Essen. Fahrschulen in Essen beklagen, dass es zu wenige Prüftermine gibt. Die Wartelisten werden immer länger. Was der zuständige TÜV Nord dazu sagt.

Fahrschüler und Fahrschülerinnen müssen derzeit viel Geduld aufbringen. Denn sie warten oft wochenlang auf ihre Fahrprüfung. Die Stimmung in den Fahrschulen schwankt zwischen Wut und Verzweiflung. Grund: Sie bekommen beim zuständigen TÜV Nord nicht genügend Plätze für die praktische Prüfung.

Reinhard Iserloh, Inhaber von Reinhards Fahrschule, ist gleichzeitig im Fahrlehrerverband Nordrhein für den Bezirk Essen zuständig. Er spricht von zwei bis drei Wochen Rückstand, die in vielen Fahrschulen bereits aufgelaufen sind. „Und das Problem fängt jetzt erst an“, glaubt er. Denn die Fahrschulen erlebten gerade einen regen Zulauf an Fahrschülern. „Wir arbeiten alle am Limit“, meint Iserloh. Bis März konnten die Fahrschulen wegen Corona nur eingeschränkt ausbilden. Jetzt gibt es offensichtlich einen großen Nachholbedarf.

TÜV Nord räumt ein: Schwierige Terminsituation

Diese Welle überrollt auch den TÜV Nord. Er ist dem Ansturm nicht gewachsen. „Tatsächlich ist es so, dass sich die Terminsituation in Sachen Fahrerlaubnisprüfung derzeit als schwierig darstellt“, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage.

Wie das in der Praxis aussieht, schildert Thomas Kessler von der gleichnamigen Fahrschule in Gelsenkirchen, die auch Standorte in Essen hat. 60 Fahrschüler warten derzeit auf einen Termin für die praktische Prüfung. Ende April hatte Kessler sechs Prüfungstage ab Mitte Mai angemeldet. Bestätigt wurde ihm ein einziger: der 7. Juni. Und dieser Termin kam auch nur auf „ultimativen Druck“ zustande, wie Kessler betont. Pro Tag und Prüfer können acht Schüler die Fahrprüfung ablegen. Kesslers Warteliste dürfte damit in den kommenden Wochen also nicht kürzer werden. Im Gegenteil.

Fahrprüfungen dauern jetzt länger

Auch Änderungen der Prüfpraxis führen seit Jahresbeginn dazu, dass die Fahrprüfungen länger dauern und somit weniger Prüflinge pro Tag an die Reihe kommen.

Hinter dem Begriff „Optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung“ verbirgt sich Folgendes: Statt wie bisher mit einem Stift und Zettel sitzt der Fahrprüfer seither mit einem Tablet-Computer neben dem Fahrschüler und füllt ein standardisiertes digitales Protokoll aus. Am Ende gibt es ein detailliertes Ergebnis mit der Einschätzung des Fahrkönnens. In einem Gespräch reflektiert der Prüfer die Fahrleistung mit dem Schüler

All das führt dazu, dass die Fahrprüfung länger dauert: statt 45 Minuten nun 55. Statt vorher zehn schafft ein Prüfer damit nur noch acht Prüfungen am Tag.

Thomas Kessler kann zwar verstehen, dass Corona die Situation momentan nicht einfacher macht. „Aber die Fahrschüler kommen zu mir und beschweren sich“, sagt er. Außerdem gebe es das Problem beim TÜV Nord nicht erst jetzt. Schon in der Vergangenheit habe es ähnliche Zustände gegeben. „Das Problem ist, dass der TÜV zu wenig Personal hat“, glaubt Kessler.

Fahrschulen monieren: TÜV hat zu wenig Personal

Das sieht auch Reinhard Iserloh so. Allerdings haben die Fahrschulen kein Druckmittel. Sie sind abhängig vom TÜV Nord, der alleinig als Prüforganisation für die Abnahme der Fahrprüfungen zuständig ist. Deswegen spricht auch nicht jeder Fahrlehrer gern offen über die derzeitigen Probleme. Das Monopol des TÜV will Iserloh gar nicht anfechten, „aber er muss dann auch seiner Tätigkeit nachkommen und mehr Personal stellen“, fordert er.

Auch Fahrlehrer Dirk Skubsch kann im Moment seine Fahrschüler nur vertrösten. „Die Schüler sind die Leidtragenden“, meint er. Je mehr Zeit zwischen den letzten Fahrstunden und der Prüfung liegt, umso schwieriger werde es, die Prüfung erfolgreich zu bestehen. „Eigentlich müssten die Schüler weitere Fahrstunden nehmen. Aber das will natürlich keiner.“ Auch Skubsch fordert daher vom TÜV Nord: „Es muss eine Lösung her.“

TÜV Nord verspricht Verbesserungen

Der TÜV Nord wirbt unterdessen bei den Fahrschulen um Verständnis. Wie ein Sprecher darstellt, kommen im Moment mehrere Faktoren zusammen, die den Prüfern die Arbeit schwer machen. So seien aufgrund des Lockdown im Frühjahr noch Prüfungen nachzuholen. Hinzu kämen die vielen Feiertage im Mai und Juni.

Warum der Weg zum Führerschein nach dem Lockdown länger wird Außerdem müssten die Prüfer FFP2-Masken tragen, was wiederum aus Arbeitsschutzgründen zu zusätzlichen Pausen führe. Schließlich räumt der Sprecher ein, dass der aktuelle Krankenstand inklusive eventueller Quarantänezeiten „nicht dabei hilft, die Situation zu entschärfen“.

Er versicherte, dass der TÜV Nord bereits daran arbeite, die Lage zu verbessern. Unter anderem würden die täglichen Prüfungszeiten „massiv erhöht“ und Prüfer verstärkt auch an Samstagen tätig.

Tarifkonflikt mit Verdi wohl ausgestanden

Immerhin: An einer anderen Front dräut den Fahrschülern wohl kein Ungemach mehr. Ende April, Anfang Mai waren auch Prüftermine ausgefallen, weil die Gewerkschaft Verdi den TÜV Nord in der laufenden Tarifrunde an drei Tagen bestreikte. Die Tarifparteien haben sich mittlerweile auf ein Ergebnis geeinigt. Noch läuft zwar die Abstimmung unter den Verdi-Mitgliedern, ob sie dieses annehmen wollen. Doch Verdi-Sekretär Andreas Rech ist zuversichtlich: „Ich gehe eigentlich davon aus.“