Essen/Mülheim. In Essen und Mülheim sind Ermittler der BAO „Herkules“ mutmaßlichen Sexualtätern auf die Spur gekommen. Die Taskforce ist seit einem Jahr aktiv.
In ihrem Kampf gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch hat die Besondere Aufbauorganisation (BAO) „Herkules“ der Polizei Essen weitere Erfolge erzielt: Am Mittwoch und Donnerstag durchsuchten die Ermittler 22 Wohnungen von Verdächtigen in Essen und Mülheim. Dabei stellten sie 14 Handy, zwei Computer und mehrere USB-Sticks sicher.
Zudem konnten die Beamten Anfang des Monats einen 49-Jährigen überführen, der ein Mädchen im Kindesalter mehrfach sexuell missbraucht haben soll. Dem Zugriff war ein Jahr Ermittlungsarbeit vorausgegangen. Der Beschuldigte sitzt auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft.
Nähere Angaben zu Tatorten, Tätern und Opfern macht die BAO „Herkules“ nicht, die vor etwa einem Jahr als Taskforce an den Start gegangen ist. Wie Polizeisprecherin Sylvia Czapiewski am Dienstag berichtete, konnte und musste die BAO seit ihrer Gründung im Schnitt jeden Tag einen Durchsuchungsbeschluss vollstrecken. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs hat binnen zwölf Monaten um 50 Prozent zugelegt.
Die gestapelten Festplatten erreichen die Höhe des RWE-Turms
Aus jedem „Hausbesuch“ bei Verdächtigen resultieren weitere sichergestellte Datenträger, die danach auszuwerten sind. „Würde man aktuell die auszuwertende Datenmenge der BAO auf handelsüblichen Festplatten speichern und hochkant stapeln, wäre sie genauso hoch wie das höchste Gebäude des Ruhrgebiets, der RWE-Turm (heute Westenergie-Turm) - nämlich 162 Meter“, veranschaulicht Czapiewski das Arbeitsvolumen.
Die Ermittler kommen bei ihrer Arbeit allerdings auch zunehmend schneller voran: So konnte die Menge der ausgewerteten Daten inzwischen mehr als verdoppelt werden. Denn nicht nur die Täter, sondern auch die Polizei Essen hat aufgerüstet: „Im Kampf gegen Kindesmissbrauch wird mehr Personal und bessere Technik eingesetzt, zudem konnten die Arbeitsabläufe effektiver gestaltet werden“, sagt die Polizeisprecherin.
„Wir brauchen einen langen Atem und sind uns bewusst, dass wir einen Marathon laufen - den aber idealerweise in Sprintgeschwindigkeit und mit immer mehr Gepäck auf den Schultern. Es ist ein bisschen wie der Fluch der guten Tat“, ist sich der Leiter der BAO Herkules, Kriminaldirektor André Dobersch, bewusst.
Zur Arbeit der BAO Herkules gehören auch Opferschutz und Prävention
Trotz der großen emotionalen Belastung und vieler Überstunden, kämpfe das Team aber hochmotiviert, mit beträchtlichem Fleiß und großem Engagement gegen sexuelle Gewalt, die Kindern angetan wird. „Für uns ist jedes Kind, das wir aus einem Missbrauch retten können, gleichermaßen ein Erfolg und Ansporn, weiterzukämpfen“, so Dobersch.
Zum Hintergrund: Die BAO „Herkules“ wurde am 1. November 2021 von der Polizei Essen eingerichtet, um Kinderpornografie und sexuelle Gewalt gegen die Jüngsten gezielter bekämpfen zu können. Hauptaufgabe dieser BAO ist es, Hinweisen, sowohl aus externen Quellen als auch aus internen Ermittlungen, nachzugehen, das sichergestellte Datenmaterial zu sichten und gegebenenfalls auch Sofortmaßnahmen bei erkannten Missbrauchstaten zu ergreifen. Dazu gehören neben der strafrechtlichen Verfolgung auch Maßnahmen des Opferschutzes/Opferhilfe sowie die präventive Arbeit.
Dreiviertel der Opfer sind zwischen sechs und 14 Jahre alt
Über die Hälfte aller Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung richtete sich laut Polizei Essen gegen Kinder und Jugendliche. Die Zahl der auf diesem Deliktfeld verfolgten Straftaten ist um 292 auf 563 gestiegen und im Vergleich zum Vorjahr wurden 264 davon auch aufgeklärt, was einer Zunahme um 113 Prozent und einer Quote von insgesamt über 88 Prozent entspricht.
Etwa dreiviertel der Opfer sind zwischen sechs und 14 Jahre alt, aber es sind auch deutlich jüngere, sogar Säuglinge darunter. Insgesamt hat die BAO Herkules in 2021 gegen 507 Verdächtige ermittelt, geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor.
Der Großteil war zwischen 30 und 40 Jahre alt. Aber auch der Anteil der 14- bis unter 16-Jährigen ist hoch. Sie verbreiten Pornos über ihre Smartphones und sind sich in den allermeisten Fällen keiner Straftat bewusst. Mehr Aufklärung im Vorfeld tut hier not, ist die Polizei überzeugt, die deswegen auch an Schulen vorstellig wird, um die Jugendlichen zu sensibilisieren.