Essen. Mit einem Appell weist ein breites Bündnis auf die Missstände im Essener Ausländeramt hin. Betroffene berichten, was ihnen dort passiert.

Die Missstände sind lang bekannt, Fortschritte nur graduell: Seit Jahren macht die Essener Ausländerbehörde Schlagzeilen, weil sie telefonisch kaum erreichbar ist, Mails unbeantwortet und Anträge unbearbeitet bleiben. Wer auf einen Termin hofft, muss schon mal ein Jahr Wartezeit einkalkulieren. Nun wendet sich ein breites Bündnis von Initiativen mit einem Appell an die Stadt: „Und diesmal sind die Betroffenen mit dabei“, freut sich Achim Gerhard-Kemper von Pro Asyl/Flüchtlingsrat. Stellvertretend für sie melden sich Migrantenvereine, Selbsthilfegruppen oder Mitglieder des Integrationsrates zu Wort – denn die Klienten selbst haben meist Angst, sich kritisch über das Ausländeramt zu äußern.

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Safwat Raslan erinnert sich noch ziemlich gut an diese Angst und die schlaflosen Nächte, die er vor einem Termin in der Essener Ausländerbehörde hatte: „Und wenn ich da war, habe ich immer gefürchtet, etwas Falsches zu sagen, das mir schaden könnte.“ Die Sorge plagt den Syrer, der im Jahr 2015 nach Essen kam nun nicht mehr: Seit einem Monat hat er die deutsche Staatsangehörigkeit und auch seine Frau und die drei Kinder sind eingebürgert. Über ein Jahr habe allein die Einbürgerung gedauert, das gehe andernorts schneller. Er kenne Syrer, die nach Mülheim oder Remscheid umgezogen sind, weil sie so schneller zum deutschen Pass kamen.

„In Bearbeitung“ heiße: „In der Schublade“

Dass das an einer besonders gründlichen Prüfung der Essener Behörde liege, bezweifelt Raslan: „Wann immer man nach einem Antrag fragte, hieß es dort ,Das liegt in der Bearbeitung.’ – und das hieß nur: Das liegt in der Schublade.“ Schlimme Unfreundlichkeit habe er nie erlebt, wohl auch, weil er die Sprache bald fließend beherrschte: „Wer kaum oder kein Deutsch spricht, hat es schwerer.“ Das habe er bemerkt, als er selbst Landsleute zum Ausländeramt begleitete.

Forderungen sollen dem Dezernenten übergeben werden

Der Appell zu den anhaltenden Missständen in der Essener Ausländeramt soll am Freitag, 3. September, um 16 Uhr auf dem Rathausvorplatz der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Initiatoren hoffen, dass der für die Behörde zuständige Ordnungsdezernent Christian Kromberg das Papier entgegennimmt.

Um 17 Uhr tagt im Rathaus auf Einladung Krombergs ein Interfraktioneller Arbeitskreis zum Thema, an dem auch Pro Asyl teilnehmen wird. Die Flüchtlingsorganisation wird die Forderungen nach rascherer Terminvergabe, telefonischer Erreichbarkeit des Amts oder zeitnaher Bearbeitung von Anträgen unterstreichen.

Auch so sind seine Erinnerungen an die Behörde nachhaltig schlecht: Selbst seine älteren Kinder, die bei der Ankunft in Essen fünf und sieben Jahre alt waren, erinnern sich: „Die hassen die Ausländerbehörde, die mussten das im Winter anderthalb Stunden in der Kälte vor dem Gebäude warten.“ Raslan spricht nicht von Hass, er hat sogar Verständnis für die oft völlig überlasteten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Doch das führe mitunter zu einem harschen Ton am Telefon, wenn man dort nach einem Termin frage.

„Früher hat man erstmal anderthalb Stunden in der Warteschleife verbracht, das dauert nun nur noch 25 bis 30 Minuten“, sagt Feli Püttmann von Empowerment für Ausländerinnen und Ausländer (EvA), einer im Vielrespektzentrum verankerten Initiative. Sie hat einen jungen Mann erlebt, der krankheitsbedingt einen Termin absagen muss, auf den er ein Jahr gewartet hat: „Den Ersatztermin bekam er wieder vier Monate später.“

Verzögerungen bringen Menschen in existenzielle Not

Solche Verzögerungen brächten Flüchtlinge ebenso wie Menschen, die schon seit Jahrzehnten in Essen leben, immer wieder in existenzielle Nöte, sagt Inka Jatta von Pro Asyl: „Teils bekommen sie keine Leistungen, teils verlieren sie ihren Job, weil die Arbeitserlaubnis nicht rechtzeitig verlängert wird.“ Andere könnten nicht zum Begräbnis ihrer Mutter reisen, weil sie die Papiere nicht vorliegen. „Um solche Fälle zu besprechen, konnten wir früher die Sachbearbeiter gut telefonisch erreichen, auch das ist leider schwieriger geworden.“ Dabei sehe man sich als Vermittler zwischen Betroffenen und Behörde.

Doch dafür, so steht es nun im Appell, der am Freitag (3. 9.) vor dem Rathaus vorgestellt wird, müsse sich die Erreichbarkeit der Behörde endlich verbessern, müssten Termine zeitnah vergeben und Anträge rascher bearbeitet werden. Auch sei es nicht hinnehmbar, dass Aufenthaltserlaubnisse auf Papier ausgestellt, statt elektronisch gespeichert würden: Die Zettelwirtschaft müsse ein Ende haben. Und einen weniger rauen Umgangston – Stichwort Willkommenskultur – wünsche man sich auch.

Viele Erstunterzeichner unterstützen den Appell

Der Appell zu anhaltenden Missständen in der Essener Ausländerbehörde hat eine beeindruckende Zahl von Erstunterzeichnern: Vereine, Initiativen, Runde Tische, Selbsthilfegruppen und Gremien.

African Ivory Essen e.V., Antirassismustelefon Essen e.V., AStA der Universität Duisburg-Essen (UDE), Aufstehen gegen Rassismus!, Awo-Beratungszentrum Lore-Agnes-Haus, Beirat für Flüchtlinge und Migration im Kirchenkreis Essen (Pfarrerin Dagmar Kunellis), Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen, Deutsch-Kurdischer Solidaritätsverein e.V., Ehrenamt Agentur Essen e.V., Integrationsrat Essen (Jelena Ivanovic/Grüne Internationale Liste; AED/Hr. Kekec und Hr. Balaban; Civan Akbulut/Die Linke/ Internationale Liste; Essener Migranten-Bündnis/Mohammed Masri); Interkulturelle Assistenz e. V.; Iranischer Frauenverein Parto e.V., Iranischer Kulturverein Negah e.V., Iranisches Netzwerk Essen KD 11/13 gGmbH, Kettwig hilft e.V., Kultursensible Versorgung mitempathie e.V., Libanesischer Zedernverein e.V., Weiglehaus (M. Schmidt und R. Zwick), Medinetz Essen e.V., Nedaye Afghan, (afghanische Selbsthilfegruppe), Ortsgruppe Fridays for Future, Plan B Ruhr e.V., ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e.V., Runder Tisch Bergerhausen, Runder Tisch Holsterhausen, Seebrücke Essen, Selbsthilfegruppe iranische und afghanische Frauen mit Trauma, Somali Ostafrika e.V., Studierendenparlament der UDE, Syrische Kultur und Integration e. V., Tisch der Tische (Jörg Stadler), Vielrespektstiftung (Christoph Zeckra), Vielrespektzentrum/ EvA, Viertelimpuls e.V., Werden hilft e.V.