Essen. Weil sie monatelang auf Termine für praktische Prüfungen warten, sind Essens Fahrschüler verärgert. Viele müssen zusätzliche Fahrstunden nehmen.

Fahrschüler in Essen brauchen aktuell viel Geduld: Zwei Monate und länger müssen sie auf Termine für die praktische Prüfung warten. Ihr Ärger entlädt sich bei den Fahrschulen, doch die verweisen auf den TÜV: „Die haben offensichtlich versäumt, rechtzeitig neue Leute einzustellen“, ärgert sich Reinhard Iserloh, der im Fahrlehrerverband Nordrhein für den Bezirk Essen zuständig ist. Seit Jahren biete der TÜV Nord zu wenig Prüfungstermine, und die Lage habe sich nicht verbessert – im Gegenteil: „Es ist eine Katastrophe.“

Fahrschulen in Essen ärgern sich über den TÜV Nord

„Wir sind der Prellbock, bekommen den Unmut der Schüler zu hören“, sagt Reinhard Iserloh, Inhaber einer Essener Fahrschule und im Fahrlehrerverband Nordrhein für den Bezirk Essen zuständig.
„Wir sind der Prellbock, bekommen den Unmut der Schüler zu hören“, sagt Reinhard Iserloh, Inhaber einer Essener Fahrschule und im Fahrlehrerverband Nordrhein für den Bezirk Essen zuständig. © RI

Jungen Leuten, die sich bei ihren Fahrschulen über die lange Wartezeit beschweren, drücken die schon mal ein Schreiben des TÜV Nord vom Juni 2022 in die Hand: Darin ist von einer Verschiebung der Termine bei praktischen Prüfungen von „mehr als acht Wochen“ die Rede. Begründet wird dies unter anderem mit einem „erhöhten Krankenstand“ und dem „außerplanmäßigen Ausscheiden von Mitarbeitern“; neue Kräfte seien nicht kurzfristig einsatzfähig. Der TÜV verweist auch auf einige Gegenmaßnahmen, die man ergriffen habe, und spricht von einer „unerwartet hohen Nachfrage von Prüfungsplätzen“.

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Erik Losacker von der gleichnamigen Fahrschule kann das nicht bestätigen: „Wir haben aktuell nicht mehr Fahrschüler als sonst, die Zahl ist seit Jahren etwa gleichbleibend. Nur bekommen wir vom TÜV viel zu wenig Termine.“ Wenn er 30 Prüfungstermine benötige, erhalte er oft nur fünf. Mit der Folge, dass die Warteliste der Fahrschule wächst: „Bei uns sind so 60, 70 Fahrschüler in der Warteschleife. Und so geht es allen Fahrschulen.“

Lange Wartezeiten bedeuten auch höhere Kosten für Fahrschüler

Bisweilen lägen drei, vier Monate zwischen der letzten Fahrstunde und der praktischen Prüfung, sagt Erik Losacker. Dann kämen die Schüler wieder aus der Übung – es sei denn, sie nähmen durchgehend bis zum Prüftermin Fahrstunden. „Wer aufs Geld achten muss, will natürlich nicht noch wochenlang weitere Stunden nehmen.“ Andere buchten ein paar kurzfristige Extrastunden, sobald sie endlich einen Termin haben, sagt Iserloh, der „Reinhards Fahrschule“ betreibt. „Auch das verursacht ungeplante Kosten. Und wir sind der Prellbock, bekommen den Unmut der Schüler zu hören.“

In krassen Fällen könne es passieren, dass diese auch die Theorie wiederholen müssen, ebenfalls kostenpflichtig. „Die Gültigkeit der theoretischen Prüfung läuft nach einem Jahr aus“, bestätigt der TÜV Nord auf Anfrage. Immerhin gebe es hier keine Terminprobleme. Bei der praktischen Prüfung seien etwa achtwöchige Wartezeiten dagegen noch immer „unausweichlich“. Das liege vor allem an „der hochansteckenden Corona-Variante“, die einen hohen Krankenstand verursache.

Fahrprüfer brauchen Studium plus Ausbildung

Fahrlehrer Erik Losacker von der Fahrschule Losacker mit Standorten in Essen-Stoppenberg und Frillendorf ärgert sich, dass der TÜV Nord seine Personalprobleme auch nach Jahren nicht in den Griff bekomme. „Es gibt sogar Fahrlehrer, die anbieten, sich zum Prüfer umschulen zu lassen.“

Das allerdings sei so nicht möglich, sagt Pressesprecher Claas Alexander Stroh vom TÜV Nord: „Eine Umschulung von Fahrlehrern und Fahrlehrerinnen gibt es nicht.“ Vielmehr sei die Ausbildung relativ aufwendig: Voraussetzung sei ein Studium im Umfeld Kraftfahrzeugtechnik. Nach dem Studienabschluss folge noch eine zweijährige Ausbildung zum amtlich anerkannten Prüfer bei der technischen Prüfstelle. „Erst dann kann jemand als Fahrerlaubnisprüfer/in eingesetzt werden.“

Allerdings sagten krankheitsbedingt auch zahlreiche Fahrschüler und Fahrschülerinnen kurzfristig ihre Prüftermine ab: „Diese frei gewordenen Termine werden aber bedauerlicherweise nur in wenigen Fällen von den Fahrschulen neu besetzt“, sagt TÜV-Pressesprecher Claas Alexander Stroh. „Hier wünschen wir uns als TÜV Nord von den Fahrschulen etwas mehr Flexibilität.“ Sie seien es, die die vom TÜV erhaltenen Zeitkontingente auf ihre Prüflinge aufteilen müssten.

TÜV Nord holt Fahrprüfer aus dem Ruhestand zurück

Mangelnde Flexibilität möchten sich die Fahrschulen nicht vorwerfen lassen: Man halte das TÜV-Portal ständig im Auge, sagt etwa Erik Losacker. „Und wenn mal ein Termin frei wird, schiebe ich da sofort einen Fahrschüler rein, der schon länger wartet“, erklärt Reinhard Iserloh. Der Vorstand des Fahrlehrerverbandes führe bereits Krisengespräche mit dem TÜV NORD, der ein Monopol auf die Abnahme der Prüfungen hat. Schließlich kämpfe der seit einigen Jahren mit Personalproblemen, die sich auf die Fahrschüler in der gesamten Region auswirkten.

TÜV-Sprecher Stroh verweist unterdessen darauf, dass man bereits neue Fachkräfte rekrutiert und ein Bündel kurzfristiger Maßnahmen ergriffen habe, um den Terminstau abzuarbeiten: So ziehe man Kräfte aus anderen Arbeitsbereichen heran und reaktiviere Ruheständler. Auch gebe es regelmäßige Samstagsdienste, die von den Fahrschulen gut angenommen würden. In Absprache mit dem Betriebsrat verlegten Fahrprüfer außerdem ihre Urlaube oder leisteten Mehrarbeit.

Dass die Arbeitsbelastung bei den Fahrprüfern hoch ist, bestreitet auch Reinhard Iserloh nicht: „Einige sind so unzufrieden, dass sie den TÜV verlassen.“