Essen. Berufsorientierung zwischen Bühnenbildern und Kulissenteilen: Essens Theater und Philharmonie will Schüler für kreative Handwerksberufe gewinnen
Der Essener Norden gilt nicht unbedingt als Zentrum der Kreativ- und Medienbranche. Wer aber die Werkstätten der Essener Theater und Philharmonie in Vogelheim besucht, ändert seine Meinung rasch. In den riesigen Sälen an der Hafenstraße entstehen die Bühnenbilder für alle aktuellen Produktionen von Schauspiel, Aalto-Oper und Ballett. Jedes einzelne davon eine besondere Herausforderung für die Schlosser, Tischler und Maler, die in den Theaterwerkstätten beschäftigt sind.
Doch wie in allen Handwerksberufen fehlt auch hier der Nachwuchs. Die Talent-Metropole Ruhr hat zusammen mit der Essener Theater und Philharmonie (TuP) deshalb ein Pilotprojekt gestartet, das Schülern Einblick in die kreativen Handwerksberufe geben soll. Und zwar direkt vor Ort, im Norden. In dieser Woche gab es für die Stufen 9 und 10 der Gesamtschule Nord deshalb eine ungewöhnliche Berufsberatung zwischen riesigen Kulissenbildern und einem kunterbunten Requisiten-Fundus.
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Theaterberufe, das sind für die meisten im Klassenraum Schauspieler, Musiker und Tänzer. Dass die TuP auch Raumausstatter und Bühnenplastiker beschäftigt, hat sich nicht bei allen herumgesprochen. Schon bei der Einschätzung, wie viele Menschen bei der TuP denn wohl arbeiten, liegen die meisten falsch. 32, 40 oder 200? „Wir haben zur Zeit 750 Festangestellte“, klärt Anja Gad von der Personalabteilung auf. Rechne man die Gäste und freien Kräfte dazu, käme man sogar auf einen Personalstamm von 1000.
Manche Berufe sind schon vom Aussterben bedroht
Neben den noch halbwegs bekannten Gewerken wie Maskenbildner und Bühnenmaler finden sich an Theatern auch noch ziemlich exotische Berufszweige wie Requisiteur oder Rüstmeister. Manche Metiers seien schon fast vom Aussterben bedroht, erklärt Schauspiel-Intendant Christian Tombeil. Und auch die Trennung in Herren- und Damenschneider gebe es eigentlich nur noch an den deutschen Bühnen. Dabei „gehören Herrenschneider zu den gesuchtesten Berufen Deutschlands“, so Tombeil.
Aktuell werden bei der TuP 13 Azubis in elf verschiedenen Ausbildungsberufen beschäftigt, erklärt Gad. Die Zahl wolle man in den kommenden Jahren auf jeden Fall steigern. Denn die gesamte Veranstaltungsbranche sucht mittlerweile händeringend nach Mitarbeitern. An den Theatern werden in den kommenden Jahren schließlich nicht nur junge Menschen gebraucht, die „die alten Berufe“ lernen möchten. Die erste Fachkraft für Mediengestaltung wird bei der TuP mittlerweile ausgebildet. Auch im IT-Bereich werde man künftig aufstocken. „Wir werden auch digitaler“, sagt Theaterpädagogin Aline Bosselmann, die zusammen mit Marguerite Windblut das Pilotprojekt begleitet.
Zum Start gab es in dieser Woche einen Schnupper-Besuch in den Theaterwerkstätten, Anfang September sollen sich die Gesamtschülerinnen und -schüler auch in den einzelnen Häusern umschauen können und bei Interesse in den kommenden Monaten einen ganzen Tag in den jeweiligen Abteilungen verbringen können. Jocelyn Jähn interessiert sich für eine Schreiner-Ausbildung. Warum nicht am Theater, „wenn man da sogar noch mehr lernen kann“, so die Neuntklässlerin. Die Aufgaben seien eben sehr speziell, die Arbeit praktisch jeden Tag anders, wirbt Schauspiel-Intendant Christian Tombeil, und zum guten Schluss sogar auf der großen Bühne zu sehen.