Essen. Wer seinen Hund aus dem Essener Tierheim holt, muss drei Jahre keine Hundesteuer zahlen. Anderswo wird die Steuer fällig. Ein Bürger klagt nun.

Bürger kontra Stadt: Martin Damek aus Essen-Kray hat seine rumänische Mischlingshündin „Mimi“ vor drei Monaten in der Hundeauffangstation des Vereins „Pro Vita Animale e. V.“ am Bonifaciusring 1 erworben. Pro Jahr muss er für sie 156 Euro Hundesteuer zahlen. Hätte er einen Hund vom Tierschutzverein Groß-Essen e. V. aus dem Bestand des Albert-Schweitzer-Tierheims an der Grillostraße übernommen, würde die Stadt Essen ihm die Hundesteuer drei Jahre lang komplett erlassen – das ergäbe unterm Strich eine Minderbelastung von zusammen 468 Euro. Der Hundehalter sieht darin eine grobe Ungleichbehandlung und klagt jetzt vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen die Stadt.

Damek: „Ich fordere die gleiche Hundesteuer-Befreiung für unseren Hund“

„Durch die Hundesteuersatzung der Stadt Essen fühle ich mich ungerecht behandelt und fordere die gleiche Hundesteuer-Befreiung für unseren Hund“, argumentiert Damek. Beim Ortstermin vor der Hundeauffangstation in Kray hält er die Eingangsbestätigung des Verwaltungsgerichts und den Gebührenbescheid mit Streitwertfestsetzung über 468 Euro in den Händen.

Fast vier Millionen Euro hat die Stadt Essen zuletzt im Jahr durch die Hundesteuer auf ihrer Habenseite verbucht. Sollte Martin Damek seinen Rechtsstreit – eine Art Musterklage – gewinnen, könnten andere Hundehalter ebenfalls auf die Idee kommen, gegen die Stadt zu klagen.

Im Rathaus gibt man sich jedoch gelassen. In der Vergangenheit habe es dazu keine Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürger und Stadt gegeben. Gleichgelagerte Fälle, die zuungunsten der Kommune entschieden wurden, sind dem Rechtsamt ebenfalls nicht bekannt.

Stadt Essen verweist auf die „sehr wichtige hoheitliche Aufgabe“ des Tierheims

In einer ausführlichen Stellungnahme legt die Stadt dar, warum sie das Tierheim an der Grillostraße gezielt bevorzugt. Indem es herrenlose Hunde aufnehme oder beispielsweise Hunde, die Tierhaltern nach einer ordnungsbehördlichen Maßnahme weggenommen wurde, und obendrein Quarantänestationen bereitstelle, erfülle es „eine sehr wichtige hoheitliche Aufgabe, die sonst durch die Stadt Essen selbst erbracht werden müsste“.

Der Tierschutzverein Groß-Essen ist zwar ein eingetragener Verein, aber das Tierheim, so betont es das Presseamt ausdrücklich, sei städtisch. Tierheim und Tierschutzverein erhielten deshalb einen finanziellen Ausgleich von der Stadt. Die Befreiung von der Hundesteuer sei als wichtiger Anreiz zur Aufnahme eines Vierbeiners zu verstehen, die letzten Endes das Tierheim entlaste. Je mehr Hunde das städtische Tierheim abgebe, so das Kalkül, desto geringer fielen zum Nutzen aller Bürger die Gesamtkosten des Heims aus. Bislang galt die Befreiung von der Hundesteuer für ein Jahr, nach der jüngsten Satzungsänderung von Ende 2021 sind es nun drei Jahre.

Mischlingshündin „Mimi“ wäre vermutlich in einer rumänischen Tötungsstation gelandet

Der Tierschutzverein Pro Vita Animale betreibt eine Hundeauffangstation in Essen-Kray. Hier hat der Essener Hundehalter Martin Damek seine Mischlingshündin „Mimi“ gekauft – und möchte von der Hundesteuer befreit werden.
Der Tierschutzverein Pro Vita Animale betreibt eine Hundeauffangstation in Essen-Kray. Hier hat der Essener Hundehalter Martin Damek seine Mischlingshündin „Mimi“ gekauft – und möchte von der Hundesteuer befreit werden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Martin Damek hat seine „Mimi“ vor drei Monaten aus der Auffangstation von „Pro Vita Animale“ geholt: ein Mix aus Belgischem Schäferhund und Deutschem Pinscher. Sie stamme aus Rumänien und wäre nach Dameks Angaben in einer Tötungsstation gelandet. Die Leute von Pro Vita Animale hätten sie nach Deutschland gebracht und nach zwei gescheiterten Vermittlungen in Dameks Hände gegeben. Daher argumentiert er: „Auch Halter von Hunden aus anderen Essener Tierschutzeinrichtungen sollten belohnt werden, den Tierschutz zu unterstützen.“

Grundsätzlich argumentiert Damek, dass es sich beim Albert-Schweitzer-Tierheim nicht um „das städtische Tierheim“ handele, sondern um ein von einem privatrechtlichen Verein betriebenes Tierheim, das „unter anderem von der Stadt Essen unterstützt“ werde. Ein weiteres Argument Dameks: Hunde aus dem Tierheim Essen würden im Vergleich zu anderen Tierschutzeinrichtungen zu weitaus geringeren Kosten an Hundehalter abgegeben. Seine „Mimi“ habe bei Pro Vita Animale e. V. rund 400 Euro gekostet, beim Albert-Schweitzer-Tierheim sei ein Hund bereits für 80 Euro erhältlich, behauptet Damek.

Was dem Rechtsstreit eine pikante Note verleiht: Als Zollfahnder in Diensten des Zollfahndungsamtes Essen hat der diplomierte Verwaltungswirt noch bis zu seiner Pensionierung im Juni dafür zu sorgen, dass dem Staat keine Steuern entgehen – etwa in der Bekämpfung von Schwarzarbeit.