Essen-Rüttenscheid. Die Essener Boutique Edelguth hat in der Pandemie zwei neue Filialen eröffnet und acht Mitarbeiter eingestellt. Grund ist ein besonderes Konzept.
Ladenschließung, 2G-Regel, Zugangsbeschränkungen: Die Corona-Pandemie hat vielen Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern massiv geschadet. Bei der Rüttenscheider Boutique „Edelguth“ sieht das allerdings ganz anders aus. Dort ist der Umsatz gerade während der Corona-Zeit stark gestiegen, Personal konnte eingestellt und sogar zwei neue Läden eröffnet werden. Der Grund dafür: das „Live-Shopping“, das seit November 2020 jeden Dienstag stattfindet.
Ralph (52) und Angela (53) Cremer betreiben die Boutique gemeinsam. Er als Inhaber und Geschäftsführer im Hintergrund, sie managt das Tagesgeschäft. Bei Edelguth gibt es verschiedene Marken zu kaufen, darunter zum Beispiel „American Vintage“, „Funky Staff“ und „Oakwood“. Als die Pandemie über das Land hereinbrach, überlegte sich das Ehepaar ein Konzept, um sich in der schwierigen Zeit über Wasser zu halten: die Geburtsstunde des Live-Shoppings, das gerade auf seine 100. Episode zusteuert.
Kunden kommen extra für die Boutique nach Essen
Immer dienstags um 19.30 Uhr startet der Livestream auf der Edelguth-Facebookseite und dem Instagram-Profil @edelguth. Chefin und Mitarbeiterinnen präsentieren jede Woche neue Ware, während die Zuschauerinnen am Bildschirm Fragen stellen und Bestellungen aufgeben können. „Der Vorteil ist, dass wir sehr unterschiedliche Körpertypen sind. Es gibt Größe 34, 38, 40 und 42“, sagt Angela Cremer. Auch deshalb habe man im Nachhinein wenige Retouren.
„Wir haben dadurch sehr viele Stammkunden bundesweit gewonnen“, so Angela Cremer. Tatsächlich kämen die sogar mittlerweile extra aus Hamburg, Augsburg oder Koblenz über das Wochenende nach Essen, um das Team persönlich kennenzulernen. „Das ist eine richtige Community geworden. Die Zuschauer stehen untereinander in Kontakt und haben sich sogar angefreundet“, betont die Einzelhändlerin.
Zwei neue Filialen in Rüttenscheid und Ratingen eröffnet
130 bis 150 Menschen verfolgen das Live-Shopping aktuell im Schnitt auf beiden Kanälen. Davon seien 80 bis 90 Stammzuschauerinnen, schätzt Angela Cremer. Für viele sei das Dienstagsevent ein regelrechtes Ritual geworden: „Die schicken dann ihren Mann in den Keller und gucken das Shopping mit einer Freundin auf der Terrasse.“ Die ersten Übertragungen hätten 2020 dagegen nur zehn bis 20 Zuschauerinnen vor den Bildschirm gelockt, erinnert sich die 53-Jährige: „So etwas muss sich erst entwickeln.“
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Für die Cremers hat sich das Konzept ausgezahlt. Etwa 40 bis 50 Prozent mehr Umsatz hätten sie deshalb gemacht, schätzt Ralph Cremer. So konnten sie neue Läden eröffnen. 2020 besaß das Ehepaar ein Geschäft an der Hedwigstraße in Rüttenscheid. Im Juli 2021 eröffneten sie eine zweite Filiale an der Reginenstraße. Ein drittes Geschäft in Ratingen folgte im Oktober 2021. Und: „Vor Corona hatten wir gar keine Festangestellten, mein Mann und ich haben alles alleine gemacht“, sagt Angela Cremer. „Inzwischen haben wir acht.“
Essener Einzelhändlerin: „Man muss stark auf online setzen“
Neues Personal werde allein schon gebraucht, um nach den Shopping-Event die vielen Pakete zu verschicken. Mittlerweile drehe sich die ganze Woche um das Live-Shopping, schildert Ralph Cremer: Montags starteten die Vorbereitungen, mittwochs werde die Kleidung verschickt und dann nähere man sich ja schon wieder der nächsten Woche.
Mit Corona habe sich der Einzelhandel extrem verändert, betont Angela Cremer: „Rein stationärer Handel funktioniert nicht mehr. Die Läden werden bleiben, aber zusätzlich muss man stark auf online setzen.“ Sie beobachte allerdings, dass einige Einzelhändler ihre in der Pandemie geschaffenen Online-Formate nun wieder einstellten. Für die Cremers hat genau das Gegenteil funktioniert. Neben dem Live-Shopping und dem Geschäft vor Ort betreiben sie auch noch einen Online-Shop.