Essen-Holsterhausen. Die gesperrte Abbiegerspur und die Stadtterrassen in Essen-Holsterhausen sorgen für Diskussionen. Was die Menschen vor Ort sagen.

Essens Stadtteil Holsterhausen ist zum Labor geworden: Bis Ende September wird hier im öffentlichen Raum experimentiert. Das Ziel sind Maßnahmen, die den Verkehr im Stadtteil beruhigen, sicherer machen und die Aufenthaltsqualität erhöhen. Wie unterschiedlich die Ideen bei den Menschen vor Ort ankommen, zeigt eine Sprechstunde am Gemarkenplatz.

Hier ist die Rechtsabbiegerspur von der Holsterhauser auf die Kahrstraße testweise gesperrt, darauf stehen Sitzbänke, ein Tisch und ein Kübel mit Pflanzen. Gerade dieser Ort sorgt für Diskussionsstoff – viele können nicht verstehen, warum ausgerechnet hier an der vielbefahrenen Kreuzung eine der Stadtterrassen ihren Platz gefunden hat. Um über das Ziel des Projekts aufzuklären und Meinungen zu sammeln, stehen an diesem Nachmittag Björn Ahaus und Johanna Bartsch von der Grünen Hauptstadt Agentur auf der gesperrten Fahrspur.

Sprechstunde zu den Stadtterrassen am Gemarkenplatz in Holsterhausen

Sie müssen nicht lange warten, bis sie angesprochen werden – zum Beispiel von Thomas Lehner, der mit seiner Tochter und Familienhund Oskar vorbeikommt. „Ich finde die Idee ja toll, aber warum ausgerechnet hier?“, fragt er. „Hier ist es so laut, hier will doch niemand sitzen.“ Aus Sicht des Handwerkers ist die Stelle die falsche, entlang der Kahrstraße zum Beispiel könne er den Stadtterrassen durchaus etwas abgewinnen. „Gerade im Rahmen der Fahrradstraße ist es ein echter Zugewinn“, meint er im Gespräch mit Björn Ahaus.

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Ahaus ist Projektverantwortlicher für BeMoVe, die Abkürzung steht für den sperrigen Namen des Forschungsprojekts „Beteiligungsbasierte Transformation aktiver Mobilität für gesundheitsfördernde Stadt- und Verkehrsinfrastrukturen“. Mit dem Begriff „Reallabor für den Fuß- und Radverkehr“ arbeitet es sich schon einfacher – genau das ist in Holsterhausen entstanden. Ahaus und seine Kollegin machen in jedem Gespräch klar, dass es sich um eine Testphase handele, Ende September würden die Sitzgelegenheiten wieder abgebaut. Dann soll wissenschaftlich ausgewertet werden, ob und an welchen Standorten sie Sinn machen.

Gerade auf der gesperrten Rechtsabbiegerspur am Gemarkenplatz gehe es um mehr als den Faktor der Aufenthaltsqualität, sagt Ahaus: „Die Sperrung ist ein Ergebnis des Fußverkehrschecks.“ Der habe ergeben, dass an dieser Stelle viel für die Sicherheit im Fußverkehr getan werden könne. Anwohner und Sozialarbeiter Rainer Nebelsiek berichtet, dass er selbst schon einmal einen Autounfall auf einer solchen Rechtsabbiegerspur gehabt habe, daher begrüßt er die Sperrung.

Viele wünschen sich eine ansprechendere Gestaltung der Stadtterrassen

Nebelsiek wohnt einige Straßen entfernt und ist vorbeigekommen, um das Projekt zu befürworten. „Ich bin froh, dass etwas passiert und öffentlicher Raum für Fußgänger und Radfahrer zurückerobert wird“, sagt er. „Ich finde das Projekt gut, es wird viel zu viel für die Autos gemacht“, findet auch Passantin Anja Schaub.

Doch viele hier, sowohl Kritiker als auch Befürworter, bemängeln die Gestaltung der vorläufigen Stadtterrassen. „Die Sitzgelegenheiten müssen einfach einladender werden, damit die Menschen sich gerne hier aufhalten“, sagt Nebelsiek. So fragt sich auch Stephan Leinert, ob die Kreuzung am Gemarkenplatz der attraktivste Aufenthaltsort ist. Doch grundsätzlich freut er sich, dass sich in seinem Stadtteil etwas tut, es müsse nur noch anders gestaltet sein: „Die Sitzgelegenheit beim Fachgeschäft für Stadtwandel finde ich super und auch die Idee, an anderen Stellen mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen.“

Johanna Bartsch und Björn Ahaus (Grüne Hauptstadt Agentur) bieten auf der gesperrten Rechtsabbiegerspur am Gemarkenplatz in Holsterhausen eine Sprechstunde an und laden zum nächsten Workshop ein.
Johanna Bartsch und Björn Ahaus (Grüne Hauptstadt Agentur) bieten auf der gesperrten Rechtsabbiegerspur am Gemarkenplatz in Holsterhausen eine Sprechstunde an und laden zum nächsten Workshop ein. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Null Verständnis für das Projekt hat hingegen Anwohnerin Annegret von Trostorff-Schuster. Sie fürchtet, dass auf Dauer viel Müll liegen bleibe und ihre Mieter nachts durch laute Gruppen gestört werden, die sich auf den Bänken niederließen. Gemeinsam mit einer Nachbarin hat sie bereits eine Unterschriftenaktion gegen das Projekt gestartet. Beide beklagen, dass sie nicht einbezogen worden seien.

Dagegen will das Team der Grünen Hauptstadt Agentur an diesem Tag durch die Vor-Ort-Sprechstunde selbst und durch Werbung für den nächsten Workshop etwas tun. Beteiligungsformate hat es bereits mehrere gegeben, nun gibt es neue Termine für Veranstaltungen, bei denen alle Interessierten sich einbringen können. Welche Ideen sich durchsetzen, wird sich endgültig erst nach der Testphase und der wissenschaftlichen Auswertung im Herbst zeigen.

Die nächsten Termine

  • Im Rahmen des BeMoVe-Projekts gibt es weitere Termine, an denen Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen und Meinungen einbringen können.
  • Die nächste Sprechstunde zu den Stadtterrassen findet am Donnerstag, 25. August 2022, von 16 bis 18 Uhr am Markt, Gemarkenstraße 72 und 102, statt.
  • Einen weiteren Workshop gibt es am Donnerstag, 1. September 2022, von 18 bis 21 Uhr im Gemeindesaal St. Mariä-Empfängnis, Raffaelstraße 1. Die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist begrenzt, es wird daher um Anmeldungen per E-Mail an Be-MoVe@essen.de gebeten.