Essen-Rüttenscheid. Die Rüttenscheider Band umbra hat ihre erste EP rausgebracht. Darin thematisieren sie Klimakrise, Zukunft – und persönliche Erfahrungen.

„Tiefblau“ heißt die erste EP der Rüttenscheider Indierock-Band umbra. Seit Beginn der Coronapandemie proben Jules Aschenbrenner (26, Sänger, Songwriter), Philipp Werth (26, Gitarrist) und Till von Pock (27, Bassist) gemeinsam in einem Raum des Freizeitzentrums EMO in Essen-Rüttenscheid – direkt in einem Hinterhof gelegen, in dem Kinder Ball spielen, Jugendliche auf den Bänken Musik hören und Mütter an ihren Kaffeetassen nippen.

Sieben Songs sind auf der EP zu hören, jetzt will sich die Band auf Live-Auftritte fokussieren. Mit Laura Lindemann sprachen sie über musikalische Vorbilder, Angst vor der Klimakrise und Klischees in der deutschen Popmusik.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten EP. Wie kam es zu dem Titel „Tiefblau“?

Till von Pock: Danke, danke. In unseren Songs findet sich die Farbe auf unterschiedliche Art und Weise wieder – sie kann das Meer, der Weltraum oder der Nachthimmel sein. Aber auch ein Gefühl. In unserer EP ist die Farbe ein verbindendes Element.

Jules Aschenbrenner: In unserer Musik geht es viel um das Thema Umwelt und unseren Planeten und wie wir Menschen darauf leben. Uns war es wichtig, dem Thema eine Farbe zuzuordnen.

Philipp Werth: Unser Bandname umbra ist zum Beispiel auch eine Farbe, ein Erdton. Wir wollten eine Farbe, die uns an die Natur erinnert.

Sie deuten in Ihren Songs häufig auf das Thema Nachhaltigkeit hin, benennen es aber nicht konkret. Wie platzieren Sie das Thema?

Werth: Die Klimakrise ist häufig mit einer Zukunftsangst verbunden. Diese Emotionen thematisieren wir zum Beispiel durch die Verwendung passender Sprachbilder. Wir möchten Geschichten erzählen, ohne zu plakativ mit dem Finger auf Probleme zu zeigen.

Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Texte?

Aschenbrenner: Viele unserer Songs sind autobiografisch geprägt. Im Lied „Vakuum“ geht es zum Beispiel darum, in oder mit einer Person einen Rückzugsort zu finden. Jeder hatte doch mal eine Phase, in der man sich vor der Welt verschließt und nicht so recht weiß, wohin mit sich. So ein Rückzugsort ist zum einen etwas sehr schönes, kann aber auch dazu führen, dass man sich zu wenig mit seinen Problemen auseinandersetzt.

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von Pock: Oft sind wir aber auch von äußeren Eindrücken inspiriert. Wir laufen mit offenen Augen und Sinnen durch die Welt und nehmen die Eindrücke – glückliche und traurige – mit in unsere Songs. Die Stadt Essen ist ein gutes Beispiel dafür: Wenn ich am Hauptbahnhof aussteige und dann nach Rüttenscheid fahre, bekomme ich ganz unterschiedliche Schicksale mit. Da fängt es schon damit an, eine Rentnerin oder einen Rentner im Müll nach Pfandflaschen suchen zu sehen.

Welche Musik hören Sie privat?

Aschenbrenner: Wir hören privat super viel unterschiedliche Musik. Haupteinflüsse für die EP sind die Giant Rooks, Tua und Bon Iver.

Werth: Gerade Tua höre ich gerne. Ich mag das Melancholische in seinen Texten. Denn wir leben in einer Zeit, in der man um die bad vibes (dt. schlechte Stimmungen) nicht herumkommt. Egal, ob Klimakrise, Coronapandemie oder Ukraine-Krieg: Ich mag es, wenn man die negativen Gefühle, durch die Musik mit anderen teilt. Auch unser Album hat melancholische Einflüsse – es ist ein Resultat der vergangenen zwei Jahre.

Das sind ernste Themen. Satiriker wie Jan Böhmermann nehmen deutsche Pop- und Indie-Songs ja gerne mal auf die Schippe, deklarieren sie als „inhaltsleer“. Wurden Sie auch schonmal für Ihre Musik belächelt?

Aschenbrenner: Ich hatte noch nicht das Gefühl, dass wir nicht ernst genommen wurden. Wir steuern in unseren Texten aber auch bewusst dagegen und wollen auf keinen Fall belanglos wirken. Oft sind es nur Nuancen, die einen Text für manche Menschen kippen lassen.

Werth: Wenn Jules uns seine geschriebenen Texte vorsingt, komme ich mir vor wie bei einem Lektorat, auf der Suche nach einem zu klischeehaften Satz. (lacht) Teilweise drehen wir Sätze mehrmals um, machen uns über jedes Wort Gedanken. Denn ich finde auch, dass man einige Songs im Deutschpop kritisieren kann. In manchen Texten geht es um nichts und wieder nichts.

Sie schreiben alle ihre Lieder selbst. Wollen Sie davon später leben?

von Pock: Ich könnte mir vorstellen, dass das hauptberufliche Musizieren großen Druck erzeugt. Natürlich kann man Musik heutzutage so produzieren, dass sie genau in den Algorithmus der sozialen Plattformen Instagram oder TikTok passt. Da entscheiden wir uns bewusst dagegen.

Aschenbrenner: Wenn wir das nicht hauptberuflich machen und dabei irgendwelche Standards erfüllen müssen, können wir uns mehr Zeit lassen – um genau das zu schreiben, worauf wir richtig Bock haben. Gerade arbeiten wir an neuen Songs und wollen demnächst noch eine EP rausbringen. Und vor allem möchten wir auf die Bühne und so viel live spielen, wie es geht.

Das klingt nach großen Plänen. Erinnern Sie sich noch an die Anfänge vom umbra?

von Pock: In der Öffentlichkeit treten wir seit einem Jahr als Band auf, kennen uns aber schon deutlich länger – Jules und Philipp schon seit dem Kindergarten. Ich habe Philipp im Hörsaal der Uni Köln kennengelernt. Er hat mich auf das Pfingst-Open-Air-Festival in Essen-Werden mitgenommen, da habe ich Jules kennengelernt. 2019 haben wir im Keller das erste Mal zusammen geprobt.

Werth: Eine Band funktioniert wie eine Beziehung. Wenn man es ernst meint und sein ganzes Herzblut reinsteckt, verlangt das viel Zeit und Arbeit.

Zu hören ist die EP auf allen Musik-Streaming-Plattformen, unter anderem über Spotify, Apple Music und Deezer.