Essen. Mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht füllen sich die Büros noch längst nicht wieder. Manch Unternehmen trifft auch auf Widerstand.
Die Homeoffice-Pflicht ist ausgelaufen und trotzdem bleiben in Essen weiterhin viele Büros leer. Viele Unternehmen hätten die Regelung zunächst bis nach den Osterferien verlängert, sagt der Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV), Ulrich Kanders. Wie eine Umfrage der Redaktion ergab, gelten sie zum Teil sogar noch weit darüber hinaus.
Grund sind die nach wie vor hohen Infektionszahlen. „Es herrscht die Sorge, dass die Zahl der Infektionen in den Unternehmen explodieren könnte“, so Kanders.
Wie es in den Unternehmen mit Homeoffice weitergeht, wenn die Pandemie in ein paar Wochen hoffentlich abklingt, sei allerdings sehr unterschiedlich. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen würden gern wieder zur Normalität der Vor-Corona-Zeit zurückkehren und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro zurückholen. „Geblockt wird bei den Betriebsräten und Beschäftigten selbst“, so Kanders. Der Widerstand sei bisweilen groß, weil sich die Mitarbeiter in den zwei Jahren an das Arbeiten von zu Hause aus gewöhnt hätten.
EUV: Betriebsräte und Mitarbeiter leisten Widerstand gegen Rückkehr ins Büro
Deshalb gehen viele Unternehmen künftig Kompromisslösungen ein und wollen nach den Erfahrungen des EUV in der Regel zwei Tage mobiles Arbeiten pro Woche zulassen. Herrscht also doch großes Misstrauen aufseiten der Unternehmer? Kanders will nicht von Misstrauen sprechen. „Den Führungskräften fehlt der direkte Zugang zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mal eben etwas auf dem kurzen Dienstweg klären, geht im Homeoffice schlecht.“ Auch Projektarbeiten oder die Integration neuer Mitarbeiter gelängen im Team vor Ort besser.
Zurück ins Büro trotz Corona- Das müssen Arbeitnehmer wissenIm Moment haben die Juristen beim EUV gut zutun und beraten Unternehmen zur künftigen Ausgestaltung des mobilen Arbeitens. Viele Betriebsvereinbarungen werden zurzeit aufgesetzt. Daraus lässt sich schließen, dass die Betriebe erst jetzt tatsächlich damit beginnen, Homeoffice-Regelungen nach Corona verbindlich festzuschreiben. Kanders bestätigt dies: „Bislang war es ja eine zwangsweise Regelung.“
Unternehmen bieten weiterhin mobiles Arbeiten an
Die Vorbehalte gegenüber Homeoffice scheinen auch nach zwei Jahren Pandemie vor allem in einigen kleineren Unternehmen groß zu sein. Dennoch ist Kanders davon überzeugt, dass sich mobiles Arbeiten – in welchem Umfang auch immer – in Zukunft durchsetzen wird. „Auch kleine und mittlere Unternehmen werden sich anpassen müssen, wenn sie bei der Gewinnung von Fachkräften interessant bleiben wollen.“
Mit dem Auslaufen der Homeoffice-Pflicht sind die Arbeitgeber nun für den Schutz ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Wie eine Umfrage zeigt, gehen gerade die Konzerne mit den Lockerungen sehr verhalten um. Viele Beschäftigte arbeiten derzeit weiter von zu Hause aus.
Der Schuhhändler Deichmann zum Beispiel hat seine Corona-Schutzmaßnahmen bis zum 25. Mai verlängert. Das gilt für das mobile Arbeiten genauso wie für die 3G-Regel am Arbeitsplatz – nur dass das Letztere jetzt auf freiwilliger Basis umgesetzt wird. Es gelte, so ein Sprecher, „mit Blick auf das Virus weiterhin besonnen und verantwortlich zu handeln“. Aber auch nach der Pandemie werde Deichmann „auf eine gute hybride Mischung mit Möglichkeiten des mobilen Arbeitens“ setzen.
Bei der Stadt Essen sind derzeit noch fast 1000 Mitarbeiter im Homeoffice tätig. Mit Blick auf die hohen Inzidenzen seien die Fachbereiche angehalten, auch weiterhin „großzügig mit der Regelung für mobiles Arbeiten umzugehen“, teilte eine Sprecherin mit.
Aldi Nord strebt Lockerungen ab April an, Deichmann erst Ende Mai
Aldi Nord hat seine bisherigen Corona-Schutzregeln, dazu zählt auch das mobile Arbeiten, bis Ende März verlängert. „Ab April streben wir – abhängig vom weiteren Infektionsgeschehen – ein hybrides Modell an, das unseren Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin ermöglicht, einem Teil der Arbeit außerhalb der Büros nachzugehen“, hieß es aus der Zentrale des Discounters.
Mit Blick auf das aktuelle Pandemiegeschehen geht Thyssenkrupp ebenfalls „schrittweise und behutsam vor“. Das heißt, viele Mitarbeiter im Essener Thyssenkrupp-Quartier arbeiten weiterhin von zu Hause aus. Die Präsenz in den Büros solle möglichst gering sein, teilte ein Sprecher mit. Aber auch über Corona hinaus werde das mobile oder hybride Arbeiten, also der regelmäßige Wechsel zwischen mobiler Arbeit und Arbeit im Büro, fester Bestandteil flexibler Beschäftigungs- und Arbeitszeitmodelle im Konzern sein.
Bei Evonik und RWE ist weiter Homeoffice angesagt
Das will auch der Chemiekonzern Evonik nach der Pandemie so halten, wo immer Homeoffice möglich ist. Momentan jedoch seien die Mitarbeiter aufgefordert, auch ohne Homeoffice-Pflicht weiterhin pragmatische Absprachen mit ihren Vorgesetzten zum mobilen Arbeiten zu treffen, erklärte eine Sprecherin.
Bereits seit Beginn der Pandemie nutzten die Beschäftigten in der Verwaltung des Energieriesen RWE die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten von zu Hause aus „in großen Umfang“, berichtete ein Sprecher. Das soll vorerst auch so bleiben, so lange das Infektionsgeschehen so hoch ist. Doch auch bei RWE werden hybride Arbeitsmodelle über Corona hinaus erhalten bleiben, weil sie „sehr wichtig für die Attraktivität von Arbeitgebern sind“, heißt es. RWE setze daher auch in Zukunft auf moderne und agile Arbeitsformate.