Essen. Die deutsch-amerikanischen Zwillinge Luke und Levi haben einen Doppelnachnamen. Den lehnt die Stadt Essen ab. Hilft bald ein neues Namensrecht?

Die deutsch-amerikanischen Zwillinge Luke und Levi sind vor dem Amtsgericht Essen gescheitert: In Deutschland dürfen die Anderthalbjährigen weiterhin nicht ihren Doppelnachnamen führen. Die Familie mit Essener Wurzeln will nun den Weg durch die Instanzen beschreiten. „Aber vielleicht ist der Gesetzgeber schneller“, vermutet ihr Rechtsanwalt Thomas Hermes. „Die Bundesregierung möchte das Namensrecht ändern, und wir hoffen, dass dieser Aspekt berücksichtigt wird.“ Jetzt bekam er dazu Post aus dem Bundesjustizministerium.

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Zwillingsvater Lars Brauer ist gebürtiger Essener und lebt seit zwei Jahrzehnten in den USA. Als Luke und Levi im Jahr 2020 zur Welt kamen, wollten er und seine Partnerin Lourdes Teh die Familienzusammengehörigkeit dokumentieren und gaben ihren Söhnen beide Nachnamen: Teh-Brauer.

In den USA ist das kein Problem, in Deutschland ist ein Doppelname für Kinder dagegen nicht zulässig. Mit einer Ausnahme: Hat ein Elternteil keine deutsche Staatsbürgerschaft, kann das Namensrecht seines Heimatlandes gewählt werden. Auf der Homepage der Deutschen Vertretungen in den USA hieß es dazu im September 2020 noch: Wenn eine Familie US-Namensrecht anwende, „können Sie einen Doppelnamen [...] bestehend aus den beiden Nachnamen der Eltern für ihr Kind wählen“. Brauer vertraute auf diese Auskunft.

„Eine hinkende Namensführung ist für die Kinder unzumutbar“, sagt Rechtsanwalt Thomas Hermes zum Vorschlag, dass Luke und Levi im deutschen Pass einen anderen Nachnamen tragen als im US-Pass.
„Eine hinkende Namensführung ist für die Kinder unzumutbar“, sagt Rechtsanwalt Thomas Hermes zum Vorschlag, dass Luke und Levi im deutschen Pass einen anderen Nachnamen tragen als im US-Pass. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Weil Luke und Levi beide Staatsbürgerschaften haben, wollte er für sie neben dem US-Pass auch einen deutschen beantragen – schon für die Reisen zu den Großeltern in Essen. Das Deutsche Konsulat in Brauers Wohnort Los Angeles würde die Pässe ausstellen. Zuvor müsste er die Namenswahl jedoch in seinem letzten deutschen Wohnort absegnen lassen. Das lehnte das Essener Standesamt ab. „Die nach amerikanischem Recht beurkundete Namensführung kann nicht ins deutsche Recht übertragen werden“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz. Schuld ist eine Besonderheit des US-Rechts, das „Fantasienamen ohne erkennbaren familiären Bezug“ zulässt. Deshalb wird es aktuell in Deutschland nicht angewendet – selbst wenn die Eltern gar keinen Fantasienamen wählen.

Stadt Essen nennt den Doppelnamen rechtswidrig

Die Stadt sieht sich hier an einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) gebunden, der keinen Spielraum lasse: Den gewünschten Doppelnamen eintragen zu lassen, wäre „schlichtweg rechtswidrig“. Die Eltern sollten Luke und Levi für die deutschen Pässe nur Teh oder Brauer als Nachnamen geben. Die Familie lehnt das ab: Zwei Pässe mit verschiedenen Namen würden zu Komplikationen bei Ein- und Ausreise oder später gar zu Betrugsvorwürfen führen. „Wir fürchten, dass unsere Kinder ein Leben lang Nachteile hätten.“

Der deutsche Staat änderte seine Empfehlung zur Namenswahl

Auf der Homepage der Deutschen Vertretungen in den USA heißt es am 29. September 2020: „Ein Doppelname als Kombination aus den beiden Nachnamen der Eltern ist nach deutschem Recht nicht als Familienname für das Kind zulässig.“ Wenn ein Elternteil eine andere Staatsangehörigkeit als die deutsche besitze, könnten die Eltern jedoch auch das Heimatrecht des ausländischen Elternteils wählen. Beispiel: „Wenn Ihr Ehegatte US-amerikanischer Staatsangehöriger ist und Sie US-amerikanisches Recht für die Namensführung Ihres Kindes bestimmen, können Sie einen Doppelnamen mit oder ohne Bindestrich – bestehend aus beiden Nachnamen der Eltern – für Ihr Kind wählen.“

Seit 25. Januar 2021 ist der Eintrag auf der Homepage geändert: „Die zuständigen Standesämter prüfen derzeit [...], ob das US-amerikanische Namensrecht, welches Fantasienamen ohne erkennbaren familiären Bezug als Familiennamen zulässt, weiterhin gewählt werden kann. Es ist dabei unerheblich, ob im individuellen Fall tatsächlich ein Fantasiename bestimmt worden ist. Die Bearbeitung von Anträgen mit Wahl des US-amerikanischen Namensrechts wird daher von den Standesämtern solange ausgesetzt, bis eine weitere gerichtliche Entscheidung zu der vorgenannten Frage vorliegt.“

Eine solche, „hinkende Namensführung“ sei unzumutbar, sagt auch Anwalt Hermes. Er hat daher Ende 2021 beim Amtsgericht Essen beantragt, es solle die Stadt anweisen, doch kalifornisches Namensrecht auf Luke und Levi anzuwenden. Hermes argumentierte, die deutsch-amerikanische Familie dürfe nicht schlechter gestellt werden als EU-Bürger, die in einer vergleichbaren Konstellation Doppelnachnamen für ihre Kinder wählen dürfen.

Lourdes Teh und Lars Brauer wollten die Familienzusammengehörigkeit auch im Namen dokumentieren: So tragen ihre Zwillinge Luke und Levi den Nachnamen Teh-Brauer – bisher allerdings nur in den USA.
Lourdes Teh und Lars Brauer wollten die Familienzusammengehörigkeit auch im Namen dokumentieren: So tragen ihre Zwillinge Luke und Levi den Nachnamen Teh-Brauer – bisher allerdings nur in den USA. © Joanne Leung Photography

Das Amtsgericht lehnte den Antrag im Februar ab: Es sieht sich wie die Stadt an den BGH-Beschluss gebunden und hebt darauf ab, dass die Familie jederzeit „eine einheitliche Namensführung herbeiführen könne“, indem sie in den USA den Doppelnamen in einen einfachen Nachnamen abwandeln lasse: „Das kalifornische Recht lässt Namensänderungen [...] weitreichend zu.“ So könnten die Eltern alle denkbaren Härten abwenden. Dieses Argument dürfte auch eine „öffentlich-rechtliche Namensänderung“ verhindern, die eigens für Härtefälle gedacht ist.

„Wir müssen den Menschen mehr Gestaltungsfreiheit beim Familiennamen überlassen, weil wir sonst zu absurden Ergebnissen kommen, die doch ernsthaft keiner mehr wollen kann.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am 22. Januar 2022 zur geplanten Reform des Namensrechts.
„Wir müssen den Menschen mehr Gestaltungsfreiheit beim Familiennamen überlassen, weil wir sonst zu absurden Ergebnissen kommen, die doch ernsthaft keiner mehr wollen kann.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am 22. Januar 2022 zur geplanten Reform des Namensrechts. © dpa | Michael Kappeler

Thomas Hermes hat Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss eingelegt. Nächste Station ist das Oberlandesgericht Hamm. Weiter ginge es über Bundesgerichtshof und Verfassungsbeschwerde bis zum Europäischen Gerichtshof. Die Zwillinge dürften wohl ein paar Mal Geburtstag feiern, bis sie deutsche Pässe auf die Namen Luke und Levi Teh-Brauer in Händen hielten.

Kommt eine Lex Luke und Levi zum Namensrecht?

Im Namen seiner jungen Mandanten hat Hermes jüngst an Bundesjustizminister Marco Buschmann geschrieben und auf die „unbefriedigende Rechtslage“ hingewiesen. Am vergangenen Donnerstag (24. 3.) bekam er eine ermutigende Antwort aus dem Ministerium: Die Liberalisierung des Namensrechts sei „zentraler Bestandteil der Reformpläne“ des Hauses, heißt es da. Und: Die „Einführung echter Doppelnamen“ sei im Koalitionsvertrag vereinbart und werde „zügig“ angegangen. Einen Namen für das Gesetz wüssten wir schon: Lex Luke und Levi.