Essen. Wenn alles Mögliche teurer wird, muss gespart werden. Aber auch beim Trinkgeld? Essener Wirte berichten über alarmierende Anzeichen.

Die Gaspreise explodieren, die Tankrechnungen schmerzen und die Inflationsrate klettert. Sparen ist angesagt – und das offenbar auch beim Restaurantbesuch. Denn es mehren sich in letzter Zeit die Anzeichen, dass auch in Essen das Trinkgeld nicht mehr so locker sitzt wie vor der Krise. Eine Stichprobe bestätigt diesen Trend.

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„Die Menschen spüren das Klima der Unsicherheit und sind zunehmend zurückhaltend“, sagt Lars Becker, Inhaber des Restaurants „Löwe am Kopstadtplatz“. Von Kellnerinnen und Kellnern habe er die Rückmeldung erhalten, dass Besucher beim Trinkgeld sparen würden. „Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs sind die Trinkgelder stark eingebrochen“, fügt Becker hinzu.

Ganz anders sei die Lage noch im vergangenen Jahr unmittelbar nach der Wiedereröffnung und vorangegangenem Corona-Lockdown gewesen. Da seien die Menschen sehr großzügig gewesen, das Trinkgeld sei damals spürbar in die Höhe gegangen.

Essener Dehoga-Sprecher: „Einige geben 50 Cent weniger, andere einen Euro mehr“

Moritz Mintrop, Inhaber zweier Hotel-, Restaurant- und Tagungsbetriebe in Burgaltendorf und auf der Margarethenhöhe, hat bislang hingegen noch keinen eindeutigen Trend feststellen können. „Einige Kunden geben 50 Cent weniger, andere einen Euro mehr“, sagt der Gastronom, der in Essen auch Dehoga-Vorsitzender (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) ist. In seinen Betrieben gebe es feste Abmachungen unter den Beschäftigten, wie das Trinkgeld aufgeteilt wird. Personal, das die Hotelzimmer in Ordnung hält oder in der Küche am Herd steht, soll ebenso in den Genuss von Trinkgeld kommen wie der Kellner oder die Kellnerin am Tisch. „Die Kolleginnen und Kollegen teilen es unter sich auf“, so Mintrop.

Thomas Stolle ist Inhaber des Restaurants „Kiepenkerl zu Essen“ in unmittelbarer Nähe des Handelshofes in der Innenstadt. Auch er hat in den letzten 14 Tagen eine eindeutige Rückmeldung des Servicepersonals erhalten: „Das Trinkgeld fällt geringer aus.“ Das gelte nicht nur an Tischen, an denen beispielsweise ein Pärchen zu Gast ist. Selbst bei größeren Gruppen mit beispielsweise 30 bis 40 Mitarbeitern einer Firma falle das Trinkgeld schon mal komplett aus. Denn die Unternehmen würden den reinen Rechnungsbetrag begleichen - also ohne Trinkgeld-Bonus. Manche würden einfach nicht dran denken, andere hielten sich absichtlich zurück.

Trinkgeld ist ein wichtiger Zusatzverdienst zum monatlichen Lohn

Der Kiepenkerl-Patron macht kein Hehl daraus, dass das Trinkgeld eine wichtige Einnahmequelle für sein Personal darstellt. „Es ist ein zusätzlicher Verdienst zum Monatslohn.“ In seinem Restaurant werde daher penibel darauf geachtet, dass das Trinkgeld unter der gesamten Belegschaft fair aufgeteilt werde. Das Küchenteam müsse ebenso zum Zuge kommen wie die Servicekräfte, die am Tisch bedienen. „Es hat noch nie Beschwerden gegeben“, fügt Stolle hinzu.

Die alte Faustregel, wonach ein angemessenes Trinkgeld bei zehn Prozent des Rechnungsbetrages liege, gilt aus Sicht von Lars Becker vom „Löwen“ schon lange nicht mehr. „Von zehn Prozent sind wir weit entfernt“, so der Gastwirt. Aufgrund der zentralen Lage seines Geschäfts nicht weit vom Kennedyplatz entfernt kennt Becker auch die Trinkgeldgewohnheiten ausländischer Touristen. Während Italiener eher gar kein Trinkgeld gäben, würden Niederländer überwiegend im Euro-Bereich aufrunden - beispielsweise auf 78 Euro, wenn die Rechnung bei 77,20 liege. Bei Einheimischen sei alles möglich – „von gar nichts bis sehr großzügig“.

Für Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein, deutet alles auf einen allgemeinen Trend zur Konsumzurückhaltung hin, der wohl auch zu niedrigeren Trinkgeld-Zahlungen führen werde. Über belastbare Zahlen verfüge er allerdings nicht. Sein Appell an die Gäste: „Wer sich in der Gastronomie gut aufgehoben gefühlt hat, sollte über ein angemessenes Trinkgeld als Zeichen der Wertschätzung nachdenken.“