Essen-Katernberg. Als sich der Bürgerverein Essen-Beisen gründete, bestimmten Kohle und Stahl den Alltag. Darum treffen sich die Mitglieder heute noch regelmäßig.
Beisen, einst ein Flurstück zwischen Schonnebeck und Katernberg auf Essener sowie Rotthausen und Feldmark auf Gelsenkirchener Seite. Der Name kommt von Binsen und Disteln, die im Sumpf der Emscherniederung wuchsen. 1881 wurde der Bürgerverein Beisen gegründet, in diesem Jahr feierten die Mitglieder das 140-jährige Bestehen des Vereins – die Corona-Pandemie hat auch hier die Zeitrechnung ein wenig verschoben.
Bürgerverein feierte 140-Jähriges mit Stadtrundfahrt durch Essen
„Wir haben eine Stadtrundfahrt durch Essen gemacht“, erzählt der Vorsitzende, Georg Lantin, voller Begeisterung. Es sei toll gewesen, die Teilnehmer hätten Ecken entdeckt, die sie noch gar nicht kannten, obwohl sie schon ihr Leben lang in Essen wohnen: „Wer macht schon eine Stadtrundfahrt durch die eigene Stadt?“ Zum abschließenden Beisammensein, sei dann auch der ehemalige Vorsitzende Egon Giborzik gekommen, der den Bürgerverein fast 50 Jahre lang geleitet hatte, bis er sein Amt 2016 beendete.
Auch da war der Bürgerverein schon über 130 Jahre alt. Die Gründung 1881 fiel in eine Zeit, als Essen auf dem Weg zur Großstadt war und Kohle und Stahl begannen, den Alltag zu bestimmen. Rund um den dritten Förderturm der Zeche Zollverein tobte das Leben. Die Kohle hatte Hochkonjunktur, die Erben von Industriepionier Franz Haniel errichteten 1887 den ersten Tiefschacht auf Katernberger Gebiet. Und viele aus dem „Königreich Beisen“, wie die ehemalige Zechenkolonie in Katernberg noch heute liebevoll genannt wird, fanden beim Bürgerverein Geselligkeit und vor allem ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte. Man kümmerte sich – und tut das bis heute.
Bürgerverein Beisen besteht überwiegend aus Rentnern
„Am Anfang war es eher ein männlich dominierter Raucherclub“, weiß Georg Lantin, mittlerweile raucht kaum noch jemand und unter den 73 Mitgliedern finden sich auch viele Frauen. Die Zechen sind geschlossen, die Infrastruktur im Stadtteil hat gelitten. Ein Klischee, das an Bürgervereinen in der gesamten Stadt haftet, wird bestätigt: „Das Durchschnittsalter der Mitglieder ist eher hoch“, weiß Lantin, der selbst 70 Jahre alt ist. Die meisten seien Rentner, neue Mitglieder seien stets willkommen, aber schwierig zu gewinnen.
Die, die dabei sind, treffen sich einmal im Monat und tauschen sich aus. Lantin: „Geselligkeit und miteinander ins Gespräch kommen, das steht im Vordergrund.“ Diese Art des Austauschs sei in Zeiten von Facebook und Whatsapp schon fast unüblich. „Wenn ich in die Gesichter der Anwesenden schaue sehe ich, wie froh sie über die Gespräche sind“, erklärt der pensionierte Schulleiter.
Bürgerverein setzt sich für Belange der Menschen im Stadtteil ein
Doch auch die Belange der Menschen im Stadtteil verliert das Team des Bürgervereins nicht aus dem Blick. So setzten sie sich einst für die Errichtung des Bürgerzentrums Kontakt ein und kämpften in der Flüchtlingswelle 2015 beispielsweise für ein Waldstück an der Grundstraße und eine gerechte Aufteilung der Ankömmlinge im Stadtgebiet. Sie helfen beim Sauberzauber und beschäftigen sich mit Bauvorhaben im Stadtteil.
Lantin: „Die Tatsache, dass sowohl Mitglieder des Stadtrates als auch der Bezirksvertretung verschiedener Parteien Vereinsmitglieder waren und sind hilft, dass Wünsche und Probleme der Bürger meist auf kurzem Weg an die zuständigen Stellen der Stadt weitergeleitet und oft kurzfristig Lösungen gefunden werden.“ Vor wenigen Monaten setzten sich Vereinsmitglieder dafür ein, dass das Kunstwerk der Stützmauer an der Grundstraße aufgefrischt wird und auch die Verkehrssituation am dort ansässigen Kleingartenverein wollen sie mithilfe von weiteren Akteuren verbessern: „Die Bürger trauen sich nicht, ihre Kinder auf der Straße spielen zu lassen, obwohl es eine Spielstraße ist“, sagt Lantin.
Interessierte bei Vereinstreffen willkommen
Der Bürgerverein Beisen ist demokratisch, aber parteipolitisch neutral und konfessionell nicht gebunden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 30 Euro im Jahr. Die Mitglieder treffen sich jeden ersten Samstag im Monat bei Kaffee und Kuchen um 16 Uhr im Vereinsheim der TG Gold Weiß 1932 e.V., Feldmarkstr, 200, 45883 Gelsenkirchen. Interessierte sind willkommen.
Die Themen gehen also nicht aus und können erst jetzt wieder so richtig bearbeitet werden: Lange hatte die Corona-Pandemie die Vereinstätigkeiten gelähmt. Treffen sind jetzt wieder einfacher möglich und auch der Austausch mit anderen Essener Bürgervereinen nimmt wieder Fahrt auf. Denn auch das ist der Truppe aus dem Norden ein Anliegen: Nur, wer sich in Katernberg und Umgebung umschaue, könne sehen, dass es dort schön ist und die negative Vorurteile über den Essener Norden revidieren.