Essen-Freisenbruch. Bei Problemen hat sie Alkohol getrunken und sich stets selbst betrogen. 13 Jahre lang hat die Essenerin den Alltag so ertragen. Dann stürzte sie.
Von Selbstbetrug spricht Bettina Steinkamp (Name geändert), wenn sie an ihre Ausflüchte denkt („Alkoholiker liegen unter der Brücke“), mit denen sie sich ihre Sucht schön geredet hat. Funktioniert habe sie immer, habe in den Schwangerschaften keinen Tropfen angerührt, habe die Kinder zur Kita und Schule gebracht und als Einzelhandelskauffrau gearbeitet. Der Wendepunkt kam erst nach einem Sturz von der Treppe.
„So schlimm dieser Unfall war, er hat mein Leben gerettet“, sagt die Katernbergerin. Das war 2014, als sie den Schalter umgelegt und ihr Leben aufgeräumt hat. Die gebürtige Steelerin war gerade mal 15 Jahre alt, als sie sich das erste Mal betrunken hat. So richtig: „Der Whiskey hat mir direkt die Schuhe ausgezogen.“ Wenn sie dann mit Freunden unterwegs gewesen ist, gehörte der Alkohol dazu, meistens war es Altbier. Auch sie baute so zunächst ihre Hemmungen ab, spülte später mit jedem Schluck ihren Stress und die Sorgen hinunter, wenn etwa zu Hause die Situation mit ihrem Mann eskalierte.
Streit mit cholerischem Partner statt Trennung
Selbsthilfegruppe „Leben ohne Alkohol“
Die Selbsthilfegruppe „Leben ohne Alkohol“ trifft sich freitags, 19.30 bis 21 Uhr im Bodelschwingh-Haus, Jasperweg. Wer teilnehmen möchte, kann unverbindlich zu einem der Treffen kommen. Angesprochen sind Betroffene und deren Angehörige.
Ziele der Gruppe: Betroffenen, Angehörigen und Interessierten, die mit der Sucht allein nicht fertig werden, zu einem zufriedenen, trockenen Leben zu verhelfen. Gesprochen wird dabei über Suchtmittel, aber auch über alle Nöte, die jemanden etwa zum Trinken veranlasst haben.
Zwei Voraussetzungen gibt es: Teilnehmer dürfen zuvor keinen Alkohol getrunken haben. Zudem gilt, dass das in diesem Kreis Gesprochene nicht nach außen getragen wird. Vertrauen ist den Mitgliedern der Gruppe nicht nur wichtig, für offene Gespräche sei dieses unabdingbar.
Kontakt zu Frank Crosberger: 0177-7599853 oder per Mail an: frankcrosberger@web.de
Zwischen der Erkenntnis, dass dieser Weg nicht der richtige sein könne, und dem Tag, an dem sie den letzten Tropfen Alkohol trank, liegen bei Bettina Steinkamp 13 Jahre, viele bittere Tage, verzweifelte Stunden und Momente, in denen sich auch ihr Körper mit Herzrasen und Bluthochdruck wehrte. Sie aber hat weiterhin mit ihrem cholerischen Partner gestritten, statt sich zu trennen, hat nicht jeden Tag getrunken, sondern quartalsmäßig, immer bei Problemen: „Wenn es ausuferte, habe ich mich abgeschossen, um das zu ertragen.“
Sie hat irgendwann angefangen, den Alkohol in Rucksäcke, Taschen, Abstellraum und auf dem Dachboden zu verstecken, als Sekt und Wein längst nicht mehr reichten und ihr Partner sie darauf ansprach („Meinst Du nicht, das ist zu viel?“).
Ein Rückfall ist auch noch nach 30 Jahren möglich
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2007 hat sie sich erstmals einem Arzt anvertraut, noch fünf Jahre sollten jedoch bis zur Therapie und Entgiftung und manchem Rückfall vergehen. „Ich dachte, ich schaffe es allein“, sagt sie, da sie weiß, wie wichtig ihre Eltern, die inzwischen erwachsenen Kinder und vor allem ihre beiden Selbsthilfegruppen für sie sind. Auch sie hat sich der Gruppe „Leben ohne Alkohol“ angeschlossen.
„Es ist ein großer Unterschied, mit Betroffenen zu sprechen, die das Schicksal teilen.“ Auch ohne Antidepressiva geht es für sie nicht, ohne Alkohol schon. „Dort, wo viel getrunken wird, halte ich mich nicht auf“, sagt sie nun und kann sich darauf verlassen, dass ihre Freunde ihr erst gar nichts anbieten.
Denn es gab anfangs durchaus Zeiten, da hat sie kaum einen Supermarkt betreten und gelassen an Spirituosenregalen vorbeigehen können, hat in anderen Einkaufswagen nach Alkohol geschaut. Das ist vorbei, der Respekt bleibt, in dem Wissen, dass ein Rückfall auch nach 30 Jahren möglich ist. „Es bleibt ein Spiel mit dem Feuer.“