Essen. Die Mieten in Essen könnten kräftig steigen: In Essen gilt ein neuer Mietspiegel. Dieser lässt Vermietern viel Spielraum für weitere Erhöhungen.
- Die Stadt Essen hat seit Anfang August einen neuen Mietspiegel. Darin wurden die Basismieten um fast sechs Prozent angehoben.
- Grundlage für die Erhöhung ist die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in den vergangenen zwei Jahren. Damit schlagen vor allem höhere Energie- und Lebensmittelpreise auf die Mieten durch.
- Die Mietergemeinschaft hatte diese Herangehensweise bereits im Vorfeld massiv kritisiert. Der Vorsitzende des Gutachterausschusses stellt nun in Aussicht, das dies künftig anders laufen soll.
Mieter und Mieterinnen in Essen müssen nicht nur mit einer drastischen Erhöhung ihrer Nebenkosten rechnen. Ihnen droht in den kommenden Monaten auch eine deutliche Steigerung der Kaltmiete. Grund ist der neue Mietspiegel, der jetzt fortgeschrieben wurde und seit dem 1. August gilt. Die Mieten darin wurden um 5,99 Prozent angehoben. Damit haben Vermieter nun einen recht großen Spielraum, die Mieten weiter zu erhöhen.
Der zuständige Arbeitskreis hat als Grundlage für die Fortschreibung die Entwicklung der Lebenshaltungskosten herangezogen. Diese sind zu den jeweiligen Stichtagen Januar 2020 und Januar 2022 um fast sechs Punkte gestiegen. Mit der Folge: Die Basiswerte im Mietspiegel erhöhen sich um 0,38 bis 0,51 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche gegenüber dem bisherigen – in Abhängigkeit vom Baujahr des Gebäudes. Neben der Basismiete fließen in die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zudem die Lage, die Wohnungsgröße und Ausstattung ein.
Zwei einfache Rechenbeispiele, wie sich der neue Mietspiegel auswirkt: Für eine 95 Quadratmeter große Wohnung, Baujahr 1960, in mittlerer Lage steigt die Basismiete im neuen Mietspiegel um 36,10 auf 631,75 Euro. Dabei sind Auf- oder Abschläge für die Ausstattung noch nicht eingerechnet. Für eine vergleichbare Wohnung, die nach 2009 gebaut wurde, erhöht sich die Basismiete deutlicher – um 48,45 auf 850,25 Euro.
Arbeitskreis Mietspiegel überdenkt Fortschreibungspraxis in Essen
Der Vorsitzende des Gutachterausschusses und Mitglied im Arbeitskreis, Peter Rath, räumt ein: „Das trifft die Mieter zu einer Zeit, in der auch höhere Energiekosten auf sie zukommen.“ Allerdings, so betont Rath, sei mit dem neuen Mietspiegel kein Automatismus zu Mieterhöhungen verbunden.
Schon in der Vergangenheit hatte der Arbeitskreis alle vier Jahre den Mietspiegel auf Grundlage der Inflationsentwicklung fortgeschrieben. Diese bewährte Praxis habe man nun weitergeführt, so Rath. Beim letzten Mal noch mussten die Vermieter schlucken, weil die Inflation nahezu bei Null gelegen hatte, nun jedoch trifft es die Mieter hart. Allerdings kündigte Rath an: Sollten sich die Lebenshaltungskosten auch in den kommenden Jahren weiterhin so rasant erhöhen, könne er sich vorstellen, die Praxis künftig zu verändern. Zumal die Inflation derzeit hauptsächlich durch den Ukraine-Krieg und somit die hohen Energiepreise getrieben werde.
Mietspiegel: Statt Inflationsentwicklung auch Stichprobe möglich
Bereits im Vorfeld hatte die Vorgehensweise des Arbeitskreises deshalb zu heftiger Kritik geführt. Da Essen einen sogenannten qualifizierten Mietspiegel hat, ist die Stadt gesetzlich verpflichtet, diesen nach festgesetzten Parametern alle zwei Jahre anzupassen. Statt die Inflation heranzuziehen, hätte der Arbeitskreis auch eine Stichprobe nehmen können. Die Mietergemeinschaft Essen hatte genau dies gefordert. Sie vermutete nämlich, dass die tatsächliche Mietentwicklung in den vergangenen zwei Jahren nicht so rasant gewesen ist wie die allgemeine Teuerung. Allerdings wäre eine Stichprobe auch aufwendiger gewesen.
Was ist ein Mietspiegel?
Der Mietspiegel ist für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bindend. Er gilt grundsätzlich für nicht preisgebundene Mietwohnungen. Bei der Berechnung der ortsüblichen Miete fließen neben Lage und Ausstattung auch Größe und Baujahr der Wohnung ein.
Auf Grundlage des Mietspiegels können Mieter und Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete errechnen. Diese ist für Vermieter die Obergrenze, bis zu der sie Mieterhöhungen durchsetzen können. Wird eine Wohnung neu vermietet, hilft der Mietspiegel aber auch den Mietern. Sie können überprüfen, ob das Mietverlangen des Vermieters sich im ortsüblichen Rahmen bewegt.
Essen hat seit 2016 einen qualifierten Mietspiegel. Ein solcher wird nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erstellt und hat daher bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mehr Gewicht. Er muss alle zwei Jahre den Marktentwicklungen angepasst werden.
Die ortsübliche Vergleichsmiete, die mit dem Mietspiegel errechnet werden kann, bildet die Obergrenze für jede Mieterhöhung. Entscheidend wird daher nun sein, ob und wie stark Vermieter den neuen Mietspiegel für Mieterhöhungen nutzen werden. Die Mietergemeinschaft rechnet jedoch aus den Erfahrungen der Vergangenheit damit, dass vor allem große Wohnungsunternehmen die neuen Möglichkeiten recht zügig nutzen werden.
Zum Umgang mit dem neuen Mietspiegel teilte Vonovia, einer der größten Vermieter in Essen, mit: Dadurch erhalte nicht jeder Mieter automatisch eine Mieterhöhung, so eine Sprecherin. „15 Monate müssen rechtlich gesehen zwischen zwei Erhöhungen liegen, deshalb hat das Erscheinungsdatum eines Mietspiegels für Mieter und Mieterinnen keine unmittelbare Relevanz.“
In der Tat ist es so, dass Vermieter jetzt nicht einfach die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen können. Denn es gilt: Frühestens 15 Monate nach Einzug oder nach der letzten Mieterhöhung dürfen Vermieter die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete anheben. Der Preisaufschlag darf innerhalb von drei Jahren aber nicht höher sein als 20 Prozent.
2024 wieder Vollerhebung zum Essener Mietspiegel
Der neue Mietspiegel gilt für zwei Jahre. 2024 steht dann wieder eine Vollerhebung an. Dabei fließen sämtliche Mieterhöhungen der vergangenen sechs Jahre ein sowie die Mietpreise bei Neuvermietungen. Bei der letzten Vollerhebung 2020 waren die Mieten um durchschnittlich zehn Prozent gestiegen. Auf der Internetseite der Stadt Essen kann der Mietspiegel 2022 kostenfrei heruntergeladen werden. Zusätzlich steht dort der aktualisierte Online-Mietspiegelrechner zur Verfügung.