Frohnhausen. In Essen-Frohnhausen sollen Kleingärten für eine Kita weichen. Die Kleingärtner wollen das nicht hinnehmen. Ihr Verband spricht von einem Dilemma.

Wie lange es an der Danziger Straße schon Kleingärten gibt? Doris Jostes muss lange überlegen. Schon ihr Großvater hat hier seine Scholle beackert. Nun geht sie selbst auf die 70 zu, und ihr Dieter wird sogar bald 80. „Wir würden noch gerne ein paar Jahre weitermachen“, sagt Doris Jostes. Die anderen Pächter nicken in die Runde. Doch mit der Idylle hinterm Gartenzaun in Frohnhausen könnte es bald vorbei sein. Die Kleingärtner sollen ihre Parzellen räumen, denn die Stadt Essen will auf dem Grundstück eine Kindertagesstätte bauen.

Als sie im Kleingartenverein zum ersten Mal davon hörten, hielten sie es noch für Gerede. „Wir haben nicht wirklich was darauf gegeben“, sagt Karl-Heinz Castro, der Vorsitzende des KGV Essen-West, zu dem die Teilanlage an der Markuskirche gehört. Als aber Ende vergangenen Jahres die Projektleiterin der Stadt im Kleingartenverein vorstellig wurde, sei allen schlagartig klar gewesen, dass es mehr ist als ein Gerücht.

Für den Emscherumbau musste der KGV Essen-West fast 60 Kleingärten abgeben

Inzwischen sind die Planungen weit fortgeschritten. Der Rat der Stadt wird sich in seiner kommenden Sitzung mit der Angelegenheit befassen, weiß Karl-Heinz Castro zu berichten und fragt: „Warum wieder wir?“ Schon vor einigen Jahren hat der KGV Essen-West rund 60 Gärten verloren, damals für den Emscherumbau. Ein sinnvolles Projekt, wie Castro findet. Diesmal sollen elf Kleingärten für eine Kita weichen.

Pächter Emin Kouliev hat sich bereits an Oberbürgermeister Thomas Kufen gewandt. In seinem Antwortschreiben verweist Kufen auf den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz und darauf, dass die Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren in Frohnhausen aktuell bei nur 33,9 Prozent liegt, bei Kindern über drei Jahren liegt sie bei 90,4 Prozent. Das sei viel zu wenig, lautet die Botschaft. Zumal die Zahl der Kinder im Stadtteil in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sei.

Das Kleingartenentwicklungskonzept legt der Stadt nahe, mehr Gärten anzulegen

Holger Lemke, Vorsitzender des Stadtverbandes, spricht von einem Dilemma. „Wie sähe das aus, wenn wir Kleingärtner uns gegen eine Kita stellen“, fragt Lemke und hat die Schlagzeile schon vor Augen. Der geplante Kita-Bau ließe sich allenfalls verzögern, verhindern ließe er sich nicht. Zumal das Grundstück der Stadt Essen gehört, der Stadtverband der Kleingartenvereine hat es nur gepachtet, erläutert Lemke und hört sich dabei alles andere als glücklich an.

„Wir sind nicht gegen eine Kindertagesstätte“, stellt Karl-Heinz Castro für den KGV Essen-West klar. Er stelle nur die Frage, ob die Stadtverwaltung nach anderen Grundstücken im Stadtteil gesucht hat, die womöglich besser geeignet wären. Und hat die Stadt Essen nicht erst jüngst ein Kleingartenentwicklungskonzept vorgelegt, das ausdrücklich hervorhebt, wie wichtig Kleingärten für das Klima sind? Auch für das soziale?

Die politische Initiative könnte für die Frohnhauser Kleingärtner zu spät kommen

Der von der Stadt beauftragte Gutachter legt der Politik nahe, zusätzliche Kleingärten zu schaffen. Insbesondere in den dicht besiedelten Stadtteilen, zu denen auch Frohnhausen gehört. Die SPD hat dafür die politische Initiative ergriffen, der sich mittlerweile eine breite Mehrheit der im Rat vertretenen Parteien angeschlossen hat. Die Stadtverwaltung soll geeignete Flächen benennen.

Für Doris Jostes, Emin Kouliev und die anderen Pächter von der Danziger Straße könnte die Initiative zu spät kommen. Zum November dieses Jahres soll ihnen gekündigt werden, heißt es in einem Papier der Stadtverwaltung. Mitte kommenden Jahres sollen die Bauarbeiten beginnen. 3,1 Millionen Euro will die Stadt Essen in die neue Kita investieren.

Für ihre Parzellen würden die Kleingärtner entschädigt. Bei der Suche nach einer neuen Parzelle würden sie bevorzugt, sagt Karl-Heinz Castro. Allerdings gibt es so gut wie keine freien Gärten, die meisten Kleingartenvereine haben ihre Wartelisten geschlossen. Und ein Garten JWD, ganz weit draußen, würde niemandem helfen.

„Es ist schwer, in einem verdichteten Stadtraum wie in Frohnhausen zwischen unterschiedlichen und gleichsam berechtigten Interessen abzuwägen“, hat Oberbürgermeister Thomas Kufen den Kleingärtnern geschrieben. Sie fürchten, dass sie den Kürzeren ziehen. „Uns“, sagt Pächter Jürgen Deiß, „würde ein Stück Lebensqualität genommen“.