Essen-Altendorf. Die Hirtsiefer-Siedlung in Essen-Altendorf steht unter Denkmalschutz. Ein Architekt erklärt, warum das Quartier jetzt eine Herausforderung ist.
Die Essener Hirtsiefer-Siedlung am westlichen Rand von Essen-Altendorf steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Die Siedlung mit knapp 750 Wohneinheiten, die nach Heinrich Hirtsiefer, dem Gründer der Wohnungsgenossenschaft Essen Nord benannt ist, wurde zwischen 1918 und 1928 erbaut. Noch heute birgt die Siedlung Besonderheiten. Sowohl auf architektonischer als auch auf menschlicher Ebene.
„Die Hirtsiefer-Siedlung hat zur Baukultur in Essen beigetragen“, sagte Andreas Dargegen, Architekt und Vorstandsmitglied der Wohnungsgenossenschaft Essen-Nord. Durch den Denkmalschutz werde der Stellenwert der Hirtsiefer-Siedlung unterstrichen, betont der Architekt. Neben den Besonderheiten gebe es aber auch Herausforderungen für die Wohnungsgenossenschaft. Das wurde bei einem Vortrag am Dienstag (14. Juni) im Forum Kunst und Architektur deutlich.
Der sozialer Leitgedanke wird in der heutigen Zeit weitergeführt
Architektonisch zeichne die Hirtsiefer-Siedlung, die als kleine Schwester der Margarethenhöhe gilt, besonders die einheitliche städtebauliche und architektonische Planung aus, die bis heute erhalten sei. Auffällig seien die bunten Fensterläden sowie Türen der Häuser. Um den dicht besiedelten Stadtteil grüner zu machen, plante der Mülheimer Architekt Theodor Suhnel eine Parkanlage im Inneren der Siedlung. Heute gibt es dort auch einen Spielplatz und Sitzmöglichkeiten, die zum Verweilen einladen. Die heute stark befahrene Hirtsieferstraße erinnert an eine Allee. Schon zur Gründerzeit wurde dieser Allee-Gedanke ins Leben gerufen und Bäume wurden entlang der Straße gepflanzt.
Zusätzlich zur Architektur der Altendorfer Siedlung, sei nach Angaben von Dargegen auch das zwischenmenschliche Verhalten in dem Quartier wichtig für die Wohnungsgenossenschaft, die ihren Sitz ebenfalls in Altendorf hat. Die Hirtsiefer-Siedlung sei noch ein Ort, wo das nachbarschaftliche Verhältnis funktioniere, erklärte der Architekt: „Oft geht dieses nachbarschaftliche Verhältnis verloren und man kennt die Personen, die nebenan einziehen nicht mehr. Das soll in der Hirtsiefer-Siedlung beibehalten werden.“ Die Wohnungsgenossenschaft unterstütze das Zusammenleben durch gesellschaftliches Engagement.
Barrierefreier Umbau als Herausforderungen in Essener Hirtsiefer-Siedlung
Eine Herausforderung stelle jedoch der barrierefreie Umbau dar. Dieser sei in den bestehenden Häusern überwiegend nicht leistbar, erklärte Dargegen. Dennoch werde an einer entsprechenden Lösung gearbeitet. Am Rande der unter Denkmalschutz stehenden Siedlung könne der Wohnungsbestand durch barrierefreie und altersgerechte Wohnungen ergänzt werden. „Durch die starke Ortsverbundenheit der Bewohner ist das möglich“, sagte der Architekt.
Diese Ortsverbundenheit merke die Wohnungsgenossenschaft in der Altendorfer Siedlung auch daran, dass eine geringe Fluktuation stattfinde. „Im letzten Jahr hatten wir lediglich eine Fluktuation von sieben Prozent“, erklärte der Architekt. Manche Bewohner leben seit rund 60 Jahren in der Siedlung. Das Vorstandsmitglied ergänzt, dass manche der Mieter in der Siedlung geboren wurden und anschließend selbst eine Wohnung angemietet haben.
Wichtig sei der Genossenschaft, dass die Marktfähigkeit der Siedlung beibehalten werde. Trotz der demografischen Lage, der Zuzüge und der mitunter abnehmenden Zahlungsfähigkeit der Interessenten wolle die Wohnungsgenossenschaft am Markt bestehen. „Wir bieten allen Menschen einen Wohnraum an. Ich gehe davon aus, dass die Gründervater es damals genauso gemacht haben“, sagte der Architekt und bezieht sich dabei auf Heinrich Hirtsiefer, der den sozialen Wohnungsbau prägte.
Die heutige Hirtsiefer-Siedlung ergibt ein harmonisches Gesamtbild
Durch die Siedlung solle die Wohnqualität im dicht besiedelten Altendorf gesteigert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der Entwurf des Mülheimer Architekten Theodor Suhnel umgesetzt. Dieser sah vor, dass um eine grüne Parkfläche mehrere Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut werden. Wegen der Folgen des Ersten Weltkrieges wurde dieser Entwurf jedoch umgeplant. „Es herrschte ein Wohnungsmangel, weswegen auch mehrgeschossige Mietshäuser erbaut wurden“, erklärte das Vorstandsmitglied.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Siedlung nach dem damaligen Standard saniert. Dazu gehörte auch die Zusammenlegung von Wohnungen. Heute ergebe sich durch die verschiedenen Bautypen ein gelungenes Zusammenspiel. „Die Alt- und Neubauten in der Hirtsiefer-Siedlung bilden ein harmonisches Gesamtbild“, sagte Dargegen.
Der Essener Gründervater der Genossenschaft und Namensgeber der Siedlung, der Sozialpolitiker Heinrich Hirtsiefer, spiele auch heute noch eine große Rolle. Hirtsiefers ehemalige Wohnung in der Mercatorstraße, die er bewohnte, bis er von den Nationalsozialisten inhaftiert wurde und vor der ein Stolperstein für ihn verlegt wurde, sei noch immer die größte Wohnung der gesamten Siedlung.