Essen. Nach Ausschreitungen in Altendorf mit einem Schwerverletzten geht die Suche nach dem Messerstecher weiter. Neues Sicherheitskonzept gefordert.

Nach den Massentumulten mutmaßlich verfeindeter arabischer Großfamilien am Wochenende in Essen-Altendorf mit drei Verletzten blieb es weitestgehend ruhig auf den Straßen. In der Nacht zum Dienstag hat die Polizei weiterhin verstärkt Präsenz gezeigt im Stadtteil, sagte ein Sprecher am Morgen.

Dabei haben die Einsatzkräfte ein verdächtiges Auto kontrolliert, in dem zwei Schlagwerkzeuge entdeckt und sichergestellt wurden. Drei erwachsene Insassen mussten mit zur Wache, ein Minderjähriger wurde seinen Eltern übergeben. Ob waffenrechtliche Verstöße vorliegen, werde nun geprüft.

Die Suche nach dem namentlich bekannten mutmaßlichen Messerstecher, der einem 31 Jahre alten Kontrahenten bei der ersten Schlägerei mit rund 400 Beteiligten am Samstag eine schwere Halsverletzung zugefügt haben soll, ging unterdessen unvermindert weiter.

„Ein Hinweis, dass wir es nicht im Griff haben“

Nur 24 Stunden nach dieser blutigen Attacke war es am Sonntag erneut zu Zusammenrottungen mit bis zu 100 Menschen gekommen, die mit Schlägen und Tritten aufeinander losgingen. Waffen kamen dabei aber nicht erneut zum Einsatz. Die vorgewarnte Polizei hatte die Situation relativ schnell im Griff.

Nach Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) hat sich auch sein Parteifreund Herbert Reul zu den Ausschreitungen geäußert. „Es ist ein Hinweis, dass wir es noch nicht im Griff haben“, sagte der NRW-Innenminister dem WDR. Er hoffe, dass es ein „singuläres Ereignis“ sei. Denn eigentlich sei die Zahl der Tumulte in den letzten Jahren zurückgegangen. „Wir hatten wirklich gerade in Essen Ruhe und dann dieser fürchterliche Ausbruch. Da muss man genauer hingucken.“

Weniger Tumultlagen ein „Erfolg des konsequenten Einschreitens“

Noch im April hatte die Polizei Essen den Rückgang der Schlägereien verfeindeter Gruppen auf offener Straße „mit Tendenz gegen Null“ als „Erfolg konsequenten Einschreitens“ verkauft. Unter dem fast täglichen Druck der Kontrollen sei die Zahl der Delikte im Kontext der sogenannten Clan-Kriminalität binnen eines Jahres von 699 um 100 genauso gesunken, wie die der Tatverdächtigen von 499 auf 454.

Die Essener FDP-Fraktion forderte unterdessen nicht nur, dass die Täter möglichst schnell identifiziert und bestraft werden, sondern auch ein weitreichendes Sicherheitskonzept unter Einbindung der Polizei, beispielsweise mit einer ständigen Mobilen Wache, dem Kommunalen Ordnungsdienst und den zuständigen Verkehrsaufsehern, auch nach den Regeldienstzeiten.

„Wir müssen in bestimmten Gebieten und Stadtteilen der Stadt unentwegt Präsenz zeigen, um den Aggressoren zu zeigen, dass wir das so nicht mehr akzeptieren werden. Es kann nicht sein, dass Bürger unserer Stadt Angst haben, auf die Straße zu gehen“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß. Es sei nicht mehr hinnehmbar, dass der Rechtsstaat von bestimmten Gruppen so unterwandert werde: „Diese Art der Auseinandersetzungen und Gewaltausbrüche dürfen und können wir nicht mehr tolerieren.“

Essen bleibt die Hochburg der Clan-Kriminalität in NRW

Essen war und ist mit 599 registrierten Straftaten und 454 Verdächtigen allein in 2021 nach wie vor die Hochburg der Clan-Kriminalität in Nordrhein-Westfalen - gefolgt von Recklinghausen (447 Delikte) und Gelsenkirchen (382 Straftaten). Dies geht aus dem aktuellen Lagebild des Landeskriminalamtes hervor.

32.000 Stunden war die Polizei im vergangenen Jahr im Essener Clan-Milieu im Einsatz. 119 Shishabars, 35 Wettbüros sowie 481 „sonstige Orte“ wurden kontrolliert, 18 Waffen sichergestellt, 210 Strafanzeigen geschrieben, 34 Verdächtige fest- und 23 in Gewahrsam genommen. Bei Überprüfungen von 3862 Autofahrer stellten die Beamten 80 Führerscheine sowie 26 teils hochwertige Autos zumindest vorübergehend sicher.

Es dürfte wohl nicht lange dauern, bis sich auch der neue NRW-Landtag mit den gewaltsamen Ausschreitungen in Altendorf beschäftigt. Möglicherweise wird dann auch offiziell bestätigt, dass eine Fehde zwischen zwei libanesischen Großfamilien, die an der Oberdorfstraße und am Schölerpad wohnen sollen, vermutlich die Auslöser der Massenschlägereien war.