Essen. Projektentwickler treiben ihre Büropläne in Essen zwar voran. Aber sie spüren die Folgen explodierender Preise und wirtschaftlicher Unsicherheit.
Der jahrelange Stillstand auf dem großen Brachgelände zwischen Hans-Böckler-Straße und Frohnhauser Straße ist seit einigen Wochen Geschichte. Die Bauarbeiten an der Entwässerung sind gelaufen. Eine asphaltierte Baustraße gibt es auch schon. Auf dem einstigen Siemens-Gelände will die „Dr. Greve Bau- und Boden AG“ aus Hamburg unter dem Namen „Kontorhausviertel“ einen Mix aus Büros, Wohnungen und Nahversorgungseinrichtungen entwickeln. Die bisherigen Vorbereitungsarbeiten haben bereits eine Million Euro gekostet.
Trotz der enorm gestiegenen Baupreise und der wirtschaftlichen Unsicherheit treiben die Hamburger ihr Projekt im Westviertel voran. Obwohl diese Entwicklung im Frühjahr schon abzusehen war, hat das Unternehmen für den ersten Abschnitt im März den Bauantrag bei der Stadt eingereicht. „Wir wollen flexibel sein“, betont Bernd Feyerabend, Geschäftsführer der Greve Development GmbH.
Erster großer Mieter für Essener „Kontorhausviertel“ wird noch gesucht
Im ersten Schritt sollen rund 100 Wohnungen und 11.000 Quadratmeter Bürofläche entstehen. Im Netz kündigen die Hamburger optimistisch eine Fertigstellung 2024 an. Doch Feyerabend ist momentan vorsichtig und will keine Prognose wagen, wann Baustart sein könnte. Noch suchen die Hamburger einen sogenannten Ankermieter für die Bürofläche. „Wir spüren jedoch eine große Zurückhaltung bei Neuanmietungen. Die Entscheidungswege sind lang“, sagt Feyerabend.
Damit kämpft nicht nur das „Kontorhausviertel“. „Projektentwickler tun sich gerade schwer“, weiß Immobilienmakler Markus Büchte, Vorstand der Cubion AG, aus seiner täglichen Arbeit. Die ungewisse Frage, wie sich die Baukosten noch entwickeln werden, schrecke viele potenzielle Büromieter ab. Denn die Generalunternehmer bauen häufig nicht mehr zu Fixpreisen. Somit können die Projektentwickler auch keinen verbindlichen Mietzins nennen. Hinzu kommen wachsende Rezessionsängste. „Die Unsicherheit würgt alles ab. Wer nicht gerade dringend etwas braucht, hält erst einmal still“, meint Büchte.
Schwaches Halbjahr auf dem Essener Büromarkt
Erst die Corona-Pandemie, dann die Baupreis-Explosion und schließlich der Ukraine-Krieg: Dass die Zurückhaltung auf dem Büromarkt in Essen anhält, lässt sich auch an den jetzt veröffentlichten Halbjahreszahlen ablesen. Bis Juni wurden laut Cubion 39.500 Quadratmeter neu vermietet. Damit liegt das Ergebnis gerade einmal auf dem eher mäßigen Vorjahresniveau. Im Rekordjahr 2019 brachte es der Essener Büromarkt auf 160.000 Quadratmeter.
Es fehlen weiterhin die Großmieter, die 5000 Quadratmeter und mehr abnehmen. Das trifft vor allem Neubauprojekte, die ohne einen solchen Großmieter unter Vertrag zu haben, in der Regel nicht starten. Entsprechend ist auch die aktuelle Bautätigkeit im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent eingebrochen, wie das Maklerunternehmen BNP Paribas Real Estate in seinem Büromarktbericht feststellt.
Dennoch setzen Projektentwickler offensichtlich auf das Prinzip Hoffnung – nämlich, dass sich in ein bis zwei Jahren die Lage bessert, Mieter wieder Büros suchen und sie dann die neuen Flächen möglichst schnell anbieten können.
Projektentwickler sichern sich mit Baugenehmigung schnelles Handeln
So hat erst kürzlich der angedachte Büropark „Beust“ an der Graf-Beust-Allee grünes Licht von den Genehmigungsbehörden bekommen. Auch dort geht es trotz aktueller Baukrise voran: Die Abbrucharbeiten auf dem ehemaligen Zechen-Gelände sollen noch in diesem Jahr starten und einem Campus mit 28.000 Quadratmetern Bürofläche Platz verschaffen.
Das Immobilienunternehmen Aurelis Real Estate aus Duisburg arbeitet ebenfalls weiter an seinen Neubauplänen an der Hachestraße. Diese sehen zwei Bürogebäude vor, in deren Mitte ein Parkhaus entsteht. Im ersten Schritt soll ein Bürohaus mit über 12.000 Quadratmetern Fläche errichtet werden, das sich unmittelbar an das GHotel anschließt. „Wir warten noch auf die Baugenehmigung“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage. Einen Ankermieter hat jedoch auch Aurelis nach einem Jahr Suche noch nicht unter Dach und Fach. Gespräche mit Interessenten aber liefen, heißt es.
Konzerne als Großmieter fehlen
Tobias Altenbeck, Immobilienmakler bei Brockhoff & Partner, sieht derweil noch einen anderen Grund, warum der Essener Büromarkt seit zwei Jahren so verhalten läuft: „In der Vergangenheit haben häufig die Konzerne für größere Anmietungen gesorgt“, meint er. Allerdings befänden sich einige davon weiter im Umbau. Andere wie RWE oder Aldi haben jüngst eigene Campus gebaut und vorerst keinen weiteren Platzbedarf. „Aber das dürfte sich auch wieder ändern“, ist Altenbeck zuversichtlich.
Altenbeck wie auch Büchte berichten unterdessen, dass es in den kommenden Monaten noch zu größeren Vertragsabschlüssen kommen könnte. Dabei spielt den Maklern in die Karten, dass Essen mit über sieben Prozent momentan einen vergleichsweise hohen Büroleerstand hat. Sollten sich die Hoffnungen erfüllen, könnte es für den Büromarkt insgesamt doch noch ein zumindest versöhnliches Jahr werden.