Essen-Kettwig. Neugierige Blicke von Passanten erntete jetzt ein Filmteam im Herzen von Essen-Kettwig. Dies wurde vor historischer Kulisse in Szene gesetzt.

Eine Vater-Tochter-Begegnung in der Kettwiger Altstadt: Küsschen für den alten Herrn, Nettigkeiten werden am Cafétisch ausgetauscht. Dann übergibt die junge Frau dem gut gekleideten Vater ein durchaus wertvolles Geburtstagsgeschenk. Er blickt hinein – und sie erwartet nun eine freudige Reaktion. Doch es kommt anders. Wie es weitergeht, das sei an dieser Stelle nicht verraten. Denn es handelt sich um eine Szene aus einem Kurzfilm, der derzeit unter anderem in der historischen Kulisse an der Ruhr gedreht wird.

Filmdreh in Kettwig: Sieben Geschichten über das Ruhrgebiet

„Sein letzter Deal“ heißt dieser Streifen, der auf einer Kurzgeschichte des Essener Schriftstellers und Künstlers Ulrich Straeter beruht und Teil des Projektes „Essen Shorts“ ist. Dieses Kinoprojekt wurde bereits 2018 auf den Weg gebracht, wird pandemiebedingt aber erst jetzt vollendet. Entwickelt wurde „Essen Shorts“ vom Netzwerk Film, einem Verbund Essener Filmemacher. Dahinter steckt der Gedanke, mit einem Episodenfilm die Stadt Essen, das Ruhrgebiet, die Menschen und ihre Geschichten in den Mittelpunkt zu rücken.

Stimmt der Ton? Jonas Klose (l.) und Tonmeister Uwe Helling (im Fenster) stimmen sich ab. Die Schauspieler Rezo Tschchikwischwili  und Lea Kiernan warten geduldig auf ihren Einsatz.
Stimmt der Ton? Jonas Klose (l.) und Tonmeister Uwe Helling (im Fenster) stimmen sich ab. Die Schauspieler Rezo Tschchikwischwili und Lea Kiernan warten geduldig auf ihren Einsatz. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Aus 36 Geschichten, die von Autoren und Autorinnen eingereicht worden waren, wurden sieben für eine Verfilmung auserkoren. Umgesetzt werden diese von verschiedenen Regisseuren, die Länge der Episoden variiert dabei. „Unser Film dürfte mit 20 Minuten einer der längeren sein“, berichtet Jonas Klose, der „Sein letzter Deal“ in Szene setzt. Der Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Editor zeichnet auch für die Rahmenhandlung verantwortlich, die er so skizziert: „Eine Frau geht in einen Waschsalon. Dort erlebt sie verschiedene Begegnungen und Situationen, die jeweils eine der Episoden einleiten.“

Filmdreh in Kettwig: Darum geht es bei „Sein letzter Deal“

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Worum geht es nun bei „Sein letzter Deal“? Im Mittelpunkt steht Franco Morelli, ein reicher Geschäftsmann, der mit krummen Deals viel Geld macht. Doch die Polizei ist ihm bereits auf den Fersen, es wird ernst für ihn, wenn er nicht im Knast landen will. Die Rolle des Franco wird von dem langjährigen Ensemblemitglied des Essener Grillo-Theaters Rezo Tschchikwischwili (65) gespielt. Franco sei ein ausgesprochener Fiesling und damit schon eine Herausforderung, erzählt der Schauspieler, „man spielt gegen den eigenen Charakter an“. Er habe aber sehr viel Spaß an dem Projekt, das ihm mal etwas anderes abverlange als das Bühnenschauspiel.

Das empfindet auch Lea Kiernan so, die die Rolle der Tochter Emilia spielt: „Vor der Kamera muss man authentischer agieren. Auf der Bühne sind Handlungen dagegen oft überhöht dargestellt.“ Die 23-Jährige studiert derzeit an der Theaterakademie Köln im achten Semester und ist begeistert vom Dreh in Kettwig. „Ich bin auf einem Dorf aufgewachsen. Das hier erinnert mich ein bisschen daran“, sagt sie lächelnd, als eine Hochzeitsgesellschaft die Kirchtreppe für ein Fotoshooting nutzt und anschließend am „Coppers im Parlamento“ neugierig das Geschehen beäugt.

Dreharbeiten draußen vor „Coppers im Parlamento“

Dort haben Jonas Klose und sein Team für ein paar Stunden am Freitag das Sagen. Gedreht wird draußen, der Tongalgen verschwindet in der Fensteröffnung, während sich die „Coppers“-Betreiberinnen Mina Lamnek und Sofia Palacios drinnen leise verhalten müssen. Ein bisschen Geduld müssen alle mitbringen, denn entweder verschwindet die Sonne spontan hinter Wolken, oder lachende Kinder am nahen Weberbrunnen stören doch durch zu laute Hintergrundgeräusche.

Es geht um menschliche Begegnungen

Zentrales Motiv der sieben für den Episodenfilm ausgewählten Geschichten sind menschliche Begegnungen. Die Autorinnen und Autoren kommen aus dem gesamten Ruhrgebiet. 2019 begannen die ersten Dreharbeiten, die sich durch Corona bis in dieses Jahr ziehen.Für den gesamten Episodenfilm konnte der Filmkomponist Andreas Schmelz gewonnen werden, der eigens für das Projekt die Musik komponiert und produziert.

„Nach zwei Jahren Corona unterstützen wir gern die Kulturbranche“, sagt Mina Lamnek, die spontan zusagte, als Regisseur Klose die Gaststätte im Herzen von Kettwig als Drehort anfragte. „Wir freuen uns, dass es zudem kostenfrei ist“, sagt Klose, der zuvor bereits Szenen in der Essener Innenstadt beim Juwelier Mauer, in Steele sowie in Hattingen gedreht hatte.

Für Klose ist der Kinosaal der perfekte Ort, um Filme zu präsentieren. Im Herbst soll es für „Essen Shorts“ soweit sein. In welchem Essener Kino das Publikum den Episodenfilm mit sieben Ruhrgebiets-Geschichten dann erleben wird, stehe allerdings noch nicht fest. „Es wird auf jeden Fall ein abendfüllender Film“, verspricht der Regisseur.