Essen-Schonnebeck. Bei den „Mädchentagen“ lernen Neun- bis 17-Jährige in Essen-Schonnebeck, wie man sich gegen Übergriffe wehrt. Oft helfen Kleinigkeiten.

Wie wehrt man sich gegen blöde Sprüche? Und wo fängt Gewalt eigentlich an, schon bevor es handgreiflich wird? Im Jugendzentrum Schonnebeck haben jetzt 35 Mädchen zwischen neun und 17 Jahren die Herbstferien genutzt, um sich stark zu machen gegen verschiedene Formen von Übergriffen. Die so genannten „Mädchentage“ waren unter anderem vom Jugendwerk der Arbeiterwohlfahrt (Awo), dem Mädchennetzwerk Essen sowie der Arbeitsgemeinschaft „Offene Tür“ organisiert worden.

Was tun, wenn Dir ein Mann sexistische Sprüche hinterherruft?

„Seit Corona ist das Thema Gewalt wieder stärker in den Medien“, sagt Negin Khatam, die schon mehr als 20 Jahre im Jugendzentrum Schonnebeck unter anderem für Mädchen- und Frauenarbeit verantwortlich zeichnet. „Doch Selbstbehauptung für Mädchen und Frauen fängt schon viel früher an.“

Mehrere Tage gab es Workshops, Übungen zur Selbstverteidigung, dazwischen natürlich Mittagessen, und die Teilnehmerinnen lernten unter anderem Tipps für den Alltag – zum Beispiel, wie man mit so genannten „Cat Calls“ umgeht. „Das sind sexistische Sprüche, die Frauen von Männern hinterhergerufen werden“, erklärt Leah Betken, Werksstudentin beim Jugendwerk der Awo. „Viele Mädchen und Frauen halten solche Übergriffe für normal und reagieren nicht.“ Täter würden diese Ohnmacht ausnutzen; deshalb fühlten sie sich häufig so sicher – und entsprechend überrascht, wenn nicht gar verunsichert seien Männer, wenn man sexistische Sprüche kontert, zum Beispiel mit einem lauten: „Mein Körper gehört mir!“

Laut zu werden, das müssen viele Mädchen erst lernen

Überhaupt: Laut zu werden, „das müssen viele Mädchen erst lernen, weil es ihnen zu Hause nicht beigebracht wird“, sagt Negin Khatam. Dabei kann lautes Schreien und Rufen sehr wichtig werden, wenn man körperlich oder sprachlich angegriffen wird: „Im Notfall hilft es sehr, ,Feuer’ zu schreien, statt einfach nur ,Hilfe!’“. Studien und Versuche hätten gezeigt, dass unbeteiligte Passanten eher bereit sind, einzugreifen, wenn sie das Wort „Feuer“ hören – schließlich könnte es sie im nächsten Moment auch selbst treffen. Noch ein weiterer, wichtiger Trick: „Wer sich gegen Übergriffe im öffentlichen Raum wehren muss, sollte nicht rufen: ,Lass mich in Ruhe’!“ Sondern Siezen: „Lassen Sie mich in Ruhe!“ – „Beim ,Du’ denken Umstehende eher, es handelt sich um eine private Auseinandersetzung, in die man sich besser nicht einmischt“, erklärt Leah Betken. „Wenn Passanten aber hören, dass das Opfer den Täter siezt, ist klar, dass jemand ernsthaft in Not ist und eingegriffen werden muss.“

Mehrere Tage gab es im Jugendzentrum Essen-Schonnebeck Workshops und Übungen zur Selbstverteidigung,
Mehrere Tage gab es im Jugendzentrum Essen-Schonnebeck Workshops und Übungen zur Selbstverteidigung, © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die „Mädchentage“ während der Herbstferien im Jugendzentrum Schonnebeck hatten schon einen Vorläufer – in den letzten Tagen vor den Herbstferien gab es die Veranstaltung bereits schonmal, Ende September waren Schülerinnen aus vier umliegenden Schulen eingeladen. Beteiligt waren 45 Mädchen aus der Gustav-Heinemann-Gesamtschule und den Förderschulen Nelli Neumann, Steeler Tor und Helen Keller. „Uns war der inklusive Ansatz der Mädchentage besonders wichtig“, sagt Negin Khatam. Erste Rückmeldungen der beteiligten Schulen seien ausschließlich positiv gewesen.

Weitere Mädchentage in anderen Jugendzentren sollen folgen, sagt Andrea Petri-Bartfeld vom Jugendamt der Stadt Essen. Auch an dieser Veranstaltung im Jugendzentrum Schonnebeck waren bereits andere Institutionen beteiligt gewesen, zum Beispiel das Jugendzentrum „Freie Schule“ und das Jugendzentrum Neuhof. „Dies soll nur ein Anfang sein“, sagt Andrea Petri-Bartfeld. Entscheidend sei dabei die Vernetzung aller Akteure: „Wichtig ist, dass wir alle an einem Strang ziehen.“