Essen. Mieterschützer befürchten, dass die Mieten in Essen bald weiter kräftig steigen könnten. Denn in wenigen Wochen erscheint der neue Mietspiegel.
Mieterhaushalte in Essen müssen sich wohl auf deutlich steigende Mieten einstellen. Denn zum 1. August muss der Mietspiegel der Stadt fortgeschrieben werden. Der zuständige Arbeitskreis wird als Basis dafür die Entwicklung des Verbraucherpreisindex heranziehen. Das bestätigte der Vorsitzende des Gutachterausschusses, Peter Rath. Im dafür entscheidenden Zeitraum von Januar 2020 bis Januar 2022 sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland um über sechs Prozent gestiegen. Mit der letzten Änderung des Mietspiegels 2020 gab es eine Erhöhung um durchschnittlich zehn Prozent.
Nunmehr könnte sich die seit einigen Monaten anziehende Inflation, die vor allem durch hohe Energiepreise und teure Lebensmittel getrieben ist, auch auf die Mieten in Essen durchschlagen – vorausgesetzt, die Vermieter nutzen die neuen Spielräume. Der Gutachterausschuss sieht dabei keinen Automatismus. „Es ist ja kein Vermieter verpflichtet, aufgrund der Anpassung des Mietspiegels eine Mieterhöhung durchzusetzen“, betonte Rath.
Mietspiegel trieb die Mieten in Essen weiter in die Höhe
Die Mietergemeinschaft Essen hat jedoch in der Vergangenheit andere Erfahrungen gemacht. Vor allem die großen Wohnungsunternehmen hätten den Mietspiegel zügig genutzt, um die Mieten zu erhöhen, sagt die Geschäftsführerin Siw Mammitzsch. Ähnliches sei auch diesmal zu befürchten.
Mammitzsch erinnert dabei an die Äußerungen von Vonovia-Chef Rolf Buch, der in einem Interview kürzlich gefordert hatte, dass die Mieten an die Inflationsentwicklung gekoppelt werden müssten. Dafür hatte Buch bundesweit zwar viel Kritik seitens der Mieterverbände geerntet. „Doch im Grunde erleben wir das mit der geplanten Fortschreibung des Mietspiegels in Essen“, sagte Mammitzsch.
Da Essen einen so genannten qualifizierten Mietspiegel hat, ist die Stadt gesetzlich verpflichtet, diesen nach festgesetzten Parametern alle zwei Jahre anzupassen. Die Mietergemeinschaft hätte sich allerdings eine andere Vorgehensweise des zuständigen Arbeitskreises gewünscht. Denn statt die Inflationsentwicklung zugrunde zu legen, hätte der Arbeitskreis auch eine Stichprobe ziehen können.
Mietergemeinschaft Essen kritisiert Vorgehensweise
Mammitzsch vermutet, dass dann die Steigerung wohl nicht so hoch ausgefallen wäre. Zumal die Inflation momentan besonders durch die Energie- und Lebensmittelpreise stark getrieben ist und dies wenig mit der Entwicklung der Kaltmiete zu tun habe. „Das Vorgehen des Arbeitskreises ist für den Mieter gelinde gesagt ärgerlich“, kritisierte Mammitzsch. Rath dagegen verteidigte die gewählte Verfahrensweise: „Eine Stichprobe wäre sehr aufwendig gewesen.“
Was ist ein Mietspiegel?
Der Mietspiegel ist für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bindend. Er gilt grundsätzlich für nicht preisgebundene Mietwohnungen. Bei der Berechnung der ortsüblichen Miete fließen neben Lage und Ausstattung auch Größe und Baujahr der Wohnung ein. Auf Grundlage des Mietspiegels können Mieter und Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete errechnen. Diese ist für Vermieter die Obergrenze, bis zu der sie Mieterhöhungen durchsetzen können.Wird eine Wohnung neu vermietet, hilft der Mietspiegel aber auch den Mietern. Sie können überprüfen, ob das Mietverlangen des Vermieters sich im ortsüblichen Rahmen bewegt.
Vermieter können aber jetzt nicht einfach die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Denn es gilt: Frühestens 15 Monate nach Einzug oder nach der letzten Mieterhöhung dürfen Vermieter die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete anheben. Der Preisaufschlag darf innerhalb von drei Jahren aber nicht höher sein als 20 Prozent (Kappungsgrenze).
Essen hat seit 2016 einen qualifizierten Mietspiegel. Ein solcher wird nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erstellt und hat daher bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mehr Gewicht. Er muss alle zwei Jahre den Marktentwicklungen angepasst werden.
Welche Auswirkungen der Verbraucherpreisindex genau auf die verschiedenen Parameter im Mietspiegel haben wird, steht indes noch nicht fest. Mitte Juni wird das beauftragte Institut Inwis die Ergebnisse dem Arbeitskreis vorlegen. Wenn dieser zustimmt, wird der neue Mietspiegel wohl Ende Juni/Anfang Juli veröffentlicht.
Hohe Energiekosten, teure Lebensmittel und nun vielleicht auch weiter steigende Mieten: Die Mietergemeinschaft befürchtet, dass in den kommenden Monaten noch mehr Haushalte in finanzielle Bedrängnis geraten könnten. Schon jetzt spürt sie einen deutlich gestiegenen Zulauf bei ihren Beratungen. „Viele haben Angst, dass sie bald nicht mehr in der Lage sind, die Kosten für Miete und Energie zu bezahlen“, erklärte Mammitzsch. Deshalb schauen mehr Haushalte mittlerweile genauer hin, wenn Mieterhöhungen oder Betriebskostenabrechnungen im Briefkasten landen. Laut Mammitzsch lohnt sich eine Prüfung häufig: „Wir sehen viele Fehler. Sehr viele Abrechnungen sind falsch.“
Hier ist der aktuell gültige Mietspiegel für Essen zu finden