Essen. Sogar mit Scheinterminen versuchen die Behörden einen Fuß ins kriminelle Rotlicht-Milieu zu bekommen. Eine erste Bilanz beleuchtet die Arbeit.

Auf den ersten Blick scheint das Geschäft mit der käuflichen Liebe für eine Großstadt wie Essen ein vergleichsweise überschaubares Gewerbe zu sein: Dem Ordnungsamt sind 18 genehmigte Bordelle und Laufhäuser bekannt, dazu kommen zehn Prostitutionsfahrzeuge in Gestalt von Wohnwagen oder Wohnmobilen, die vor allem auf dem Straßenstrich an der Gladbecker Straße zu finden sind, sowie eine Vermittlung für sexuelle Dienstleistungen.

Doch wer das legale Rotlicht hinter sich lässt, und tiefer ins Milieu abtaucht, kann die dunklen Seiten eines nicht genehmigten Gewerbes fern aller rechtlichen wie sozialen Kontrollen hinter verschlossenen Türen zumindest annähernd erahnen.

Dabei mag eine beeindruckende Zahl helfen: Sage und schreibe 110 illegale Bordelle hat die Stadt nach eigenen Angaben in den vergangenen fünf Jahren nach intensiver Ermittlungsarbeit geschlossen. Viele davon seit Beginn der Corona-Pandemie, als der verordnete Lockdown mit seinem Verbot der körpernahen Dienstleistungen die Frauen scharenweise in die Gesetz- wie Schutzlosigkeit trieb, um weiterhin ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.

Dienste in Wohnungen und Ferien-Appartements angeboten

„Aus existenzieller Not“, heißt es in einem Bericht des Ordnungsamtes, das einen aktuellen Blick auf die Arbeit der Behörde seit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes im Jahr 2017 wirft, „haben viele Sexarbeiterinnen ihre Dienste illegal in Wohnungen oder Ferien-Appartements angeboten.“

Ihnen sei man nur durch intensive Recherchen im Internet und über von Amts wegen verabredete Scheintermine auf die Schliche gekommen, was ein sehr zeitaufwendiges Unterfangen gewesen sei. Bis zu 500 Frauen täglich haben allein in Essen online um Freier geworben, heißt es.

Wie sich herausstellte, stammten viele dieser Prostituierten aus Osteuropa, die sich nicht bei den Behörden angemeldet hatten, um ihrem Gewerbe nachzugehen. Was keine überraschend neue Erkenntnis ist: Von den rund 1200 Sexarbeiterinnen und -arbeitern, die nach Schätzungen von Polizei und Finanzamt in Essen ihre Dienste anbieten, haben sich in dem Jahr nach Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes 460 vorschriftsmäßig registrieren lassen. In den beiden ersten Jahren der Corona-Pandemie waren es jeweils nur noch etwas mehr als 80.

Das Virus hat auch die Anmeldeprozesse lahmgelegt

Das Virus habe selbst die Anmeldeprozesse erheblich beeinträchtigt, weil es auf den Ämtern nur sehr eingeschränkten oder gar keinen Publikumsverkehr mehr gegeben habe. Es sei davon auszugehen, heißt es im Ordnungsamt, dass das ein Hauptgrund für die niedrigen Fallzahlen sei und die Anmeldungen wie auch die Beratungen im Gesundheitsamt nach dem Ende der pandemischen Lage wieder zulegen.

Vor zwei Jahren ist die Kontrollbehörde neuen Machenschaften zum Nachteil der Frauen auf die Spur gekommen: Als erstmals im großen Stil Asia-Massage-Läden in Essen kontrolliert wurden, stießen die Ermittler in über 90 Prozent der Verdachtsfälle auf illegale Betriebe, in denen rund 100 Asiatinnen anschaffen mussten.

Nachts schliefen sie in den getarnten Etablissements, tagsüber gingen sie ihrer Arbeit als Masseurinnen nach. Der deutschen Sprache waren sie nicht mächtig. Da sie sich zudem illegal in Deutschland aufhielten, stand der Verdacht des Menschenhandels oder der Zwangsprostitution im Raum, die Polizei ermittelte - meist allerdings nicht allzu erfolgreich.

Die Frauen tauchen weiter in die Illegalität ab

Die Sexarbeiterinnen selbst machen in der Regel keinerlei Angaben, und den Unbekannten, die die einschlägigen Wohnungen angemietet haben, ist in den seltensten Fällen beizukommen, was für Straf- wie Bußgeldverfahren gleichermaßen gilt.

Wer so ungeschoren davonkommt, meldet seinen Betrieb erfahrungsgemäß ab und eröffnet einen neuen mit neuer Geschäftsführung und unter neuem Namen. „So fällt es häufig schwer, begonnene Ermittlungsarbeiten abzuschließen zu können“, heißt es in dem Ordnungsamtsbericht. Viele der aufgeflogenen asiatischen Frauen tauchten ihrerseits wieder in die Illegalität ab, um unter einem anderen Pseudonym sowie in einer anderen Stadt erneut ihre Dienste anzubieten - Freiern wie Schleppern schutzlos ausgeliefert.

Im Ordnungs- wie im Gesundheitsamt sind diese Konsequenzen bekannt: „Der Rückzug in den verborgenen und zum Teil illegalen Bereich bedeutet für Sexarbeitende, gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt zu sein, fördert die soziale Isolation sowie die Abhängigkeit und Kontrolle von Zuhältern. Diese Situation erschwert bei Notlagen die Kontaktaufnahme zu Hilfestrukturen und der Polizei“, lautet ein alarmierendes Fazit des Berichts.