Essen-Nordviertel. Aufbruch statt sozialer Abstieg: Eine neue Broschüre zeigt, was im Essener Nordviertel erreicht wurde. Anwohner und Macher kommen zu Wort.

„Kirche im Dorf“ heißt ein neuer, ungewöhnlicher Rundgang durch das Essener Nordviertel: In einer knapp 80 Seiten starken Broschüre, die die St.-Gertrud-Gemeinde herausgegeben hat, werden dabei alle wichtigen Akteure und Aktionen des Viertels vorgestellt.

Es hat sich viel getan im Nordviertel: Bunt, lebendig und kreativ ist das Quartier am nördlichen Rand der Innenstadt. Das war nicht immer so: Jahrelang war das Nordviertel sozial abgerutscht, gleichermaßen vernachlässigt von den Stadtverantwortlichen wie dem Immobilienriesen Vonovia, dem hier viele Wohnungen gehören.

Besonders das Eltingviertel rückt in den Mittelpunkt

Zur Präsentation der Broschüre kamen die Besucher im Gertrudissaal zusammen.
Zur Präsentation der Broschüre kamen die Besucher im Gertrudissaal zusammen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos


Doch dann rückte besonders das Eltingviertel mit seinen Gründerzeithäusern in den Mittelpunkt und plötzlich entstand eine Aufbruchstimmung: Die Häuser wurden renoviert, es bildeten sich Nachbarschaftsstammtische, Urban-Gardening-Projekte und auch ein Nachbarschaftsverein.

Mittendrin die St.-Gertrud-Gemeinde, die eine wichtige soziale Rolle spielt: Hier finden Sprach- und Integrationskurse für Menschen mit Migrationshintergrund statt, gibt es gemeinsame Kochkurse, trifft sich ein internationaler Frauenchor, gibt es mit dem Kinder- und Familientisch des Fliz-Mobils seit vielen Jahren nun schon ein niederschwelliges soziales Angebot.

Anwohner und Macher kommen in der Broschüre zu Wort

„All das findet sich in unserem Rundgang wieder“, sagt Gabi Wittekopf, ebenfalls eine Akteurin des Nordviertels. Die Erziehungswissenschaftlerin arbeitet am Institut für Stadtteilentwicklung der Uni Essen/Duisburg und ist seit 2013 als Stadtteilmoderatorin für das Nordviertel zuständig. Gemeinsam mit dem engagierten Diakon Winfried Rottenecker und der Stadtplanerin Ingrid Ratay hat sie die Broschüre innerhalb von sieben Monaten verwirklicht.

Für die Broschüre „Kirche im Dorf“ sind die Menschen aus dem Stadtteil befragt worden.
Für die Broschüre „Kirche im Dorf“ sind die Menschen aus dem Stadtteil befragt worden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos


„Wir wollten einfach zeigen, was wir gemeinsam mit dem Menschen im Nordviertel geschafft haben“, erklärt Gabi Wittekopf. Die Broschüre sei nicht fachspezifisch, „sondern wir haben Anwohner wie Macher zu Wort kommen lassen“. Da ist zum Beispiel die junge Sozialarbeiterin Rebecca Radmacher, die für die St.-Gertrud-Gemeinde als Stadtteilkundschafterin unterwegs ist. Ihr Augenmerk liegt besonders auf dem ehrenamtlichen Engagement im gesamten Stadtteil – hier hat sie eine Willkommenskultur und auch eine Struktur etabliert.

Einsatz für die Ausgegrenzten, Armen, Benachteiligten im Nordviertel

„Die Gemeinde ist offen für alle Menschen im Stadtteil“, sagt Gabi Wittekopf, „und das ist der Verdienst von Winfried Rottenecker, der sich besonders für die Ausgegrenzten, Armen, Benachteiligten im Nordviertel eingesetzt hat. Das ist gelebte Nächstenliebe“.

Gepflegt und ausgebaut wird ebenso das Miteinander im Stadtteil - auch das zeigt die Broschüre anschaulich. Besonders das Lichterfest als gemeinsames Fest für alle Nationen und Kulturen sei ein gelungenes Beispiel für gelebte Integration. Gleichzeitig wird in „Kirche im Dorf“ aufgezeigt, was und welche Projekte noch nötig sind, wo es Handlungsbedarf, Kritik und Diskussionsstoff im Viertel gibt. „Die Bekämpfung der Kinderarmut ist ein sehr großes und wichtiges Thema für alle Akteure“, so Wittekopf. Aber auch der rattenverseuchte Parkplatz am Bahndamm oder die düstere Bahnunterführung am Eingang zum Nordviertel werden thematisiert. „Auch wenn wir schon viel geschafft haben; wir sind noch lange nicht fertig, die Arbeit geht weiter.“