Essen. Die Ditib Essen wird kein Träger der Jugendhilfe. Kritiker hatten gewarnt, der Islamverband falle durch Hetze auf und werde aus Ankara gelenkt.

Der Versuch, des umstrittenen Islamverbandes Ditib, in Essen als Träger der Jugendhilfe anerkannt zu werden, ist gescheitert: Die Ditib-Gemeinde Altendorf hatte den Antrag im Dezember 2022 gestellt, um im Stadtteil Angebote für Jugendliche machen zu können. Nach teils scharfer Kritik hatte der Jugendhilfeausschuss die Sache vertagt. Nun hat die Stadt das Anerkennungsverfahren gestoppt: Der Verband habe Fragen zu seiner Arbeit und Ausrichtung nicht beantwortet, erklärte Jugenddezernent Muchtar Al Ghusain.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Im vergangenen Jahr hatte ein Bündnis, zu dem neben Pro Asyl Essen auch kurdische Vereine gehörten, gemahnt, dass Ditib-Gemeinden immer wieder mit Hetze gegen Andersdenkende und Minderheiten aufgefallen seien: Als Träger der freien Jugendhilfe sei der Verein völlig ungeeignet.

Es habe viele Anlässe gegeben, daran zu zweifeln, dass der Islamverband Ditib in Einklang mit dem Grundgesetz handle, sagt die Grüne Ratsfrau Sandra Schumacher. „Diese Zweifel wurden nicht ausgeräumt.“
Es habe viele Anlässe gegeben, daran zu zweifeln, dass der Islamverband Ditib in Einklang mit dem Grundgesetz handle, sagt die Grüne Ratsfrau Sandra Schumacher. „Diese Zweifel wurden nicht ausgeräumt.“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Andere Kritiker hatten auch darauf abgehoben, dass die Altendorfer Ditib-Gemeinde zwar als eigenständig gelte, aber dem Dachverband der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religionen e.V. (Ditib) in Köln angehöre – und darüber großem Einfluss aus der Türkei ausgesetzt sein könnte. „Ditib-Imame haben im Auftrag der türkischen Regierung nachweislich Menschen in Deutschland ausspioniert und nach Ankara gemeldet“, betonten etwa die Linken im Rat und warben für eine Ablehnung des Antrags.

Ditib erklärte, in Essen das Zusammenleben der Religionen zu fördern

In Kinderbüchern des Vereins gebe es eine teils fragwürdige Religionsvermittlung, ergänzt Sandra Schumacher, die für die Grünen im Jugendhilfeausschuss sitzt. „Daran schlossen sich Fragen zur Haltung der Ditib etwa zu Antisemitismus, Toleranz und Gleichberechtigung an.“ Das Gremium beschloss in der Dezember-Sitzung 2021 daher, nicht über den Antrag der Ditib abzustimmen, sondern erst die Absichten der Gemeinde zu prüfen. Die hatte zwar im Antrag geschrieben, dass sie das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen fördern wolle, doch das reichte dem Ausschuss letztlich nicht.

In Deutschland gibt es rund 800 Ditib-Gemeinden

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib) wurde 1984 gegründet. Deutschlandweit gibt es heute rund 800 Ditib-Gemeinden, weshalb der Islamverband einerseits als wichtiger Ansprechpartner gilt. Kritiker warnen jedoch, dass die türkische Staatsführung direkten Einfluss auf den Verein nehme.

Darum hatte auch die Landesregierung ihre Zusammenarbeit mit dem Verein für mehrere Jahre auf Eis gelegt. 2021 kündigte die damalige Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) an, die Ditib in die Kommission zur Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts aufzunehmen. Ein Vorhaben, das breite Kritik auslöste.

Eine bloße Eigenbeschreibung der Gemeinde sei keine ausreichende Entscheidungsbasis hatte auch der Leiter der Alten Synagoge, Uri Kaufmann, gewarnt. „Die türkischen Staatsmedien verbreiten seit Jahren alles andere als Vorstellungen von Toleranz oder Dialog zu anderen Religionsgemeinschaften.“ Man müsse daher sorgfältig prüfen, wie abhängig die Altendorfer Ditib von der Religionsbehörde Diyanet in Ankara sei.

Islamverband brach den Dialog mit der Stadt ab

„Eine Ablehnung aus allgemein politischen Gründen, weil man die Politik des Staates Türkei ablehnt, ist nicht möglich“, hatte Jugenddezernent Al Ghusain damals erklärt. Man solle dem Verein daher die Chance geben, offene Fragen zu klären und Vertrauen zu schaffen. Über den Antrag könne man dann in der nächsten Sitzung abstimmen. Der Dialog zog sich jedoch hin und brach schließlich ab, sagt Al Ghusain jetzt: „Von der Ditib gab es irgendwann keine Rückmeldung mehr. Das ist aber das Mindeste, was man verlangen kann.“

„Wir wollen nicht, dass ein Verein, der hier als Träger der Jugendhilfe aktiv ist, von der Türkei gesteuert wird“, sagt Jugenddezernent Muchtar Al Ghusain. Fragen dazu habe die Ditib Altendorf zuletzt unbeantwortet gelassen.
„Wir wollen nicht, dass ein Verein, der hier als Träger der Jugendhilfe aktiv ist, von der Türkei gesteuert wird“, sagt Jugenddezernent Muchtar Al Ghusain. Fragen dazu habe die Ditib Altendorf zuletzt unbeantwortet gelassen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das findet auch die grüne Ratsfrau Schumacher: Es habe viele Anlässe gegeben, daran zu zweifeln, dass der Islamverband in Einklang mit dem Grundgesetz handle. „Diese Zweifel wurden nicht ausgeräumt.“ In der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Dienstag, 8. November, teilte die Verwaltung folgerichtig mit, dass die Ditib ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügt habe und das Anerkennungsverfahren nun gestoppt wurde.

Dezernent wünscht sich interkulturelle Träger der Jugendhilfe

Das heikle Thema fand sich weder auf der Tagesordnung des Ausschusses, noch gab es eine Abstimmung dazu. Der Verfahrensstopp wurde den Ausschussmitgliedern lediglich mitgeteilt. „Wir wollen nicht, dass ein Verein, der hier als Träger der Jugendhilfe aktiv ist, von der Türkei gesteuert wird“, sagt Al Ghusain. Doch man lasse die Tür für die Ditib einen Spalt geöffnet: „Da wir nicht abgestimmt haben, kann der Verein einen zweiten Anlauf machen.“ Ob die Ditib Altendorf das beabsichtigt, ließ sich am Montag (14. 11.) nicht in Erfahrung bringen. Al Ghusain betont aber, dass sich die Stadt grundsätzlich eine Öffnung der Jugendhilfe wünsche: „Wir brauchen auch interkulturelle Träger, wenn wir Integration fördern wollen.“

Das Bündnis aus 32 Vereinen, das schon im vergangenen Jahr vor der Ditib als Jugendhilfe-Träger gewarnt hatte, begrüßte unterdessen den Stopp des Anerkennungsverfahrens. Dass der Verein den Dialog mit der Stadt beendet habe, sei eine Bestätigung für die Befürchtungen gegenüber der Ditib.