Essen. In der Krise haben viele immer weniger Geld zur Verfügung. Pfandleihhäuser haben mehr zu tun – auch in Essen. Wie das Geschäft funktioniert.

  • Pfandleiherinnen und Pfandleiher verzeichnen eine gestiegene Nachfrage
  • Im Essener Pfandhaus „Friedrich Werdier KG“ glaubt man, dass in den kommenden Wochen und Monaten noch mehr los sein wird
  • Wie das Prinzip von Pfand- und Leihhäusern funktioniert, lesen Sie in diesem Artikel

Pfand- und Leihhäuser erfahren aktuell eine gestiegene Nachfrage. Die Energiekrise samt höheren Preisen allerorts bereitet Menschen zusehends Probleme. „Es ist mehr geworden“, sagt Wiebke Feuser. Sie betreibt in fünfter Generation das Pfandhaus „Friedrich Werdier KG“, mit einer Niederlassung an der Hindenburgstraße in Essen. Seit 1906 gebe es den Betrieb, erzählt sie.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen]

Es darf davon ausgegangen werden, dass Leihhäuser in den kommenden Wochen und Monaten noch deutlich stärker frequentiert werden – nicht nur in Essen. Feuser sagt: „Uns erreichen Entwicklungen meist drei bis sechs Monate zeitverzögert.“ Und da derzeit beispielsweise Preiserhöhungen für Strom und Gas per Post in Tausenden Briefkästen landen, kann man sich vorstellen, dass um Weihnachten in Pfandhäusern deutlich mehr los sein wird. Von einem „Run“ spricht Feuser aktuell noch nicht.

Leihhäuser: Kunden schütten dem Personal das Herz aus

  • Unsere Lokalredaktion Essen sammelt Energierechnungen für die weitere Berichterstattung. Zu den Details.

Doch schon jetzt beobachtet sie, dass viele wegen der gestiegenen Energiekosten zur Hindenburgstraße 21 kommen. „Wir haben Kunden, die uns das Herz ausschütten“, erzählt sie. Sie berichtet von Stammkunden von vor fünf Jahren, die seitdem nicht mehr aufgetaucht seien, jetzt aber wieder vorbeikämen. Das seien Rentner, die am 25. des Monats durch die Dienstleistung des Leihhauses den Restmonat überbrücken wollen, aber auch Studenten, Migranten und Selbstständige.

Wiebke Feuser, Inhaberin der „Friedrich Werdier KG“, berichtet, dass in Leihhäusern mehr los ist.
Wiebke Feuser, Inhaberin der „Friedrich Werdier KG“, berichtet, dass in Leihhäusern mehr los ist. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Unter Letzteren, so Feusers Beobachtung, seien viele Handwerker. „Die sind zwar ausgelastet“, sagt sie. „Aber deren Kunden zahlen nicht. Die Zahlungsmoral ist gering.“ Deswegen suchten sie Leihhäuser wie ihres auf, um weiter Gehälter und laufende Kosten zahlen zu können. Das könnten Kleinstbeträge sein, aber auch Summen von 50.000 Euro. Der Vorteil von Pfandhäusern sei: „Wir zahlen hier und jetzt aus. Ein Besuch bei uns dauert mal fünf, mal 20 Minuten, längstens 30 Minuten.“ Das Angebot funktioniere ohne gefürchteten Schufa-Eintrag, und „hinterlässt keine Spuren“.

Auch interessant

Feuser sagt trotzdem: „Wir leben nicht von dem Elend der Leute. Wir müssen das umdrehen.“ Menschen in einer schwierigen Lage könnten sich durch das Angebot etwas Luft verschaffen. Sie berichtet davon, dass 95 bis 96 Prozent der gegen Geld eingetauschten Dinge auch wieder ausgelöst würden. Welche Gegenstände bringen Menschen in Leih- und Pfandhäuser, um diese gegen Geld einzutauschen?

Vor allem Gold wird in Leihhäusern eingetauscht

Wiebke Feuser antwortet auf diese Frage: „In der Hauptsache ist das Gold, vor allem Schmuck.“ Gold ist für viele eine Geldanlage. „Natürlich beleihen wir auch andere Gegenstände. Nach der Pfandleihverordnung dürfen wir alles Bewegliche beleihen – aber nichts Lebendiges!“ Vorwiegend gehörten aktuelle Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und auch E-Scooter und E-Bikes zum Repertoire. Dafür werde heutzutage sehr viel Geld ausgegeben. „Wer in den jüngeren Generationen investiert noch in Goldschmuck?“, fragt sie rhetorisch.

Wer Gegenstände beleihen möchte, bringt den oder die Gegenstände zu einem Leihhaus. Dort, so berichtet Feuser, wird zunächst überprüft, was Schmuck, Smartphone und Co. überhaupt wert seien. Bei Schmuck würde die Echtheit überprüft, der Goldgehalt, die jeweilige Legierung. „Bei uns arbeiten auch Diamantengutachter“, so Feuser.

Beleiht man einen Gegenstand, so erhält man den ermittelten Wert in bar sowie einen Pfandschein zur Wiederabholung. Dann hat man drei Monate Zeit, den Wertgegenstand gegen den entsprechenden Betrag wieder auszulösen – oder man verlängert die Laufzeit. Falls das nicht geschieht, wird der Gegenstand versteigert – aber erst nach vier Monaten.

Werden Gegenstände unter Wert geschätzt, damit das Leihhaus größeren Umsatz bei Versteigerungen machen kann? Wiebke Feuser verneint das, sie sagt: „Wir leben wie eine Bank von Zinsen und Gebühren.“ Die Zinsen lägen bei einem Prozent, die Gebühren bei drei Prozent. Etwaige Gewinne, die bei Versteigerungen entstehen könnten, ständen den Kunden zu – gegen Vorlage des Original-Pfandscheins.

INFO: Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes

  • 1950 wurde dieser Verband gegründet. Deutschlandweit gibt es nach dessen Angaben 250 Mitgliedsbetriebe, die jährlich mehr als 630 Millionen Euro an Krediten auszahlen würden.
  • Aufsichtsbehörden der Mitgliedsbetriebe sind die Kommunen – in Essen das hiesige Ordnungsamt.