Essen-Frillendorf. Ein ganz besonderer Oldtimer wird derzeit in Essen aufgehübscht. Der prominente Erstbesitzer: Edward VIII. Könnte der Luxus-Buick nur erzählen...
Baujahr 1936 ist der Buick, den Astrid Ender seit einigen Wochen aufhübscht. Der schwarze Oldtimer hat eine besondere Geschichte. Derzeit steht er in Frillendorf, wo das luxuriöse Innenleben der königlichen Sonderanfertigung erneuert wird. Mit viel Liebe und exklusiven Details war der Wagen vor 86 Jahren bei McLaughlin in Kanada, einem Zweigwerk der US-Marke Buick, für seinen prominenten Erstbesitzer ausgestattet worden: für Edward VIII.
Der bestellte die Staatskarosse mit zwei durchgehenden Federkern-Sitzbänken in dunkelbraunem Rindsleder, Bar und Zigarettenfach. Der Chauffeurbereich war damals noch vom Heck durch eine Scheibe getrennt. Astrid Ender (57) liebt ihr Handwerk. Und sie schwärmt für schöne Autos. In über 30 Berufsjahren hat sie schon in vielen Fahrzeugen die Sitze, Teppiche und Türverkleidungen erneuert. Immer wieder landen Schätze in ihrer Garage – begehrte Sportwagen und Oldtimer.
Leben an der Seite der bürgerlichen Amerikanerin Wallis Simpson
„Doch dieser Buick ist etwas ganz Besonderes“, sagt sie. Könnte das Auto nur erzählen … Das gäbe königliche Geschichten. Wahrhaft, denn sein Käufer war Edward VIII (1894-1972), der Vorgänger von König Georg VI., dem seine Tochter Queen Elisabeth II. folgte. Edward wurde nie gekrönt. Nach nicht mal einem Jahr dankte der weltoffene Monarch am 11. Dezember 1936 wieder ab. Der Liebe wegen. Er wollte ein Leben an der Seite der bürgerlichen Amerikanerin Wallis Simpson führen, die schon zweimal geschieden war.
Das missfiel der Königlichen Familie und der Anglikanischen Kirche. Edward folgte seinem Herz, verzichtete auf den Thron. Er nahm den Titel Duke of Windsor an. Seine Frau soll für die Automarke Buick geschwärmt haben. Einen amerikanischen Wagen für britische Staatsanlässe zu bestellen, sorgte damals für Kritik bei Hofe. Alte Zeitungsfotos zeigen einen zweiten, schwarzen Buick in normaler Länge, den der blonde König für seine Herzensdame mitbestellt hatte.
Knapp passte der imposante Königs-Buick hinter das Rolltor der Werkstattgarage
Nach gut acht Jahrzehnten wiesen die bequemen Sitzbänke der Limousine größere Schäden auf. Autosattlerin Ender holte die alte Ausstattung komplett aus dem Fahrzeug und nahm sie auseinander. „Das meiste war hinüber und musste neu aufgebaut werden. Aber die Federkerne konnte ich noch einmal verwenden“, erklärt sie beim Werkstattbesuch.
Aus dem Rheinischen war der alte Wagen mit den schicken Weißbandreifen im Oktober nach Essen gefahren worden. Kurz vor dem Ziel streikte der Motor. „Huckepack“ ging es die letzten Kilometer zur Polsterei. Knapp passte der imposante Königs-Buick hinter das Rolltor der Werkstattgarage. Dezent verbirgt ein rotes Tuch das Nummernschild – auf Wunsch des jetzigen Besitzers. Mit 5,79 Metern ist der Oldtimer das längste Fahrzeug, das Astrid Ender in der Polsterei je überholte. Und selbst nach 86 Jahren ist der luxuriöse Wagen äußerlich in glänzender Verfassung.
Mit dem Tucker befestigt die Autosattlerin bei unserem Besuch gerade die schicke Türverkleidung im Heck. Auch sie musste ersetzt werden. Wie die neuen Sitzbankbezüge sind sie aus dunkelrotem Rindleder. Dass sie bei der Arbeit in dem berühmten Wagen Platz nehmen darf, bereitet der Angestellten sichtlich Freude.
Nach Edward hatte zunächst ein englischer Marmeladenfabrikant den Buick erworben
Über das Auto wurde in all den Jahren viel berichtet. Immer wieder einmal schrieb die königliche Karosse Schlagzeilen. Ender breitet eine Sammlung von Zeitungsausschnitten und Kopien aus, die der aktuelle Fahrzeugbesitzer zur Verfügung stellte. „Er hat den Wagen vor 20 Jahren erworben. Der König hatte ihn rund zwei Jahre in Besitz“, weiß sie. Bekannt über den geschichtsträchtigen Acht-Zylinder-Buick, dessen erster Besitzer „Eddy“ ausschweifende Feste liebte und ein großer Freund von Mopshunden war, sind einige Fakten: Nach Edward hatte zunächst ein englischer Marmeladenfabrikant den Buick erworben.
Grab auf dem königlichen Friedhof
Edward VIII. dankte nach knapp einem Jahr im Dezember 1936 als König von Großbritannien und Irland ab. Er heirate im Juni 1937 die Amerikanerin Wallis Simpson, sie führten die Titel des Herzogs und der Herzogin von Windsor. Das Paar lebte meist im Exil in den USA und Frankreich sowie in der Schweiz und Österreich.
Nachfolger von König Edward VIII. war sein Bruder und Vater von Queen Elizabeth II., König George VI. Edward rauchte viel und starb am 28. Mai 1972 an Lungenkrebs in Paris. Sein Leichnam wurde nach Windsor Castle überführt.
Am 5. Juni fand in Anwesenheit der königlichen Familie und einer großen Menschenmenge die Trauerfeier in der St.-Georgs-Kapelle statt. Die Anteilnahme der Bevölkerung war groß. Eduards Grab liegt auf dem königlichen Friedhof in der Nähe von Windsor Castle.
Dann kam das Auto zu Sammlern und in den 1990er Jahren bei einer Auktion in London unter den Hammer, wie viele andere schöne Dinge aus dem Hause Windsor. Möbel, Liebesbriefe, Kleidung, Porzellan und Schmuck wurden ebenfalls meistbietend verkauft. Das englische Massenblatt „Daily Mail“ ersteigerte die Limousine damals für umgerechnet 370.000 Deutsche Mark bei Sotheby`s. Und schrieb ihn zu Werbezwecken anschließend als ersten Preis in einer Leserlotterie aus. Vorher präsentierte die Zeitung das Fahrzeug auf einer Englandrundreise.
Zum Weihnachtsfest wird der Oldtimer nicht fertig. Doch die Polster, Türverkleidungen und der neue Teppich sollen im Januar komplett erneuert und eingebaut in neuem Kleid erstrahlen. „Das hält dann wieder viele Jahre“, sagt Ender. Das Handwerk Autosattlerei hat sie übrigens Ende der 1980er an einem Jaguar-Oldtimer gelernt, dem sie ein neues Interieur schneiderte. Dann fuhren Oldtimer von Citroen, Fiat, Mercedes, Porsche und anderen Herstellern zum Ausstaffieren in den Betrieb im Essener Osten. Schön und elegant waren sie alle. „Aber nichts gegen diesen königlichen Buick.“