Mindestens ein Brutpaar war auf der Fläche erfolgreich“, freut sich Uwe van Hoorn, Ornithologe beim Naturschutzbund Ruhr (Nabu). Kein Wunder, eigentlich. Sind doch Schlamm, Sand- und Kiesböden der bevorzugte Lebensraum der seltenen Vogelart.
Schlamm, Sand und Kies – davon gibt es genug auf dem riesigen Areal im Krupp-Gürtel zwischen der Bottroper Straße im Norden und der Pferdebahnstraße im Süden, zwischen dem Berthold-Beitz-Boulevard im Osten und der Helenenstraße im Westen.
Fast fünf Jahre sind vergangen, seit die Thelen-Gruppe dort ein Feuerwerk abbrannte und den Startschuss für Essens neues Stadtquartier feierte. Oberbürgermeister Thomas Kufen sprach vor den versammelten Gästen von einem großen Tag für die Stadtentwicklung.
In der Brutzeit hat sich der Flussregenpfeifer auf dem Areal von Essen 51 niedergelassen
Seitdem wurden Tausende von Tonnen Erdreich bewegt, um den Boden für ein Neubaugebiet zu bereiten. Immerhin 1700 Wohnungen sollen auf dem ehemaligen Krupp-Gelände entstehen, dazu 345.000 Quadratmeter Gewerbefläche. Zu sehen ist davon bis heute nichts. Ja, auf dem weitläufigen Areal ist es zuletzt ruhig geworden, so scheint es. So ruhig, dass sich der Flussregenpfeifer zur Brutzeit dort niedergelassen hat.
Dass sich nichts bewegt bei Essen 51, diesem Eindruck tritt die Thelen-Gruppe jedoch entgegen. Dass Thelen das Milliarden-Projekt gar wegen der zuletzt rasant gestiegenen Bau- und Energiekosten auf Eis gelegt haben könnte wie das Vorhaben „Wohnen am Krupp-Park“ gleich nebenan, davon könne keine Rede zu sein. Im Gegenteil.
Hinter den Kulissen werde gemeinsam mit der Stadt Essen an einem Bebauungsplan gearbeitet. 2023 will die Planungsverwaltung der Politik einen Satzungsbeschluss zur Abstimmung vorlegen. Sobald ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliege, könnten die Hochbauarbeiten beginnen, heißt es von Thelen-Seite.
Firmenchef Wolfgang Thelen hatte sich vor der Entscheidung mit seinen Hunden beraten
Nun, allzu eilig scheint man es aufseiten des Eigentümers und Investors nicht zu haben, was auch daran liegen könnte, dass es sich bei der Thelen-Gruppe um ein Unternehmen in Familienhand handelt. In Familienunternehmen ist es durchaus üblich, dass das Familienoberhaupt das letzte Wort hat. Wie das im Hause Thelen läuft, ließ Firmenchef Wolfgang Thelen anlässlich des feierlichen ersten Spatenstichs im März 2018 durchblicken. Seine Entscheidung für Essen 51 sei keine einsame gewesen. Er habe sich vorher mit seinen drei Hunden beraten.
Essen 51
Die Bezeichnung „Essen 51“ ist eine Anspielung an die 50 Essener Stadtteile. Das neue Stadtquartier wäre Nummer 51. Ein offizieller Stadtteil wird Essen 51 allerdings nicht.
Die Essener Thelen-Gruppe hatte das Gelände im Krupp-Gürtel 2016 vom Thyssen-Krupp-Konzern erworben. Rund 1000 Hektar Land wechselten damals den Besitzer, 400 Hektar davon in Essen, was einer Fläche von etwa 800 Fußballplätzen entspricht.
Im Planungsamt warteten sie zuletzt auf ein Verkehrsgutachten, das für die Aufstellung des Bebauungsplans benötigt wird. Mobilität ist ein großes Thema bei Essen 51. Der Individualverkehr spiele nur eine untergeordnete Rolle, heißt es. Autos sollen an den Zufahrten in Tiefgaragen oder Parkhäusern verschwinden, innerhalb des Quartiers sollen sich Bewohner und Besucher zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Straßenbahn bewegen. Zwei Haltestellen sind geplant. Über die „City-Linie“ wird es eine direkte Anbindung an die Innenstadt geben. 2025 soll die neue Straßenbahn fahren.
Auch von „Highspeed-Sammeltaxis“ und von „Fahrgemeinschaften per Bus“ ist die Rede sowie von Sharing-Angeboten für E-Autos und Fahrräder. Ob eines schönen Tages auch Drohnen-Taxis über Essen 51 schweben, wie es ein Animationsfilm verheißt? Warten wir es ab.
Ein städtebaulicher Entwurf für das neue Quartier liegt seit dem Frühjahr 2019 vor. Die Thelen-Gruppe hatte dafür eigens einen Wettbewerb ausgelobt. Der erste Preis ging an das Büro RKW Architektur + Rhode Kellermann Wawrowsky. Ob Essen 51 so aussehen wird, wie es sich die Planer aus Düsseldorf erdacht haben, steht auf einem anderen Blatt. Der Entwurf unterliege einer ständigen Weiterentwicklung, lässt die Thelen-Gruppe wissen. Mehr verraten will man offenbar nicht.
Die Thelen-Gruppe will mit dem Wohnungsbau am alten Fördergerüst beginnen
Beginnen will das Unternehmen mit dem Bau von Wohnungen rund um das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Amalie. Vor einigen Jahren hieß es noch, man werde mit dem Bau von Gewerbeimmobilien im nördlichen Teil des 52 Hektar großen Areals starten, wo es bereits Baurecht gibt, wie die Stadt auf Anfrage erklärt. Warum dieser Sinneswandel, bleibt Spekulation. Gebaut wurde dort bis heute nicht.
Weitergehen sollen es in mehreren Bauabschnitten, um „den allgemeinen Entwicklungen am Markt“ begegnen zu können, wie die Thelen-Gruppe mitteilt. Preisentwicklung und Nachfrage nach Immobilien dürften das Tempo bei der Entwicklung von Essen 51 also mitbestimmen. Die Thelen-Gruppe rechnet mit insgesamt acht bis zehn Jahren Bauzeit nach Satzungsbeschluss. Gut möglich also, dass sich der seltene Flussregenpfeifer in naher Zukunft zum Brüten ein anderes Plätzchen suchen muss.