Essen. Die Ausländerbehörde an der Schederhofstraße schlägt Alarm: Das Amt ist vielen Herausforderungen räumlich und personell kaum mehr gewachsen.
Die seit Jahren unter notorischer Raum- und Personalnot ächzende Essener Ausländerbehörde gerät absehbar weiter unter Druck. Neben den Tausenden Verfahren und Anfragen, die in E-Mail- und Postfächern teils seit Wochen und Monaten auf ihre Bearbeitung warten, steht dem Amt eine neue Antragsflut beachtlichen Ausmaßes bevor: Wenn die rund 15.000 Syrer, die 2015 als Flüchtlinge in die Stadt gekommen sind, das Recht haben, sich einbürgern zu lassen, werden die allermeisten davon auch Gebrauch machen.
Zeit- und Arbeitsaufwand werden immens sein: „In den kommenden Jahren ist mit einer verstärkten Nachfrage zu rechnen, denn es erscheint unwahrscheinlich, dass die Syrerinnen und Syrer in großer Zahl zurückkehren werden“, heißt es dazu in einem Bericht des Projekts „Syrische Community in Essen“. Die Macher der Studie gehen davon aus, dass 84 Prozent der Menschen „sicher“ und drei Prozent „wahrscheinlich“ die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.
Sie werden Geduld mitbringen müssen: Nach einer Terminanfrage dauert es derzeit eineinhalb Jahre bis zu einer ersten Vorsprache. Bis ein Antrag gestellt werden kann, vergehen weitere neun Monate und die Einbürgerungs-Urkunde lässt dann noch einmal weitere 16 Wochen auf sich warten.
Die Mammutaufgabe ist absehbar
Zu der absehbaren Mammutaufgabe kommen vergleichbare Begehrlichkeiten auch anderer Ausländergruppen nach Reformen im Staatsangehörigkeitsrecht durch die neue Bundesregierung. Die hat in ihrem Koalitionsvertrag die Aufenthaltsfristen als Voraussetzung für einen deutschen Pass von acht auf fünf Jahre und bei besonderen Integrationsleistungen auf drei Jahre deutlich verkürzt, aber auch Mehrstaatigkeit ermöglicht.
Der Beratungsbedarf steigt unter den neuen Voraussetzungen schon deshalb merklich, weil sich der Kreis der potenziellen Interessenten durch die neuen Regeln naturgemäß deutlich vergrößert, ist aber mit dem vorhandenen Personal nicht mehr zu bewältigen. Es führt kein Weg daran vorbei: Es braucht einfach mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus an der Schederhofstraße, zumal die Zahl der in Essen lebenden Ausländer seit 2015 um 35 Prozent auf rund 111.000 zugelegt hat (Stand: 30. Juni).
Über die in den vergangenen Jahren bereits dutzendfach angeheuerte Verstärkung im Amt hinaus ist inzwischen von bis zu 18 weiteren zusätzlichen Stellen und einem „dringenden Handlungsbedarf“ die Rede in einem Konzept, das die Behörde aktuell vorgelegt hat. Das gilt allerdings nicht nur für die dringend benötigte bessere personelle Ausstattung, sondern auch für das viel zu kleine und teils desolate Dienstgebäude. Für diese Dauerbaustelle muss ebenso zügig Ersatz her.
Für bessere Arbeitsbedingungen und Dienstleistungen
Essens Ausländerbehörde benötigt eine neue Heimat, wo sie sich entfalten kann - personell aber auch technisch, um die Digitalisierung voranzutreiben, alltägliche Abläufe zu straffen, angemessene Arbeitsbedingungen, aber auch bessere Dienstleistungen bieten zu können.
Nicht nur, dass ein Großraumbüro in dem Gebäude an der Schederhofstraße, nach einem Wasserschaden im vergangenen Jahr, von Schimmel befallen und nicht mehr nutzbar ist, es mussten auch Wartezonen in Büros umgewandelt werden, um halbwegs handlungsfähig zu bleiben.
Kunden müssen deshalb auf dem Parkplatz auf ihre Termine warten, es gibt nur einen Treppenaufgang, fällt der Fahrstuhl aus, ist kein barrierefreier Zugang möglich, Besprechungs- und Sozialräume sind Fehlanzeige, dienstliche Treffen nur in den Wartezonen möglich, während die Pausenbrote am Arbeitsplatz verspeist werden müssen.
Es wird händeringend nach Alternativen gesucht
Die Liste der Mängel ist so lang, wie die der baulichen Alternativen kurz ist: Die städtische Immobilienwirtschaft sucht händeringend nach Immobilien, die geeignet sind, viele Tausend Besucher pro Jahr zu bewältigen und gleichzeitig Ansprüche an ein modernes wie repräsentatives Gebäude der Stadtverwaltung zu erfüllen. Auch ein Neubau wurde bereits in Betracht gezogen, die Bedarfspläne liegen griffbereit in der Amtsschublade.
Keine Alternative für die Stadt als auch die Ratsmehrheit ist indes der jüngste Vorschlag von SPD und FDP, das Ausländeramt und die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) nach Möglichkeit in dem Polizeipräsidium an der Büscherstraße unterzubringen, wenn die Landesbehörde ihren geplanten Auszug über die Bühne gebracht haben sollte. Entsprechende politische Anträge wurden in dieser Woche in gleich zwei Ausschüssen abgelehnt. Zu viele, insbesondere zeitliche Unwägbarkeiten sprächen gegen solche Pläne, hieß die Begründung.
Die Zeit drängt: Das Dienstgebäude Schederhofstraße 45 kann zum 31. Mai des kommenden Jahres gekündigt werden, um das Mietverhältnis ein Jahr später tatsächlich enden zu lassen. Dass dieses Recht nicht nur der Stadt, sondern auch dem Eigentümer zusteht, macht die Sache kaum sicherer. Als gäbe es nicht schon genug Probleme: Nach mehr als 20 Jahren an dem Standort sieht sich die Ausländerbehörde zusätzlich mit dem Risiko einer Kündigung konfrontiert.