Essen. In NRW zeichnet sich 2022 ein neuer Negativrekord an unbesetzten Lehrstellen ab. Die Betriebe bieten viel mehr Plätze an als es Bewerber gibt.

Der Arbeitsmarkt erholt sich trotz der Folgen des Ukraine-Krieges, gleichzeitig verschärft sich der Nachwuchsmangel weiter. Für rund 17.000 angebotene Lehrstellen gibt es schon jetzt, vier Monate vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres, rechnerisch keine Bewerberinnen und Bewerber mehr. Das geht aus den Daten der Bundesagentur für Arbeit für Mai hervor. Damit droht dem Land ein neuer Negativrekord an unbesetzten Ausbildungsstellen, 2021 blieben 11.400 Plätze verwaist.

Die Unternehmen und Betriebe suchen trotz der Folgen des Ukraine-Krieges und der Pandemie nach wie vor Verstärkung. Landesweit sind aktuell mehr als 170.000 Arbeitsplätze, vor allem für Fachkräfte ausgeschrieben. Gleichzeitig werden noch 54.700 Auszubildende gesucht – 18 Prozent mehr als vor einem Jahr. Dem stehen aber nur noch 37.800 junge Menschen gegenüber, die sich um eine Lehrstelle bemühen. Damit kommen auf 100 unbesetzte Plätze nur noch 69 Jugendliche, vor einem Jahr waren es noch 85.

Auch interessant

Dem Handwerk, Handel und der Industrie droht damit eine weitere Zuspitzung ihres seit Jahren beklagten Nachwuchsmangels. Die Kammern haben deshalb bereits vor Wochen Alarm geschlagen und die neue Landesregierung vorab gebeten, die berufliche Ausbildung zu stärken. Von „Fachkräftenot“ sprechen die IHK NRW und der Westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) bereits. Sie gefährde „den Wirtschaftsstandort NRW und damit auch „unseren Wohlstand“, warnen sie in einem gemeinsamen Papier. Die neue, mutmaßlich schwarz-grüne Regierung müsse für mehr Akzeptanz der Ausbildung an den Gymnasien, mehr Praxisphasen an den Schulen und mehr Lehrpersonal an den Berufsschulen sorgen.

„Sommer der Berufsausbildung“ im Juni

Zunächst rufen die Partner am Ausbildungsmarkt in diesem Juni den „Sommer der Berufsausbildung“ aus, wollen mit vielen Beratungs- und Vermittlungsaktionen noch möglichst viele Jugendliche und Betriebe zusammenbringen. „Jeder einzelne Ausbildungsvertrag ist wichtig für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes NRW. Wir brauchen die jungen Menschen als Fachkräfte und müssen daher alles tun, um sie für die duale Berufsausbildung zu begeistern“, sagt Torsten Withake, Chef der Arbeitsagenturen in NRW.

Auch interessant

Landesweit gibt es inzwischen teils deutlich mehr Lehrstellen als Bewerberinnen und Bewerber. Unrühmliche Ausnahme ist neben dem Bergischen Land nach wie vor das Ruhrgebiet. Allerdings wurden auch zwischen Duisburg und Dortmund in diesem Jahr gut 2000 mehr Ausbildungsplätze angeboten als vor Jahresfrist, gleichzeitig schrumpft die Zahl der interessierten Jugendlichen. Aktuell gibt es für 100 Bewerber immerhin 94 offene Lehrstellen. Und weil Wünsche und Angebote oft nicht zueinander passen, werden auch im Ruhrgebiet viele Betriebe vergeblich suchen. Weil viele junge Frauen und Männer inzwischen Abstand von einer Berufsausbildung ab diesem Jahr genommen haben, gibt es im Revier bereits jetzt rund 2400 mehr unbesetzte Stellen als unversorgte Jugendliche.

Wunschberuf und Angebot passen oft nicht

Denn nach wie vor wollen zum Beispiel deutlich mehr Jugendliche Kfz-Mechatroniker werden als es Stellen gibt – aktuell bewerben sich 4650 Jugendliche um 1960 freie Plätze. Vor allem junge Frauen wollen medizinische Fachangestellte werden, doch für die 4620 Bewerberinnen gibt es nur noch 3490 Stellen. Dagegen lässt etwa das Interesse an einer Ausbildung zu Einzelhandelskaufleuten ab – „nur noch rund 4000 Jugendliche bewerben sich um noch 6650 zu vergebende Plätze.

podcast-image

Am Arbeitsmarkt wird derzeit ebenfalls unterm Strich mehr eingestellt als entlassen: Im Mai sank die Zahl der Arbeitslosen in NRW um rund 7900 auf 637.800. Das waren fast 100.000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr, die Erholung der Wirtschaft nach der härtesten Phase der Corona-Lockdowns geht also weiter. Welche Folgen der Krieg in der Ukraine in den kommenden Monaten noch haben wird, ist aber offen. Rekordinflation, Energiekrise und im schlimmsten Fall -knappheit verheißen für den Herbst nichts Gutes.