Essen. Die Essen Motor Show läuft noch bis Sonntag (11.12.). Und aller Debatten zum Trotz, scheint ihr das PS-freudige Publikum keineswegs auszugehen.

Automobil-Messen sind schon lange nicht mehr das, was sie mal waren, selbst die einst stolze Leitmesse IAA ist vom Hochamt der Branche fast zu einer Paria-Veranstaltung herabgesunken. Verglichen damit, wirkt die Essen Motor Show wie eine liebenswürdige Zeitkapsel, in der alles so weiter geht, wie es immer schon war. Am Sonntag, 11. Dezember, ist der letzte Öffnungstag für dieses Jahr.

Mag die Faszination Auto – gemeint ist natürlich die Verbrenner-Version – im öffentlich-medialen Diskurs allenfalls noch verschämt Stand halten gegen die Wucht der Klimadebatte, so gilt das nicht in den Essener Messehallen. Jahr für Jahr trifft sich hier eine Szene, die sich die Freude am Motor und an allem, was sonst noch so dazugehört, nicht nehmen lassen will.

Schon der Name „Motor Show“ wirkt rührend gestrig

Schon der Name der „Motor Show“, die immerhin zum 54. Mal über die Bühne geht, wirkt rührend gestrig und verströmt die fortschrittsorientierte Unschuld einer im Untergang begriffenen Epoche. Eine Epoche, in der bei den Themen PS, Zylinderzahl und Höchstgeschwindigkeit nicht etwa weniger mehr war, ganz im Gegenteil konnte es gar nicht viel genug sein. 500 Aussteller sind es in diesem Jahr dabei, mit rund 350.000 Besuchern wird an den neun Ausstellungstagen gerechnet. Die 110.000 Quadratmeter der Messe Essen sind fast komplett gefüllt, was im Jahreszyklus nur bei wenigen Veranstaltungen gelingt.

Für Küchenpsychologen mag allein die Betrachtung des Publikums ihren Reiz haben. Jüngere und mittelalte Männer zwischen 20 und Mitte 40 dominieren, gerne wandern sie mit der ganzen Clique durch die Hallen, fachsimpeln, staunen und prüfen, ob ihre automobilen Lebensträume zu den Preisschildern der teils teuerst getunten Fahrzeuge und der Tuning-Teile passen. Wenn sie nicht deutsch sprechen, dann auffallend oft niederländisch.

Hinzu kommen in Ehren ergraute „Petrol-Heads“, hin und wieder sieht man auch eine Familie oder ein Pärchen, deren weiblicher Teil mal mehr, mal aber auch weniger interessiert wirkt. Grob geschätzt, sind Männer mit zehn zu eins in der Überzahl, und die Grünen würden hier an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Letzteres ist zugegeben eine unbeweisbare, aber dennoch solide These.

Bitte recht freundlich: Die klassische Hostess (Mitte) durfte früher an kaum einem Stand fehlen, mittlerweile sind leicht bekleidete Frauen, bei der Motor Show deutlich seltener geworden.
Bitte recht freundlich: Die klassische Hostess (Mitte) durfte früher an kaum einem Stand fehlen, mittlerweile sind leicht bekleidete Frauen, bei der Motor Show deutlich seltener geworden. © F.S.

Neben teils grotesk aufgemotzten und tiefergelegten modernen Autos, stehen auch jede Menge Oldtimer in den Hallen, allerdings ohne dass sich irgendwo die fast britische Vornehmheit von Oldtimer-Veranstaltungen einstellt, von denen die Messe Essen mit der Techno Classica übrigens die wichtigste ebenfalls in ihrem Kalender stehen hat. Nein, die Motor Show ist schon ein wenig gröber.

Irgendwo soll es auch getunte E-Autos geben, aber groß auffallen tun sie nicht

An vielen Ständen wummert lautstark Musik, man kann um die Wette Rennwagen-Räder wechseln, virtuelle Rennen am Computer oder echte auf einer Kart-Bahn fahren, wobei die Karts einen E-Antrieb haben. Apropos: Irgendwo soll es auch getunte E-Autos geben, heißt es. Aber man muss schon wissen wo, denn groß auffallen tun sie wirklich nicht. Und wahrscheinlich ist das, vom Besucherinteresse betrachtet, auch ganz richtig so.

Die Widerständigkeit der Motor Show gegen umweltpolitischen Wandel hat gelegentlich auch harte Kritik provoziert. Und ganz wirkungslos sind die gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre ja auch wieder nicht an der Veranstaltung vorbeigegangen. Die früher geradezu inflationär an den Autos parat stehenden leicht bekleideten Hostessen sind mittlerweile eine Rarität. Die wenigen, die es noch gibt, müssen dafür allerdings im Minutentakt mit den Messebesuchern für Fotos posieren – und beweisen dabei eine Engelsgeduld.

Felgen sind nicht alles beim Tuning, aber ohne Felgen ist alles nichts: hier bei einem Porsche 911.
Felgen sind nicht alles beim Tuning, aber ohne Felgen ist alles nichts: hier bei einem Porsche 911. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Die Felge ist ganz offensichtlich der Goldstandard des Tunings

Schier unübersehbar ist hingegen die Vielfalt an Herstellern von Sonderfelgen. Die Felge, so lernt man, ist der Goldstandard des Tunings, sie vor allem machen aus einem relativ normalen Auto einen glitzernden, verspielten oder auch aggressiven Hingucker. Ganz billig ist das nicht, es ist kein Problem, für vier Felgen so viel auszugeben wie für einen Kleinwagen. Andererseits bekommt man auf der Messe auch gebrauchtes Werkzeug oder von Ölfingern abgegriffene Bücher der legendären Schrauber-Reihe „Jetzt helfe ich mir selbst“ – für einen Euro pro Stück. Die Stärke der Motor Show war immer ihre Bandbreite.

Und „Big is beautiful“ hat hier noch stets funktioniert. Vor Treckern mit verchromten Zwölf-Zylinder-Motoren, die nie ein Feld sehen werden, vor alten US-Straßenkreuzern oder haushohen Lastwagen wird die Menge schon mal dichter. Das ist aber nichts gegen einen Leopard II-Panzer, den die Bundeswehr in die Halle 7 gewuchtet hat. Mit 1500 PS hat der 66-Tonnen-Koloss wohl die dickste Maschine auf der Messe, das aufgestellte Geschützrohr flößt schon von weitem Respekt ein – ein Wink ans Publikum, der ankommt. Nicht oft hat man schließlich Gelegenheit, dieses Objekt der Begierde live zu sehen, das die Ukraine so gerne hätte, aber bisher nicht bekommt.

Stabsfeldwebel André Monréal erläutert jungen Interessierten die Details seines Leopard II-Panzers und einiges mehr über die Bundeswehr.
Stabsfeldwebel André Monréal erläutert jungen Interessierten die Details seines Leopard II-Panzers und einiges mehr über die Bundeswehr. © F.S.

Die Bundeswehr war von Beginn an ein treuer Partner der Motor Show

Traditionell war die Bundeswehr mit ihrem schweren Gerät stets gerngesehener Gast auf der Motor Show, auch in Zeiten, als Kriegswaffen spätestens seit den 1970er Jahren in breiten Schichten etwas Anrüchiges bekamen. Nicht so bei der Motor Show: Das Publikum hier hatte nie Probleme mit den Werbe-Auftritten der Truppe. Aber es fällt doch auf, dass der Leo in diesem Jahr besonders große Faszination auszuüben scheint, was vermutlich etwas mit der internationalen Großwetterlage zu tun hat. Die Bundeswehr ist wieder wer, dumme Sprüche wie „Soldaten sind Mörder“ sind gesellschaftlich gerade völlig out.

Den Leopard II-Panzer wollen am Samstag (3.12.) zahlreiche Menschen aus der Nähe begutachten.
Den Leopard II-Panzer wollen am Samstag (3.12.) zahlreiche Menschen aus der Nähe begutachten. © F.S.

Besucher vom Kind bis zur Oma stehen geduldig Schlange vor der Leiter, die zur Einstiegsluke führt und wo Soldaten des Panzerbataillons 203 den Menschenstrom dirigieren. Vorne am Panzer steht neben drapierten Granaten Stabsfeldwebel André Monréal, Typ väterlicher Unteroffizier wie aus dem Bilderbuch. Leutselig quatscht er mit den zumeist jungen Männern, die im Halbkreis an seinen Lippen hängen. Technische Daten über Fahrzeug und Munition („die beste, die es gibt“) hat Monréal locker drauf, parliert aber auch druckreif darüber, dass die Wehrpflicht ein Segen war oder dass man als Bundeswehrsoldat derzeit erfreulicherweise seltener als sonst beschimpft wird. Wobei ihm auch das nicht allzu viel ausgemacht habe, wie er glaubhaft versichert.

Deutlich weniger Interesse als der Leo findet gleich nebenan die Puppe, an der Sanitäter zeigen, wie man Verletzten hilft, und auch die etwas beamtenhaften Werbeoffiziere wirken leicht unterfordert. Aber gut, dies ist eben kein Erste-Hilfe-Kurs, sondern die Motor Show.

Ticketpreise und Öffnungszeiten

Die Motor Show läuft noch bis zum 11. Dezember in den Messehallen. Der Online-Ticketshop ist während der gesamten Laufzeit geöffnet, eine Tageskarte kostet 20 Euro. Samstags und Sonntags öffnet die Messe von 9 bis 18 Uhr, Montags bis Freitags von 10 bis 18 Uhr. Mehr Informationen zu Terminen und Tickets gibt es unter www.essenmotorshow.de

Staugefahr: Für Nicht-Messebesucher empfiehlt es sich, zu den Stoßzeiten morgens und abends vor allem die Norbertstraße an der Messe zu meiden.