Essen. Mehr als jede vierte Kita in Essen macht mit bei einem Sprachförderprogramm. Das läuft aus. Der Aufschrei ist groß, doch noch ist nichts geklärt.
Das bundesweit drohende Ende des Förderprogramms „Sprach-Kitas – weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ trifft besonders viele Kindergärten im Essener Stadtgebiet. Vom angekündigten Aus der im Jahr 2016 in Deutschland gestarteten Initiative ist in Essen mehr als jede vierte Einrichtung betroffen – 85 von 306. Oberbürgermeister Thomas Kufen spricht von einer „klaren Fehlentscheidung der Bundesregierung“. Allein in Essen müssten derzeit 1500 pädagogische Fachkräfte um ihre berufliche Zukunft bangen. Kufen übt diese Kritik auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Städtetages NRW. Das Programm richtet sich an Kitas mit besonders vielen Kindern, die sprachliche Unterstützung benötigen. In NRW ist jede zehnte Kita eine „Sprach-Kita“, in Essen – siehe oben – mehr als jede vierte.
„Uns laufen die Fachkräfte weg“, klagt der VKJ
Längst orientieren sich die betroffenen Mitarbeiter neu: „Uns laufen die Fachkräfte weg“, berichtet Birgit Pein vom Kita-Träger VKJ, dem „Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten“ (25 Kitas in Essen und Mülheim, in 19 davon gibt es das Sprachförderprogramm).
Das Programm gilt als erfolgreich und effizient; wurde im Jahr 2019 bundesweit verlängert, Ende 2022 läuft es aus, über eine Verstetigung oder Fortsetzung der Finanzierung ist von Bund und Ländern noch keine Klarheit geschaffen worden. „Die Abschaffung des Programms ist vor allem nach zweieinhalb Jahren Corona ein entmutigendes Signal“, betont Lina Strafer, Sprecherin des größten Kita-Trägers in Essen, dem „Kita-Zweckverband“ des Bistums (rund 60 Einrichtungen in Essen, davon acht Sprach-Kitas).
„Ein entmutigendes Signal“, vor allem nach Corona
Man setze sich aktiv dafür ein, dass die Entscheidung, das Programm zu stoppen, noch abgewendet werden könne. Fest steht beim Zweckverband aber bereits, dass die betroffenen Fachkräfte über das Jahr 2022 vom Zweckverband weiterbeschäftigt werden sollen, damit „die wertvollen Kompetenzen der Kolleginnen in diesem Bereich auch künftig die Bildungsarbeit vor Ort bereichern“.
Das Programm „Sprach-Kitas – weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ hat jede Kita, die von entsprechend förderbedürftigen Kindern besucht wird, mit einer zusätzlichen, halben Stelle ausgestattet. Sie wird bekleidet von einer extra geschulten Fachkraft – das können Erzieherinnen und Erzieher sein, aber auch andere pädagogische Mitarbeiter. Sie beraten Kitas und Eltern, wie man die Sprachfähigkeit jener Kinder im Alltag fördert, deren Entwicklung verzögert ist. Die Fachkräfte sind untereinander so vernetzt, dass für alle Kitas eines Trägers ähnliche Impulse und Handlungsempfehlungen konzipiert werden. „Das Programm hat sich als absolut gewinnbringend erwiesen“, attestiert Nina Schubert vom Kinderschutzbund (zehn Kitas in Essen, acht davon Sprach-Kitas).
„Wichtig ist, dass vom Bund schnellstmöglich Klarheit geschaffen werden muss“, heißt es seitens der Stadt Essen. „Die öffentlichen und freien Träger bedauern das Auslaufen des Bundesprogramms sehr.“