Essen. An Klaus Künhaupts Adresse nahe der Uniklinik laufen Menschen mit großen Sorgen vorbei. Der Pfarrer bietet auf außergewöhnliche Art Beistand an.

Wer an Kirche denkt, denkt nicht unbedingt an Digitalisierung, an Social Media, an Youtube. Der Essener Pfarrer Klaus Künhaupt von der Evangelischen Erlöserkichengemeinde Holsterhausen möchte das ändern. Kurz vor Ostern hat er sich eine besondere Aktion überlegt. Im Garten vor seinem Haus hat er einen QR-Code aufgestellt, den jeder Vorbeilaufende mit seiner Smartphone-Kamera scannen kann. Wer das macht, landet bei einem Youtube-Video – in dem Künhaupt für die Zuseherinnen und -seher betet.

Die Idee ist dem Pfarrer gekommen, weil er in Holsterhausen in der Nähe der Uniklinik lebt. Eindrücklich schildert er, mit welchen bewegenden Schicksalen er Tag für Tag in seinem Viertel konfrontiert ist. „Ich sehe einen junge Menschen, der einen alten Menschen mit einem Verband auf dem Kopf durch die Straße führt“, erzählt er zum Beispiel. „Oder letztens im Dönerladen, da war ein junges Paar, das gerade telefonierte und dabei sagte: ‘Man kann das wohl nicht mehr operieren’.“

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Essener Pfarrer: Kleine Gesten sind wichtig

Eine Begegnung ist Künhaupt besonders in Erinnerung geblieben. Sie ereignete sich bei einem Bäcker in der Nähe des Uniklinikums. „Der Bäcker fragte einen Mann, ob das Kind im Laden seines sei. Der entgegnete daraufhin: ‘Ja, aber ich habe noch ein Kind, das gerade wegen eines Tumors hinter dem Auge behandelt wird“, berichtet Künhaupt. „Da habe ich den Mann einfach angesprochen und gesagt, dass mir das sehr leid tut.“ Damit habe er offenbar einen Nerv getroffen, denn der Mann habe ihn gleich dankbar in der Bäckerei umarmt.

Den QR-Code vor Klaus Künhaupts Haus in Essen-Holsterhausen kann man einfach mit dem Smartphone einscannen.
Den QR-Code vor Klaus Künhaupts Haus in Essen-Holsterhausen kann man einfach mit dem Smartphone einscannen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Solche kleinen Gesten sind wichtig“, betont der Pfarrer. Es gehe darum, Menschen ohne viele Aufwand zu zeigen: „Ich denke an dich“ und „Du bist nicht allein“. So kam er auf den Gedanken, den QR-Code als niedrigschwelliges Angebot aufzustellen, sodass sich jeder ganz einfach etwas digitalen Beistand holen kann, wenn er es möchte. „Manche Menschen wollen in schwierigen Situationen ja auch lieber ihre Ruhe haben und nicht angesprochen werden. Mir selbst ging es nach dem Tod meines Vaters so.“

Wer will, kann jederzeit beim Essener Pfarrer klingeln

Video über die Youtube-Suche abrufbar

Klaus Künhaupts Youtube-Video kann man auch finden, wenn man in die Youtube-Suche „Gebet auf dem Weg zum Klinikum eingibt.

Im Gebet bittet der Pfarrer Gott, den jeweils zuschauenden Menschen zu stärken und auf seinem Weg zu begleiten.

Das Video endet mit dem Appell, einfach einmal beim Pfarrer zu klingeln oder sich alternativ an die Krankenhausseelsorge zu wenden.

Die Resonanz seiner Aktion sei bisher positiv gewesen, bilanziert Künhaupt. „Ich habe das Angebot in mehreren Facebook-Gruppen gepostet, da gab es je 50 bis 60 Likes und sehr nette Kommentare.“ Sein Youtube-Video habe bisher über 200 Aufrufe erzielt. Wie viele davon tatsächlich über den QR-Code gekommen sind, kann er allerdings nicht sagen.

Besonders wichtig ist dem Pfarrer zu betonen, dass der Code nur einem ersten Kontakt diene. Ausdrücklich lädt er jeden Menschen auf der Suche nach Beistand ein, bei ihm zu klingeln. „Viele wissen gar nicht, dass sie einfach beim Pfarrer an die Tür klopfen können“, so seine Erfahrung. Natürlich könne es auch immer passieren, dass gerade ein wichtiger Termin bevorstehe. Aber: „Ansonsten nehme ich mir gern die Zeit für ein persönliches Gespräch. Denn dafür bin ich ja Pfarrer geworden.“

Mit der Strategie, für seine Arbeit gezielt auf die Sozialen Medien zurückzugreifen, hat Künhaupt bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Auf diese Weise habe er die Zeit des Lockdowns gut überbrücken können, erklärt der Pfarrer. Oft genug hätten sich danach auch persönliche Beziehungen entwickelt. Sein Highlight: „Ein Mann hat mich gefragt, ob ich ihn und seine zukünftige Frau trauen würde – weil er meine Social-Media-Kommentare gelesen hatte und gut fand.“