Essen. Antwort der Stadt an den Landesjugendring ist Selbstbeweihräucherung, so „Essen stellt sich quer“. Es sei eben nicht rechtzeitig reagiert worden.
Das Bündnis „Essen stellt sich quer“ (Essq) hat eine Antwort der Stadt Essen auf einen offenen Brief des Landesjugendrings nach rechter Hetze und Drohungen gegen eine Jugendgruppe im Steeler Grend als „Selbstbeweihräucherung“ kritisiert. „Dass die Stadt ‚rechtzeitig‘ auf die sogenannten Spaziergänge reagiert und eine Vielzahl an Aktionen organisiert habe, ist schlichtweg nicht wahr. Auch die Aussage, dass die ‚Steeler Jungs‘ durch Initiative der Essener Polizei ihre Versammlungen als solche anmelden mussten, lässt uns nur staunen“, sagt Essq-Sprecher Christian Baumann.
Erst als Gegenproteste organisiert wurden, seien auch die „Steeler Jungs“ angehalten worden, ihre wöchentlichen Versammlungen bei der Versammlungsstelle anzumelden. Davor sei die Truppe monatelang ohne jegliche Begleitung durch die Ordnungsbehörden uniformiert und klar als Demonstrationszug erkennbar durch den Stadtteil marschiert. „Jetzt so zu tun, als sei dies auf Initiative der Polizei geschehen, ist eine Frechheit“, macht Baumann deutlich.
Die Initiativen sind ein Tropfen auf den heißen Stein
Man vermisse „handfeste Aktionen gegen die neonazistischen Umtriebe“ in Essen-Steele. Die Initiativen, die von Ordnungsdezernenten Kromberg in seinem Antwortschreiben an den Landesjugendring aufgezählt wurden, seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie bekämpften das Problem „Steeler Jungs“ nicht zielgerichtet. Zudem solle ein Großteil dieser Aktionen erst im Laufe des aktuellen Jahres stattfinden – also fünf Jahre, nachdem die Rechten angefangen haben, „den Stadtteil zu terrorisieren“.
Hier habe die Stadt viel zu lange die Augen verschlossen. Wie auch der neuerliche Vorfall wieder einmal zeige, handele es sich bei der Gruppierung eben nicht um besorgte Bürger oder gar solche, mit denen man sich an einen Tisch setzen könne. Rufe wie „SS zurück!“ zeigten ganz eindeutig, welcher Ideologie diese Personen nahestehen. „Wer sich solch einer Sprache bedient, wer Kinder und Jugendliche bedroht und rassistisch beleidigt, wer beste Kontakte in die rechtsextreme Szene unterhält und aus seiner Gesinnung keinen Hehl macht, der ist eindeutig ein Neonazi“, so Baumann.
Eine Razzia mit dem Innenminister in Steele als Vorschlag
„Essen stellt sich quer“ hoffe, dass die Stadt neben der Präventionsarbeit aktiv gegen das Nazi-Problem in der Stadt aktiv werde. Ein Vorschlag Baumanns: „Wie wäre es beispielsweise mal mit einer Razzia in der Sportsbar 300, bei der Innenminister Reul sich genauso medienwirksam ablichten lässt wie bei Razzien in den Shisha-Bars im Essener Norden?“
Zur Erinnerung: Eine etwa 50-köpfige Gruppe mutmaßlich Rechtsextremer soll Mitte Juni vor der Sportsbar 300 in Essen-Steele, der Stammkneipe der Steeler Jungs, Nazi-Parolen wie „Hitler und SS zurück!“, „Ausländer raus!“, „Jetzt töten!“ so lautstark gegrölt haben, dass sie 20 junge Teilnehmer eines Seminars im nahen Kulturzentrum Grend in Angst und Schrecken versetzten.
Es brauchte zwei Stunden, bis ein Streifenwagen eintraf
In ihrer Not riefen die Jugendlichen, von denen die Hälfte „Rassismuserfahrungen“ haben soll, die Polizei. Doch es dauerte fast zwei Stunden, bis ein Streifenwagen vor Ort eintraf. In seinem offenen Brief an Innenminister Herbert Reul und Oberbürgermeister Thomas Kufen übte der Landesjugendring NRW danach massive Kritik an diesem Einsatz und forderte unter anderem, die „in der Polizei Essen offensichtlich vorhandenen Missstände umgehend abzustellen“.
Auf Nachfrage reagierte die Behörde an der Büscherstraße: Das Präsidium bedauere „den Zeitverzug“ und nehme die Vorwürfe „sehr ernst“, hieß es in einer ersten Stellungnahme. Die Behördenleitung werde den Einsatzverlauf durch die betroffenen Dienststellen aufklären lassen, lautete die Ankündigung. Das Ergebnis liegt bis heute nicht vor.