Essen-Altenessen. Das Fliz-Mobil versorgt benachteiligte Kinder im Essener Norden. In der Corona-Zeit musste das Team kreativ werden.

Eine Gruppe Mädchen malt lachende Kreidegesichter auf den Boden, zwei Mütter lehnen an der Wand, nippen an ihren Kaffeetassen und ein paar Jungs spielen auf dem Vorplatz der Herz-Jesu-Kirche fangen. An der Bäuminghausstraße in Altenessen wird gelacht, geplaudert und getobt – wie jeden Dienstag, wenn das „Fliz-Mobil“ dort parkt.

„Fliz“ steht für „Familien-Leben im Zentrum“, und passender könnte der Name nicht sein. „Hier ist ein Ort, an dem sich Familien aus dem Viertel miteinander austauschen können. Auch über Probleme und Schwierigkeiten“, sagt Silke Michel (40), die lange Zeit das Fliz-Mobil des Caritas-SkF-Essen (CSE) koordiniert hat. Heute vertritt sie ihre Nachfolgerin Astrid van der Heyden.

Wissen über gesunde Ernährung fehlt in vielen Familien

Das kostenlose Angebot richtet sich in erster Linie an sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, „die mit unterschiedlichen Sorgen belastet sind, zum Beispiel finanziell oder materiell“, erklärt Michel. Der Fokus liegt darauf, jungen Menschen Themen rund um ausgewogene Ernährung und Bewegung näher zu bringen. Denn das ist laut Michel Basis der Bildung: „Nur, wer etwas Gesundes im Bauch hat, kann den Kopf richtig benutzen.“

Vielen Familien fehle in diesem Bereich das Wissen, oft würden Fertigprodukte gekauft, um Geld zu sparen. Häufiges Resultat: Übergewicht oder mangelnde Zahngesundheit. Das möchte das Team vom Fliz-Mobil ändern, „deshalb rechnen wir beispielsweise vor, wie günstig auch frisches Obst und Gemüse sein kann und geben Tipps und Beratung“, sagt die Koordinatorin.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus zu Besuch beim Fliz-Mobil

Auch auf politischer Ebene wird viel über Kinderarmut in Deutschland diskutiert. Immerhin ist jedes fünfte Kind davon betroffen. In NRW sind rund 23 Prozent der Minderjährigen armutsgefährdet – mehr als im Bundesdurchschnitt. Das geht aus aktuellen Zahlen des NRW-Sozialberichts hervor. Lisa Paus, seit ein paar Wochen Grünen-Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, möchte sich deshalb ein Bild über die Lage im Ruhrgebiet machen und besucht das Fliz-Mobil in Altenessen.

„Kinderarmut ist ein großes Problem und wir müssen dagegen angehen“, sagt Paus. „Das Fliz-Mobil ist ein wichtiges Projekt und ich freue mich, mehr über die Arbeit vor Ort zu erfahren. „Es ist schön zu sehen, dass das Angebot hier so gut von den Kindern und Jugendlichen angenommen wird.“

Lisa Paus (Grüne), Ministerin für Familie, Senioren, Grauen und Jugend besucht das Fliz-Mobil an der Bäuminghausstraße in Altenessen.
Lisa Paus (Grüne), Ministerin für Familie, Senioren, Grauen und Jugend besucht das Fliz-Mobil an der Bäuminghausstraße in Altenessen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Das Fliz-Mobil gibt es seit 2009, gestartet ist es an der Gemeinde St. Barbara in Kray. Mittlerweile parkt es zusätzlich an der Herz-Jesu-Kirche in Altenessen und an der St. Gertrud-Kirche am Viehofer Platz in der Innenstadt. An Essener Grundschulen ist das Team ebenfalls vertreten und klärt dort Schülerinnen und Schüler über Ernährung und Bewegung auf. Silke Michel muss lachen, wenn sie an den Eröffnungstag zurückdenkt: „Da ist niemand gekommen. Wir haben von der Essener Tafel Lebensmittel zur Verfügung gestellt bekommen, aber kein Kind war zum Essen da.“ Heute besuchen, je nach Standort, zwischen 40 und 70 Kinder das Fliz-Mobil.

So können Sie das Fliz-Mobil unterstützen

Das Essener Fliz-Mobil finanziert sich über Spenden. Interessierte, die helfen möchten, erhalten Infos unter cse.ruhr/spenden.de. Mit den Spenden möchte das Fliz-Mobil-Team unter anderem Projekte wie eine Lernwerkstatt finanzieren, bei dem die Kinder Nachhilfe erhalten können.

An diesen Orten ist das Fliz-Mobil unterwegs: montags an der Gemeinde St. Barbara in Kray, dienstags an der Herz-Jesu-Kirche in Altenessen, mittwochs an der St. Getrud-Kirche am Viehofer Platz in der Innenstadt, jeweils von 12 bis 18 Uhr. An den vielen Essener Grundschulen klärt das Team regelmäßig über ausgewogene Ernährung und Bewegung auf.

Dem Fliz-Mobil fehlt es an Personal

Für Michel ist das einerseits eine große Freude, andererseits brauche es bei vielen Kindern auch ausreichend Personal. Doch daran fehlt es dem Fliz-Mobil: „Bei uns arbeiten Ehrenamtliche, Honorarkräfte und Menschen, die hier ihre Sozialstunden ableisten“, erklärt Michels. „Wir haben nur drei volle Stellen, verteilt auf vier Personen. Das ist zu wenig, wir können nicht alles den Ehrenamtlichen aufbürden.“

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Ernst Wacker (69) und Waltraut Bugnacki (67) sind seit vielen Jahren die guten Seelen der Küche und kochen für und mit den Kindern. „Heute gibt’s Spaghetti mit Gemüse-Sauce“, sagt Ehrenamtler Wacker und schöpft die bunte Sauce aus einem riesigen Topf. „Alles frisch und vegetarisch.“ Gespendet werden die Lebensmittel von der Essener Tafel. Die holt das Fliz-Mobil dort ab und bringt sie in die jeweilige Einrichtung am Standort, in der das Essen gemeinsam zubereitet und gegessen wird. In Altenessen ist das der Treffpunkt Süd an der Herz-Jesu-Kirche. Für ihn sei der Tag gerettet, sagt der Rentner, wenn die Kinder sich über das Essen freuen. „Manchmal essen die Kinder allerdings so viel, dass man meinen könnte, sie hätten lange nichts mehr bekommen. Das geht einem schon nah.“

In der Corona-Zeit haben viele Kinder besonders gelitten

Besonders die Corona-Zeit habe bei vielen Kindern Spuren hinterlassen, beobachtet Silke Michel. Einigen Kinder hätten zugenommen und seien unbeweglicher geworden. „Hier und da haben wir uns wirklich erschrocken.“ Auch habe es ein paar brenzliche Situationen gegeben, wo das Fliz-Mobil Hilfestellung leisten musste. Welche das genau waren, führt die 40-Jährige nicht aus.

Silke Michel vom Fliz-Mobil kennt die Sorgen und Nöte vieler Familien in Essen.
Silke Michel vom Fliz-Mobil kennt die Sorgen und Nöte vieler Familien in Essen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Eine Zeit lang fielen den Helferinnen und Helfern, die an das Fliz-Mobil angebunden Räumlichkeiten weg. „Wir hatten kein Dach mehr über dem Kopf. Da haben wir uns mit einem Snack-Lastenrad auf Spielplätze gestellt, Essens-Tüten mit Rezepten verteilt, Videos mit Bewegungsanleitungen gedreht und warme Mahlzeiten bis an die Haustür geliert“, zählt Michel auf. „Wir waren immer da.“

Und das will das Team vom Fliz-Mobil immer bleiben, jetzt auch für ukrainische Familien, die vor dem Krieg nach Deutschland geflohen sind. Denn auch wenn die Verständigung noch etwas schwer falle, würden bereits heute viele ukrainische Kinder mit einem Mittagessen und Freizeitangeboten versorgt.