Der Essener Stadtverband der Kleingartenvereine drängt auf Flächen für neue Parzellen – und warnt vor dem Zugriff auf vorhandene Gärten.
Viele Bürger wünschen sich einen Kleingarten. Der Stadtverband der Kleingartenvereine appelliert deshalb an die Stadt Essen, Flächen für weitere Kleingärten auszuweisen und bestehende Anlagen zu schützen. „Es kann nicht sein, dass wir immer den Kürzeren ziehen“, sagte der Vorsitzende des Stadtverbands, Holger Lemke, im Gespräch mit der Redaktion.
Essens oberster Kleingärtner spielt damit auf einen aktuellen Fall in Frohnhausen an, wo ein Dutzend Kleingärten für eine Kindertagesstätte weichen müssen. „Auch wir sind wichtig“, betont Lemke und erinnert an die soziale Bedeutung des Kleingartenwesens. In der Vergangenheit hatte der Stadtverband bereits zahlreiche Parzellen abgegeben, sei es für den Bau von Regenrückhaltebecken oder für den künstlich angelegten Niederfeldsee in Altendorf.
Kleingartenvereine können die Nachfrage nicht mehr befriedigen
Die Coronakrise habe gezeigt, wie wichtig den Menschen Freiflächen seien. „Der Bedarf ist da“, betont Lemke. Und er dürfte seiner Überzeugung nach noch weiter zunehmen, auch weil die Lebensmittelpreise steigen. Eigenes Obst und Gemüse anzubauen, liege wieder im Trend.
Doch die Kleingartenvereine könnten die Nachfrage nicht mehr befriedigen. Denn Parzellen würden nicht selten seit Jahrzehnten von ihren Pächtern bestellt. Bis ein Kleingarten frei wird, könnten Jahre vergehen. Die meisten Vereine haben ihre Wartelisten deshalb geschlossen. Ergo: „Wir brauchen neue Flächen“, so Lemke. Dem müsse die Politik Rechnung tragen.
Dem Stadtverbandsvorsitzenden ist es nach eigenen Worten bewusst, dass der Wunsch nach zusätzlichen Kleingärten in Konkurrenz steht zum Bau von Wohnungen oder Schulen. Die Planungsverwaltung müsse dafür brachliegende Flächen reaktivieren. Auch müsse die Stadt sich die Frage stellen, ob es sinnvoll sei, weitere Eigenheime zu bauen.
Der Stadtverband der Kleingartenvereine vermisst bei der Stadtplanung mehr Fantasie
Angesprochen auf den Bedarf nach Wohnraum kontert Lemke: „Der Bedarf kann nicht so groß sein, wenn man auf Discountern keine Wohnungen baut. An der Steeler Straße wurden stattdessen drei Mehrfamilienhäuser abgerissen, damit dort Aldi bauen kann.“ Aufseiten der Stadtplanung vermisst Lemke Fantasie.
Bedarf nach weiteren Kleingärten sieht der Stadtverbandsvorsitzende nicht nur in den dicht besiedelten Stadtteilen nördlich der A 40, sondern auch im Essener Süden – beispielsweise im Einzugsgebiet von Rüttenscheid, wo ebenfalls viele Menschen ohne Balkon oder eigenen Garten wohnten.
Auch in Landschaftsschutzgebieten sollten neue Kleingärten kein Tabu sein, so der Stadtverbandsvorsitzende. Lemke verweist auf eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, die zum 1. März dieses Jahres in Kraft getreten ist. Das Gesetz hebt damit die Bedeutung von Kleingärten für den Schutz der Natur und für die Landschaftspflege hervor: Kleingärten seien zu erhalten, „oder dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße und hinreichender Qualität vorhanden sind, neu zu schaffen oder zu entwickeln“.
Das von der Stadt Essen vorgelegte Kleingartenentwicklungskonzept unterstreicht ebenfalls die Bedeutung von Kleingärten für die Tier- und Pflanzenwelt und für das Binnenklima.
Das Kleingartenwesen verändert sich, betont Lemke, der als Stadtverbandsvorsitzender für 8500 Pächter in 114 Kleingartenvereinen spricht. Auch wenn die Fluktuation gering sei, wachse eine neue Generation nach.
Kleingärtner wollen Solaranlagen installieren, dürfen aber nicht
Aktuell erreichten den Stadtverband immer wieder Anfragen von Kleingärtnern, die gerne eine Solar- oder Photovoltaikanlage auf dem Dach ihrer Laube installieren würden. Der Haken: Das Bundeskleingartengesetz schreibt für eine Gartenlaube eine „einfache Bauweise vor“.
Anlagen zur Stromerzeugung sieht das 1982 verabschiedete Kleingartengesetz nicht vor. Doch das galt früher auch für einen Stromanschluss und den Anschluss an die Kanalisation, wie Lemke betont. Von Ausnahmen abgesehen, verfügen mittlerweile die allermeisten Kleingartenanlagen über eine Ver- und Entsorgung.
Was die Versorgung mit Solarenergie angeht, sieht Lemke nach der Sommerpause einmal mehr den Rat der Stadt in der Verantwortung: „Es ist eine politische Entscheidung.“