Essen. Mit Ampelsteuerungen soll Stickstoffdioxid in Essen unter den Grenzwert gehalten werden. Dafür nimmt die Stadt auch künstliche Staus in Kauf.

Erstmalig seit Einführung der automatisierten Ampelsteuerung auf der Alfredstraße im März dieses Jahres, ist nach Angaben der Stadt Essen eine Überschreitung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid prognostiziert worden. Deshalb wurde am Mittwoch (20. Juli) die sogenannte Pförtnerung aktiviert. Sie soll den Verkehr verringern und dafür sorgen, dass weniger Autos zur gleichen Zeit auf der Alfredstraße fahren. Dann, so das Kalkül, kann der Grenzwert von 40 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft eingehalten werden, wozu die Stadt sich gegenüber der Deutschen Umwelthilfe verpflichtet hat.

Die Entscheidung sei auf Grundlage der am Vortag gemessenen Werte, der vorhergesagten Wetterbedingungen und unter Betrachtung der Verkehrsbelastung auf der Alfredstraße gefallen, wie die Stadt mitteilt. Das dauerhafte Hoch dürfte derzeit für einen geringen Luftaustausch sorgen, wodurch die Luftbelastung steigt.

Kritiker monieren, dass es gar keine sinnvollen Ausweichrouten gäbe

Verkehrsteilnehmern wurde dies bereits am Dienstagnachmittag auf Verkehrsinformationstafeln angezeigt. Am Abend fielen die Anzeigetafeln auf den Zufahrtsstraßen zur Alfredstraße zwischenzeitlich aus, am Mittwochmorgen konnten sie wieder in Betrieb gehen.

Konkret bedeutet das „Pförtnern“, dass Ampelschaltungen so gestellt werden, dass weniger Autofahrer zur gleichen Zeit auf die Alfredstraße gelangen. Damit soll gewissermaßen ein Anreiz geschaffen werden, die Alfredstraße zu meiden und auf anderen Wegen zum Ziel zu gelangen. Kritiker hatten allerdings moniert, dass es entweder gar keine geeigneten Ausweichrouten gäbe oder diese einen so großen Umweg bedeuten, dass die Autofahrer in Summe erheblich mehr Kraftstoff verbrauchen müssen – was wiederum mehr Schadstoffe andernorts zur Folge hat.

Die Stadt nimmt jedenfalls in Kauf, dass es durch das „Pförtnern“ zu künstlich herbeigeführten Staus kommt, kontrolliert wird das nach Angaben von Stadtsprecherin Jasmin Trilling nicht. Mit einer Ausnahme: „An der Norbertstraße darf der Rückstau nicht so groß sein, dass er bis zur Autobahnabfahrt der A 52 reicht.“ Wenn dies doch passiere, werde die Ampel wieder durchlässiger geschaltet.

Dem Augenschein nach folgten allenfalls wenige Autofahrer der Aufforderung

Dem Augenschein nach sind trotz der Wartezeiten allerdings nur die wenigsten Autofahrer bereit und in der Lage, die Alfredstraße wie aufgefordert zu meiden und andere Wege zu nehmen. Zählungen darüber, in welchem Umfang der Stadt Folge geleistet wird, gibt es nach Angaben von Jasmin Trilling nicht.

Die sogenannte sensitive Ampelschaltung war Mitte 2020 installiert worden. Dies war ein Ergebnis des Kompromisses, auf den sich die Stadt Essen und das Land NRW in einem Rechtsstreit mit der Deutschen Umwelthilfe geeinigt hatten. Der Verein hatte zuvor den für Essen geltenden Luftreinhalteplan der Bezirksregierung Düsseldorf beklagt, weil an mehreren Stellen im Stadtgebiet die Grenzwerte für saubere Luft nicht eingehalten wurden, unter anderem an der Alfredstraße.

Die Deutsche Umwelthilfe forderte daraufhin Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und ältere Benziner. Seitdem hat sich die Luftqualität deutlich verbessert, der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde unterschritten. Ursächlich dürften dafür neben den Corona-Lockdowns die Modernisierung der Fahrzeugflotte mit umweltfreundlicheren Motoren sein.

Bis März dieses Jahres mussten die Verkehrsrechner per Hand gesteuert werden

Bis März dieses Jahres war es noch erforderlich, dass die Abläufe manuell durchgeführt wurden. Drohte eine Grenzwertüberschreitung, mussten die entsprechenden Programme des Verkehrsrechners per Hand gestartet werden. Seitdem geschieht dies automatisch.

Ob am Donnerstag (21.7) die Pförtnerung erneut greifen würde, blieb am Mittwoch offen. Möglich, dass sich die Schadstoffsituation durch den abendlichen Wetterumschwung mit Niederschlägen von selbst wieder verbesserte. (F.S.)