Essen. Insgesamt 56 Jahre verbrachte Günter Stoppa auf Zollverein, Tausende erfuhren in seinen Führungen, wie eine Großzeche funktionierte. Ein Nachruf.

Er hat als einer der letzten Aktiven auf der Zeche Zollverein die Führungen über die Zeche mit auf den Weg gebracht und schließlich über Jahrzehnte für die Stiftung Zollverein unter anderem die beliebten Steigerführungen angeboten. Kurzweilig erklärte er die Funktion der Schachtanlage XII, berichtete aus seinem Arbeitsalltag auf der Zeche und hielt die Erinnerung an den Bergbau lebendig. Am vergangenen Donnerstag (10. 11.) verstarb der 90-Jährige nach kurzer schwerer Krankheit im Kreis seiner Familie.

Geboren am 8. Juni 1932 in Kray – die neugebaute Zentralschachtanlage Zollverein Schacht XII förderte zu diesem Zeitpunkt seit vier Monaten Kohle – und aufgewachsen in der Kolonie der Zeche Bonifacius lernte der Bergmannssohn durch den frühen Tod der Mutter und den Krieg, dass das Leben Härten bereithält. Nach zweijähriger Kinderlandverschickung kehrte er 1945 in ein völlig zerbombtes Essen zurück und begann nach dem Schulabschluss eine Maurerlehre.

Der Vater hatte vor dem Bergbauberuf gewarnt

Im Jahr 1953 traf die Familie ein weiterer Schicksalsschlag: Vater Josef verunglückte tödlich auf der Schachtanlage Hubert. Für seine drei Söhne öffneten sich durch ihren Status als Bergbau-Waisen die Zechentore, und trotz väterlicher Warnung vor dem Bergbauberuf siegte der Pragmatismus: Der Weg zu einer sicheren Erwerbsquelle, zu einer eigenen Wohnung und der Gründung einer Familie führte zu jener Zeit in erster Linie über den Bergbau.

Auf der Zeche Elisabeth in Frillendorf machte der Maurergeselle seinen Meister, erlebte Wirtschaftswunder und Bergbaukrise. Kurz vor Stilllegung „seiner“ Zeche erfuhr der mittlerweile zum Obermeister aufgestiegene Günter Stoppa, dass auf der Zeche Zollverein die Stelle der Bauleitung frei wurde. So begann 1966 seine erste Zollverein-Karriere, die nach zwei Jahrzehnten, am 23. Dezember 1986, mit der Stilllegung der Zeche Zollverein und dem für ihn verbundenen Renteneintritt endete.

Der Ruhestand war Auftakt für Stoppas zweite Laufbahn

Der Ruhestand war zugleich Auftakt für Stoppas zweite Zechen-Laufbahn: Mit der Sanierung der Gebäude und dem Einzug neuer Nutzungenfand er schnell neue Aufgaben. Obwohl er wie viele seiner Kollegen im aktiven Bergbau dem Erhalt von Zollverein Schacht XII zunächst skeptisch gegenüberstand, wandelte er sich schon mit der Stilllegung zum Verfechter der Entwicklung zu einem Kultur- und Wirtschaftsstandort.

Stoppa gehört zu den ersten Ehemaligen, die Führungen über die nun stillgelegte Schachtanlage anboten. Er begleitete den Wandel und engagierte sich als Handwerksmeister mit viel Engagement im Technikteam der Stiftung Zollverein und mit seinem großen Wissen in der Geschichtswerkstatt Zeche Zollverein. Als Gästeführer im Denkmalpfad leistet er einen wichtigen Beitrag für das Verständnis der Anlage und der Vermittlung ihrer Besonderheiten. Viele Tausend Gäste haben den Weg der Kohle in Führungen von Günter Stoppa kennengelernt. Darüber hinaus stellte Stoppa Kontinuität her, indem er die alte und die neue Generation der auf der Zeche Zollverein tätigen Menschen miteinander verband.

Seine Erzählungen waren stets von Sachlichkeit geprägt

Dabei hat Günter Stoppa den Bergbau in der Rückschau nicht nostalgisch betrachtet oder gar mystifiziert. Seine Haltung und Erzählungen waren stets von Sachlichkeit, Pragmatismus und einem trockenen Humor geprägt, er war ein Vernunftmensch durch und durch, nahm Gästeführer-Neulinge unter seine Fittiche, gab seinen Wissensschatz weiter und stand Medienvertretern in Interviews zur Verfügung.

Im Juni 2022 feierte Günter Stoppa noch seinen 90. Geburtstag mit vielen ehemaligen und heutigen Zollvereinern. Herz und Gedanken waren oft auf seiner Zeche, erst vor wenigen Wochen zog er sich aus dem aktiven Geschehen zurück – nach 56 Jahren auf Zollverein.